Apoptose – Programmierter Zelltod

Artikel aktualisiert am 28. April 2024


Geordnete Selbstzerstörung

Apoptose (programmierter Zelltod) bedeutet geordnete Selbstzerstörung einer Zelle durch ein genetisch bestimmtes Ablaufprogramm. Es dient der Gesundheit des Körpers, indem es ihn von unnötig gewordenen und von irreversibel geschädigten Zellen befreit und ihm eine Remodellierung von Organen und Geweben ermöglicht.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Der programmierte Zelltod (Apoptose, engl. programmed cell death, PD) ist ein genetisch kodierter Mechanismus, mit dem Zellen sich selbst in geordneter Weise „aus dem Verkehr ziehen“. Er wird eingeleitet, wenn eine Zelle nicht mehr gebraucht wird, oder wenn sie sich bei einer Schädigung nicht selbst reparieren kann.

Bedeutung: Die Apoptose dient

  • bei der Entwicklung des Körpers der richtigen Formentfaltung und
  • bei der Alterung eines Organismus der Aufrechterhaltung der Größe einer sich regenerierenden Zellpopulation und eines Organs.

Sie spielt bei der Gesunderhaltung von Organen und letztlich des gesamten Körpers eine entscheidende Rolle.

Durch die Apoptose werden unbrauchbar gewordene oder kranke Zellen geordnet abgebaut, ohne dass toxische Substanzen in die Umgebung austreten, und ohne dass benachbarte Zellen oder den gesamten Körper geschädigt werden. Zudem können die abgebauten Bestandteile von Phagozyten wiederverwertet werden.

Start des programmierten Zelltods: Der geordnete Abbauprozess kann über zwei Wege gestartet werden,

  • einen, der von Signalen innerhalb der Zelle ausgeht (intrinsischer Weg) und
  • einen, der von außen über „Todesrezeptoren“ (programmed cell death receptors, PD-R) eingeleitet wird (extrinsischer Weg).

Während der Apoptose schrumpft die Zelle, wird im mikroskopischen Bild rötlich (HE-Färbung) und löst sich aus dem Zellverband. Die letzten Reste werden von Fresszellen (Phagozyten) beseitigt.

Krebszellen entgehen dem programmierten Zelltod: Eine wichtige Funktion des programmierten Zelltods ist die Zerstörung von Tumorzellen. Eine Möglichkeit der Therapie besteht darin, die Empfindlichkeit des Immunsystems wieder zu erhöhen. Medikamente dazu sind PD-Antikörper, welche die Abwehrzellen (T-Lymphozyten) stärken, indem sie deren tumorbedingte Hemmung aufheben (s. u.).

Signalwege und Checkpoints: Basics


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Allgemeines

Die programmierte Selbstzerstörung ist ein genetisch fixierter Ablauf, der startet, wenn die Zellreparaturmechanismen, wie Autophagie und Mitophagie, nicht mehr gebraucht werden oder nicht mehr funktionieren.

  • Mikroskopisch weisen Blasenbildung an der Plasmamembran, Zellschrumpfung und Kernkondensation (Kernpyknose) und -fragmentierung auf eine Apoptose hin.
  • Biochemisch kommt es zu einer DNA-Zerkleinerung und einem mRNA-Zerfall. Damit ist jede geregelte Zellfunktion außer Funktion gesetzt.

Der  Abbau erfolgt geordnet, damit die Umgebung nicht geschädigt wird und die Abbauproduke wiederverwendet werden können. (1)Trends Genet. 1998 Oct; 14(10):410-6. Er unterscheidet sich essenziell von der Nekrose, die einen ungeordneten Zelluntergang darstellt, wie er durch mechanische, thermische oder chemische Noxen ausgelöst wird.

Der programmierte Zelltod spielt eine bedeutende Rolle während des Wachstums des Körpers, beim Remodeling (Umbau) von Organen und Geweben, während der Altersinvolution und bei der Eliminierung von Krebszellen.

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Ablauf

Während der Prozesse der geordneten Zellzerstörung werden über die Aktivierung spezieller Enzyme die Kern-DNA gespalten und die energieliefernden Prozesse unterbrochen. Die Proteine der Zelle werden abgebaut. Die Proteinspaltung erfolgt hauptsächlich durch die Aktivierung von Cysteinproteasen, den sogenannten Caspasen. Nicht verdauliche Reste werden durch Phagozyten (Fresszellen, spezielle Makrophagen) abgeräumt.

Messung der apoptotischen Aktivität

Ein Maß für die apoptotische Aktivität von Zellen ist ihre DNA-Fragmentierung. Die DNA wird durch eine Endonuklease gespalten. Die Teilstücke, die ein Vielfaches von etwa 180-bp-Oligomeren darstellen, lassen sich als DNA-Leiter auf einem Agarosegel sichtbar machen.  (2)Methods Mol Biol. 2004;282:1-17. doi: 10.1385/1-59259-812-9:001

Start

Der Start einer Selbstzerstörung erfolgt durch

  • interne Auslöser (intrinsischer oder mitochondrialer Weg). Der interne Weg wird ausgelöst, wenn der oxidative Stress einer Zelle, der sich vor allem in den Mitochondrien manifestiert, zu groß wird.
  • externe Auslöser (extrinsischer Weg über „death receptors“, DR). Der extrinsische Weg wird beschritten, wenn Zerstörungsbefehle beispielsweise des Immunsystems über Rezeptoren gemeldet werden. (3)Adv Exp Med Biol. 2020;1248:201-226. doi: 10.1007/978-981-15-3266-5_9

Beide Wege laufen in der Phase der apoptotischen Auflösung zusammen.

Intrinsischer oder mitochondrialer Weg

Der vom Inneren der Zelle ausgelöste (intrinsische) Weg der Selbstzerstörung wird auch als mitochondrialer Weg bezeichnet. Auslöser ist interner zellulärer Stress, der sich an DNA-Schäden oder im endoplasmatischen Retikulum manifestiert. An der Aktivierung beteiligt sind verschiedene Faktoren (BH3-Proteine BID, BIM, BAD, BIK, BMF, Noxa, PUMA und HRK). BH3-Proteine aktivieren pro-survival oder pro-apoptotische BH3-Proteine. Dies führt (je nach Aktivator) entweder zur Unterbrechung oder zur Fortsetzung des apoptotischen Zelltods. (4)Oncogene. 2008;27:S2–S19. doi: 10.1038/onc.2009.39

Extrinsischer Weg über den Zelltodrezeptor DR

Der von außen angestoßene Weg der Selbstzerstörung benötigt äußere Reize, die an Zelltodrezeptoren (death receptors, DR) binden. Diese lösen über Signalwege im Inneren den Zerstörungsprozess der Zelle aus, wobei eine Caspase mitwirkt. Der Weg wird über eine mitochondriale Caspaseaktivierung verstärkt.

Die verschiedenen DR gehören zur Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Rezeptor-Superfamilie. Zu ihr gehören als Mitglieder Fas, TNFR1, DR3, DR4, DR5 und DR6. Es gibt acht Arten von Todesrezeptoren (DR1-DR8). (5)Int J Mol Sci. 2019 Aug 24;20(17):4133. DOI: 10.3390/ijms20174133 Apoptose-induzierende Liganden der TNF-Superfamilie (DR-L) sind beispielsweise TNF-α, FasL und der TNF-bezogene Apoptose-induzierende Ligand (TRAIL). (6)Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. DOI: 10.3390/cancers13071543.

Programmed Cell Death Protein-1 (PD-1)

Auf der Oberfläche von Zellen des Immunsystems, den T- und B-Lymphozyten, befindet sich ein spezielles Protein (PD-1), welches die Aktivität der T-Zellen dämpft. PD-1 vermindert die Bereitschaft der regulatorischen T-Zellen (CD8-Zellen), sich zu inaktivieren. Seine natürliche Funktion besteht darin, die Ausgewogenheit einer Immunreaktion zu garantieren und eine überschießende Reaktion zu vermeiden. Es schützt damit vor Autoimmunkrankheiten. Das PD-1-Protein wird durch das PDCD1-Gen kodiert. (7)Methods Mol Biol. 2018;1856:247-254. doi: 10.1007/978-1-4939-8751-1_14

Mikroskopisch

Zellen, die einem geordneten Zelltod entgegengehen, werden zunehmend kleiner und färben sich in der HE-Färbung rötlicher (eosinophiler) an. Ihr Zytoplasma wird dichter, und ihre Kerne werden durch Kondensation ihrer DNA kleiner („pyknotisch“), sie färben sich dunkelblau an. Solche pyknotische Zellen können im Gewebe verstreut liegen (wie z. B. zugrunde gehende Hepatozyten bei einer Hepatitis) oder in Clustern, wie z. B. in Arealen einer Minderdurchblutung eines Organbezierks. Häufig erkennt man Ausstülpungen der Plasmamembran, eine Bläschenbildung („blebbing“ oder „budding“). Die Auflösung des Zytoplasmas wird von einem Kernzerfall gefolgt. Die Rückstände werden durch Gewebsmakrophagen phagozytiert („gefressen“) und entsorgt (siehe hier).

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Sonderform Pyroptose

Eine besondere Form des programmierten Zelltods ist die Pyroptose (Pyro: mit Fieber einhergehend). Sie wird durch Infektionserreger ausgelöst, die von Abwehrzellen der vordersten Front, den Makrophagen, aufgenommen wurden. Der Effekt einer Pyroptose ist eine Begrenzung der Infektionsausbreitung.

Die Pyroptose spielt vor allem in der Darmschleimhaut eine große Rolle, wo sie eindringende Darmkeime entfernt. Über Signalwege wird die Caspase-1 aktiviert, welche diejenigen Enzyme inaktiviert, die für die Energieversorgung der Zelle zuständig sind; die Zellen geraten in einen akuten Ennergiemangel. Die Caspase aktiviert darüber hinaus Mediatorstoffe, wie IL-1ß, die eine lokale Entzündung fördern und Fresszellen anlocken. (8)Signal Transduct Target Ther. 2021 Mar 29;6(1):128. DOI: 10.1038/s41392-021-00507-5

Unterschiede: Apoptose, Autophagie, Nekrose

Apoptose und Autophagie sind geordnete und genetisch festgelegte Prozesse, während die Nekrose ein ungeordneter Zelluntergang ist (9)Cell Biol Int. 2019 Jun;43(6):582-592. DOI: 10.1002/cbin.11137.

  • Der programmierte Zelltod weist eine Reihe charakteristischer enzymabhängiger biochemischer Prozesse und Veränderungen der Zellstruktur auf. Das Ergebnis ist eine „diskrete“ Entfernung von irreversibel geschädigten und kranken Zellen aus dem Körper, wobei das umliegende Gewebe nur gering geschädigt wird.
  • Eine Nekrose dagegen ist eine ungeordnete Zellzerstörung, die mit einer Schädigung des umgebenden Gewebes einhergeht. Sie entsteht durch direkte schädigende Einwirkungen, chemischer, thermischer oder mechanischer Art oder durch Unterbrechung der Durchblutung. Bei ihr werden aus den zerstörten Zellen Enzyme und toxische Substanzen frei, die (im Gegensatz zum programmierten Zelltod) zu einer toxischen Belastung der direkten Umgebung und des Körpers führt.
  • Eine Autophagie ist ein Prozess der Selbstheilung von Zellen, die defekte Bestandteile, wie funktionsgestörte Zellorganelle und Proteine/Proteinaggregate enthalten. Sie werden durch Lysosomen entsorgt. Wenn dieser Prozess überlastet ist, tritt die Apoptose in Kraft. Eine intrazelluläre Entsorgung defekter Mitochondrien wird als Mitophagie bezeichnet.

Auslösung der Apoptose

Der programmierte Zelltod kann durch verschiedene Stimuli organ- oder gewebespezifisch eingeleitet werden. Beispiele:

  • Glukokortikoide beispielsweise führen zu einer Reduktion von lymphatischem Gewebe im Thymus (10)Semin Immunol. 1992 Dec;4(6):363-9. PMID: 1286164;
  • Energiereiche Strahlen lösen eine Apoptose dafür empfindlicher Zellen aus. (11)Coll Antropol. 2011 Sep;35 Suppl 2:339-41. PMID: 22220467.
  • Tumornekrosefaktoren (TNF) lösen einen programmierten Zelltod aus (12)J Orthop Surg Res. 2021 Jun 28;16(1):411. doi: 10.1186/s13018-021-02545-9, auch den von bestimmten Krebszellen (13)Biochem Pharmacol. 2022 Jan;195:114865. doi: 10.1016/j.bcp.2021.114865.
  • Eine Hypoxie (Sauerstoffuntersättigung in Geweben und Organen) löst eine der Sauerstoffrestversorgung angemessene Zellzerstörung aus (14)J Am Heart Assoc. 2019 Sep 17;8(18):e011948. doi: 10.1161/JAHA.119.011948..

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Verweise

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Literatur

Literatur
1 Trends Genet. 1998 Oct; 14(10):410-6.
2 Methods Mol Biol. 2004;282:1-17. doi: 10.1385/1-59259-812-9:001
3 Adv Exp Med Biol. 2020;1248:201-226. doi: 10.1007/978-981-15-3266-5_9
4 Oncogene. 2008;27:S2–S19. doi: 10.1038/onc.2009.39
5 Int J Mol Sci. 2019 Aug 24;20(17):4133. DOI: 10.3390/ijms20174133
6 Cancers (Basel). 2021 Mar 27;13(7):1543. DOI: 10.3390/cancers13071543.
7 Methods Mol Biol. 2018;1856:247-254. doi: 10.1007/978-1-4939-8751-1_14
8 Signal Transduct Target Ther. 2021 Mar 29;6(1):128. DOI: 10.1038/s41392-021-00507-5
9 Cell Biol Int. 2019 Jun;43(6):582-592. DOI: 10.1002/cbin.11137
10 Semin Immunol. 1992 Dec;4(6):363-9. PMID: 1286164
11 Coll Antropol. 2011 Sep;35 Suppl 2:339-41. PMID: 22220467.
12 J Orthop Surg Res. 2021 Jun 28;16(1):411. doi: 10.1186/s13018-021-02545-9
13 Biochem Pharmacol. 2022 Jan;195:114865. doi: 10.1016/j.bcp.2021.114865
14 J Am Heart Assoc. 2019 Sep 17;8(18):e011948. doi: 10.1161/JAHA.119.011948.