Intrahepatische Schwangerschaftscholestase

Artikel aktualisiert am 23. September 2023

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase (engl.: intrahepatic cholestasis of pregnancy, ICP) ist eine akut in der Schwangerschaft auftretende Leberkrankheit mit Gallestau (Cholestase) unbekannter Ursache. (1)J Clin Med. 2020 May 6;9(5):1361. doi: 10.3390/jcm9051361


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase (ICP) ist nicht allzu selten. Sie hat eine genetische Grundlage, so dass das Risiko einer ICP auch bei einer nachfolgenden Schwangerschaft bestehen bleibt.

Die Erkrankung beginnt im dritten Trimenon (meist erst nach der 30. SSW) und ist durch Juckreiz, eine Gelbsucht (zuerst am Auge erkennbar) und erhöhte Spiegel an Gallensäuren charakterisiert.  Sie bedeutet ein erhöhtes Risiko einer Totgeburt.

Bei der Krankheitsentwicklung spielt das Darmmikrobiom eine ausschlaggebende Rolle (s. u.).

Therapeutisch kann Urso die Entwicklung der ICP verlangsamen, ansonsten ist eine vorzeitige Entbindung, ggf. durch Kaiserschnitt indiziert.


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Entstehung

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase ist eine hereditäre (erbliche, genetisch determinierte) Beeinträchtigung der Gallebildung in den Leberzellen (Hepatozyten). Die Genese ist nicht vollständig geklärt. (2)J Clin Med. 2020 May 6;9(5):1361. doi: 10.3390/jcm9051361 Wahrscheinlich besteht eine genetische Heterogenität. (3)Gut 2003; 52: 1025-1029

An der Entstehung beteiligt ist offenbar eine Mutation von Transportmechanismen an der gallenkapillären Membran der Leberzellen. Es wird eine Verwandtschaft mit der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase angenommen, bei der der Phospholipidtransfer von der Innen- auf die Außenseite der Membran gestört ist mit der Folge einer gestörten Bildung gemischter Mizellen in der Galle. Es wurden Mutationen des MDR3-Gens (codiert für die Phosphatidylcholin-Translokase) gefunden. (4)Gastroenterology 2003; 124: 1037-1042 Eine Beteiligung der Gallensäuren-Exportpumpe (BSEP) wird angenommen. (5)Scand J Gastroenterol 2003; 38: 648-652

Darmbakterien spielen eine offenbar zentrale Rolle bei der Krankheitsentwicklung. Im Rahmen einer ICP treten Veränderungen der Darmmikrobiota mit Aufkommen von Bacterium fragilis auf, welche (über den FXR-Signalweg) in der Leber eine überschießende Gallensäureproduktion veranlassen – ein Kennzeichen der ICP. Die Überlegungen gehen daher dahin, diesen Signalweg therapeutisch zu beeinflussen. (6)Nat Commun. 2023 Mar 9;14(1):1305. DOI: 10.1038/s41467-023-36981-4

Es besteht eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Östrogenen in der Schwangerschaft, die durch Mikro-RNA (miR-148a) vermittelt wird. (7)PLoS One. 2017 Jun 2;12(6):e0178702. doi: 10.1371/journal.pone.0178702 Daran beteiligt ist der in Leber und Darm vorkommende Pregnan-X-Rezeptor (PXR). Er wird durch die Gallensäure Lithocholsäure (LCA) aktiviert.

Häufigkeit

Eine ICP tritt (in den USA) bei 0,25–0,32 % der Schwangerschaften auf. Am höchsten wurde die Inzidenz bei spanischen Gruppen in Los Angeles mit 5,6% gefunden. (8)Perinatol 2006;26(9):527–32

Klinik

Es kommt meist im 3. Schwangerschaftsabschnitt (Trimenon) zu Abgeschlagenheit, starkem Juckreiz (Pruritus) und zu einer Gelbsucht (Ikterus).

Diagnostik

Labor

Unter den Laborwerten sind gamma-GT, ALAT und alkalische Phosphatase erhöht. Da diese Enzyme bei Schwangerschaft immer erhöht sind, ist eine solche Erhöhung allein nicht sehr aussagekräftig. Erhöht sind zudem LAP (Leucinaminopeptidase), Bilirubin (direkt) und Gallensäuren. Insbesondere eine Erhöhung des Bilirubins und der Gallensäurekonzentration im Serum bedeuten, wenn sie im letzten Schwangerschaftsdrittel auftreten, einen starken Hinweis. (9)Arch Dermatol. 2007 Jun;143(6):757-62

Differentialdiagnosen

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase ist differenzialdiagnostisch abzugrenzen von folgenden Erkrankungen:

Diagnostische Abgrenzung anderer Krankheiten

Die erste Diagnostik umfasst in aller Regel folgende Erkrankungen gleich mit:

  • Zur Abgrenzung mit einem Arzneimittelschaden der Leber dient eine genaue Anamnese.
  • Ein Abflusshindernis der Galle ist oft durch eine Ultraschalluntersuchung der Leber zu erkennen.
  • Die häufigste mit einer Gelbsucht im letzten Schwangerschaftsdrittel einhergehende Erkrankung ist das HELLP-Syndrom (siehe hier).
  • Differenzialdiagnostisch muss eine cholestatische Form einer infektiösen Leberentzündung (Hepatitis) einbezogen werden. Die Hepatitisserologie ist jedoch negativ – sofern nicht eine vorbestehende Virushepatitis vorliegt; in diesem Fall bedarf die Differenzialdiagnose einer genaueren Nachprüfung (z. B. Titeranstieg?).

Konsequenzen für das Kind

Das kindliche Risiko für Komplikationen hängt mit den Gallensäuren zusammen, die sich im fetalen Kompartiment anreichern können. Allerdings ist der Gallensäurespiegel im kindlichen Blut deutlich niedriger als im mütterlichen, wodurch das Kind weitgehend geschützt ist. (10) J Clin Med. 2023 Jan 12;12(2):616. DOI: 10.3390/jcm12020616 Wenn aber dennoch eine Schädigung eintritt. so gehörern zu den Konsequenzen Fehlfunktionen aller Organe inklusive Lungen und Herz. Es kann zu intrauterinem Tod sowie zu einer spontanen Frühgeburt kommen.

Therapie

Die Behandlung umfasst einige Maßnahmen, die individuell angewendet werden: Ursodesoxycholsäure vermag die Progredienz und die Schwere der Symptomatik zu verringern. (11)Hepatology. 2005;42:1399–1405 (12)Cochrane Database Syst. Rev. 2020;7:Cd000493 Cholestyramin (cave: bindet Ursodesoxycholsäure, nicht zusammen geben) kann Juckreiz bessern, Vitamin K dient der perinatalen Blutungsprophylaxe.

Bei resistentem schweren Juckreiz ist in Einzelfällen eine Plasmapherese mit Erfolg angewandt worden (13)Am J Obstet Gynecol. 2005 Jun;192(6):2088-9

Eine zunehmende Symptomatik sowie eine Verschlechterung der kindlichen Lebenszeichen sind Indikationen für eine elektive Geburtseinleitung, bei Dringlichkeit auch eine Entbindung per Kaiserschnitt.

Prognose

Alle Symptome sind in der Regel nach Beendigung der Schwangerschaft reversibel; es bleiben i.d.R. keine Leberschäden. Jedoch tritt eine ICP in den meisten Fällen bei der nächsten Schwangerschaft erneut auf, wobei die Intensität unterschiedlich sein kann. Frauen mit einer ICP haben ein etwas erhöhtes Risiko für Gallensteine. (14)World J Gastroenterol. 2009 May 7;15(17):2049-66. doi: 10.3748/wjg.15.2049.

Verweise


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1J Clin Med. 2020 May 6;9(5):1361. doi: 10.3390/jcm9051361
2J Clin Med. 2020 May 6;9(5):1361. doi: 10.3390/jcm9051361
3Gut 2003; 52: 1025-1029
4Gastroenterology 2003; 124: 1037-1042
5Scand J Gastroenterol 2003; 38: 648-652
6Nat Commun. 2023 Mar 9;14(1):1305. DOI: 10.1038/s41467-023-36981-4
7PLoS One. 2017 Jun 2;12(6):e0178702. doi: 10.1371/journal.pone.0178702
8Perinatol 2006;26(9):527–32
9Arch Dermatol. 2007 Jun;143(6):757-62
10 J Clin Med. 2023 Jan 12;12(2):616. DOI: 10.3390/jcm12020616
11Hepatology. 2005;42:1399–1405
12Cochrane Database Syst. Rev. 2020;7:Cd000493
13Am J Obstet Gynecol. 2005 Jun;192(6):2088-9
14World J Gastroenterol. 2009 May 7;15(17):2049-66. doi: 10.3748/wjg.15.2049.