Drittanfechtung von Dialyse-Sonderbedarf, Dialyse-Ermächtigungen und Dialyse-Versorgungsauftrag

Artikel aktualisiert am 5. Dezember 2018


Drittanfechtung von Dialyse-Sonderbedarf, Dialyse-Ermächtigungen und Dialyse-Versorgungsauftrag

Am 17.10.2012 hat das Bundessozialgericht in fünf Urteilen zu verschiedenen Konstellationen der Drittanfechtung einer Dialyse-Sonderbedarfszulassung, einer Dialyse-Ermächtigung, einer Zusage zur Erteilung eines Dialyse-Versorgungsauftrages bei einer Sonderbedarfszulassung sowie eines Dialyse-Versorgungsauftrages durch eine konkurrierende Dialysepraxis entschieden. Zudem hat es Aussagen zu den Informationspflichten der Kassenärztlichen Vereinigung und zur Folge der Amtshaftung getroffen. Die fünf Urteile sind jüngst im Volltext veröffentlicht worden.

Drittanfechtung einer Dialyse-Sonderbedarfszulassung

In zwei Entscheidungen hat sich das Bundessozialgericht (BSG) mit der Drittanfechtung einer erteilten Sonderbedarfszulassung zur Durchführung der Dialyse durch eine konkurrierende Dialysepraxis befasst.

Voraussetzung für eine solche Anfechtung durch eine konkurrierende Praxis (sogenannte defensive Konkurrentenklage) ist

  • dass Kläger und Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten,
  • dass dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird und
  • dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des anfechtenden nachrangig ist.

Eine Sonderbedarfszulassung ist gegenüber „normalen“ Zulassungen stets nachranging. Dies gilt auch für Dialyse-Sonderbedarfszulassungen.

Ferner muss ein faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt/die Dialysepraxis eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner/ihrer Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich der Patientenkreis des anfechtenden mit dem Patientenkreis desjenigen, dem die Sonderbedarfszulassung erteilt worden ist, in relevantem Maße, also zu mehr als 5%, überschneidet. Bei zwei Dialysepraxen, die weniger als 10 km voneinander entfernt liegen, liegt stets ein solches faktisches Konkurrenzverhältnis vor.

In dem einen Urteil des Bundessozialgerichts war die konkurrierende Dialysepraxis somit befugt, die Sonderbedarfszulassung anzufechten. In dem anderen Fall war dagegen schon Verjährung eingetreten.

Quelle: Urteile des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 39/11 R und B 6 KA 40/11 R

Drittanfechtung der Zusage zur Erteilung eines Dialyse-Versorgungsauftrages bei einer Dialyse-Sonderbedarfszulassung

In einem weiteren Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) darüber entschieden, dass eine konkurrierende Dialysepraxis berechtigt ist, die durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) an einen anderen Nephrologen/eine andere Dialysepraxis erteilte Zusage zur Erteilung eines Dialyse-Versorgungsauftrages für den Fall, dass der Arzt eine Dialyse-Sonderbedarfszulassung erhält, anzufechten.

Das BSG hat hier entschieden, dass die Anfechtungsberechtigung nicht daran scheitere, dass es sich bei der Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrages nicht um eine Statusentscheidung handele. Denn die Zusicherung sei zum Einen eine Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung und untrennbar mit dieser Statusentscheidung verbunden. Vor allem aber sei, soweit es sich nicht um eine nach Übergangsvorschriften zu erteilende Genehmigung handele, Voraussetzung für die Zusicherung nicht nur die in der Qualitätssicherungsvereinbarung genannten Qualifikations- und Qualitätsmerkmale sondern auch die nach der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassenvertrag durchzuführende Bedarfsprüfung. Diese Bedarfsprüfung vermittele Drittschutz für diejenigen konkurrierenden Dialysepraxen, die bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen sind.

Muss also im Rahmen der Bedarfsprüfung der Auslastungsgrad der innerhalb derselben Dialyseversorgungsregion gelegenen Dialysepraxen ermittelt werden, sind die davon betroffenen Dialysepraxen drittanfechtungsberechtigt. Denn der Auslastungsgrad soll eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur gewährleisten. Damit werden dem einzelnen Leistungserbringer, der sich in einem verhältnismäßig kleinem Markt hochspezialisierter Leistungen bewegt, Erwerbsmöglichkeiten in einem bestimmten Umfang gesichert. Das erscheine – so das BSG – im Hinblick auf die kostenintensiven Investitionen, die für den Betrieb einer Dialysepraxis zu tätigen seien, nachvollziehbar. Es entspreche sowohl dem Gemeinwohlinteresse an einer wirtschaftlichen Versorgung als auch den Individualinteressen der Leistungserbringer, wenn durch das Verhindern eines Verdrängungswettbewerbs der Leistungserbringer untereinander die Wirtschaftlichkeit einer Dialysepraxis gewährleistet werde.

Quelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 41/11 R

Drittanfechtung eines Dialyse-Versorgungsauftrages

Das BSG hat ferner entschieden, dass auch die Genehmigung zur Durchführung eines Dialyse-Versorgungsauftrages grundsätzlich eigenständig anfechtbar ist. In dem zugrunde liegenden Fall war jedoch die Klagefrist bereits abgelaufen. Grundsätzlich sind Bescheide, wenn sie einem Arzt zugestellt werden und mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen sind, binnen eines Monats anfechtbar. Da sie konkurrierenden Praxen in der Regel nicht zugestellt werden, läuft eine Jahresfrist. Ist auch die Jahresfrist abgelaufen, besteht keine Anfechtungsmöglichkeit mehr. Zu den dann in Betracht kommenden Amtshaftungsansprüchen siehe unten.

Quelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 42/11 R

Drittanfechtung einer Dialyse-Ermächtigung

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall wurde eine Dialyse-Ermächtigung, die aufgrund der Übergangsvorschriften zur Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/EKV bedarfsunabhängig erteilt wurde, durch eine konkurrierende Dialysepraxis angefochten. In diesem Fall war die Drittanfechtung unzulässig, weil es sich um eine Verlängerung einer bedarfsunabhängigen Dialyse-Ermächtigung handelte. Nur die Vorschriften, die eine Bedarfsprüfung und im Rahmen derer die Berücksichtigung der umliegenden Dialysepraxen vorsehen, vermitteln Drittschutz und erlauben konkurrierenden Dialysepraxen eine Anfechtung.

Quelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 44/11 R

Informationspflichten der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Zulassungsausschüsse und Amtshaftung

In zwei der oben dargestellten Fälle scheiterte die Drittanfechtung dadurch, dass bereits Verjährung eingetreten war. Grundsätzlich sind Bescheide nur binnen eines Monats anfechtbar. Werden sie der betroffenen Praxis nicht schriftlich und mit Rechtsbehelfsbelehrung versehen zugestellt, läuft eine Jahresfrist. Ist auch diese Jahresfrist abgelaufen, werden die Bescheide bestandskräftig und sind nicht mehr anfechtbar.

In diesem Zusammenhang hat das BSG entschieden, dass die Geltung der Jahresfrist nicht die Pflicht der KV und der Zulassungsgremien mindere, im Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 Sozialgesetzbuch X diejenigen zu beteiligen und zu informieren, zu deren Gunsten Drittschutz bestehe. Die zeitliche Eingrenzung der Anfechtungsberechtigung diene der Rechtssicherheit und entlaste die zuständige Behörde nicht von ihren verfahrensrechtlichen Pflichten. Verstöße gegen diese Pflicht führen indes nicht zur Verlängerung der Jahresfrist, sondern können allenfalls Amtshaftungsansprüche des Arztes auslösen, der nicht am Verfahren beteiligt worden ist, obwohl seine Betroffenheit aus Sicht der Zulassungsgremien oder der KV auf der Hand lag.

In den Fällen, in denen Ärzte also erst nach Ablauf der Jahresfrist davon erfahren, dass Konkurrenten bestimmte Genehmigungen per Bescheid erteilt worden sind, können Amtshaftungsansprüche gegen die KV und die Zulassungsgremien in Erwägung gezogen werden. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Dialyse, sondern für alle Zulassungsentscheidungen, etc.

Quellen: Urteile des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 40/11 R und B 6 KA 42/11 R

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Autorin der Seite: St. Dönnebrink
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Mediatorin, bundesweit tätig.
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