Fibrinolyse

Artikel aktualisiert am 25. März 2023

Fibrinolyse (oder Thrombolyse) bedeutet Auflösung eines Thrombus (Blutgerinnsels) durch enzymatische Zerkleinerung des ihn aufbauenden Fibrins. Die Auflösung erfolgt durch enzymatische Zersetzung. Das dafür zuständige Enzym ist Plasmin. Für die Bildung von Plasmin muss Plasminogen, die enzymatisch inaktive Vorstufe des Plasmins, aktiviert werden. Diese Aktivierung ist der entscheidende Schritt zur Einleitung der Gerinnselauflösung sowohl unter physiologischen als auch unter therapeutischen Bedingungen.


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Physiologische Bedeutung

Das fibrinolytische System des Körpers schützt ihn vor überschießender Gerinnselbildung und einem unnötigen Verschluss von Blutgefäßen. Unter physiologischen Bedingungen ist die körpereigene Blutstillung fein reguliert. Es greifen Gerinnung- und Auflösungsprozesse so ineinander, dass sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig bei der Thrombusbildung vermieden wird. Die Bildung des Gerinnsels bleibt auf den lokalen Defekt des verletzten Blutgefäßes begrenzt. Wenn der Defekt geheilt ist, überwiegt die Fibrinolyse, so dass der nun unnötige Thrombus wieder aufgelöst werden kann.

Eine besonders hohe fibrinolytische Kapazität hat die Lunge, was die Chance einer spontanen Auflösung einer Lungenembolie stark erhöht. Die Aufrechterhaltung einer fibrinolytischen Balance beruht auf der Expression von Annexin A2 auf der Zelloberfläche der Endothelzellen. (1)Gen Physiol Biophys. 2009;28 Spec No Focus:F20-8

Mechanismus der Fibrinolyse

Der Mechanismus der körpereigenen Fibrinolyse startet mit der Freisetzung von Plasminogenaktivatoren (PA) aus Gefäßendothelien. Die Endothelien verschiedener Gefäßgebiete im Körper haben offenbar eine sehr unterschiedliche Fähigkeit zur Bildung von PA.

Im Körper wurden zwei Plasminogenaktivatoren gefunden, der des Gewebes (tissue plasminogen activator, tPA) und einer der Nieren: die Urokinase bzw. der Urokinase-Plasminogen-Activator (uPA). Urokinase wird vom Gefäßendothel sowie vom Epithel der Nieren produziert. Sie erscheint in der Blutbahn und auch im Urin (daher der Name). Entzündungszytokine und Plasmin stimulieren seine Bildung. Beide PA sind Serinproteasen (Eiweiß spaltende Enzyme) und aktivieren Plasminogen zu Plasmin, welches nun das Fibrin des Blutgerinnsels enzymatisch in kleine Einheiten (Splits, Fibrinspaltprodukte) spaltet und so auflöst.

Die Bildung der PA ist fein reguliert. Sie bedarf der Anwesenheit von Fibrin und steht zusätzlich unter der Kontrolle eines Plasminogenaktivator-Inhibitors, einem Eiweiß, das die Wirkung des Aktivators unterdrückt.

tPA (tissue plasminogen activator) wird praktisch ausschließlich im Endothel kleiner Blutgefäße produziert. Die Endothelien kleiner Gefäße, wie auch die der kleinen Gefäße in der Adventitia großer Gefäße sind immunhistologisch positiv für tPA. Positiv sind auch die Blutgefäße des menschlichen Omentums (Netz im Bauchraum) sowie der Umbilikalvene, der vom Nabel kommenden Vene. Beide Gefäßgebiete bilden jedoch keinen Plasminogenaktivator-Inhibitor. (2) J Biol Chem. 1989 Feb 15;264(5):2846-52 Das Endothel großer Gefäße, wie Femoralarterie, Femoralvene, Carotis und von Gefäßen des Gehirns, weist immunchemisch keine tPA auf. Immunhistologische Positivität beschränkt sich vor allem auf präkapilläre Arteriolen und postkapilläre Venolen und umfasst nicht die Kapillaren. (3)Am J Pathol. 1994 May;144(5):855-61

Im Nervensystem wurde tPA auch in Neuronen des peripheren Sympathicus gefunden, von wo es zur extrazelluläre Matrix der Arterienwände gelangt und sie beeinflusst, möglicherweise mit einer Auswirkung auf den Blutdruck. Die tPA-Funktion zur Thrombenauflösung scheint hier keine Rolle zu spielen. (4)J Neurosci Res. 2005 Mar 15;79(6):727-33

Messung der fibrinolytischen Aktivität

Eine Reihe von Methoden messen die fibrinolytische Aktivität im Blut. Die am häufigsten verwendeten Methoden sind die Thrombelastographie (TEG und ROTEM), globale fibrinolytische Kapazität in Plasma und Vollblut, Plasmatrübungsmethoden, simultane Thrombin- und Plasminbildungsassays, Euglobulin-Gerinnsellysezeit und Fibrinplattenverfahren. (5)Int J Lab Hematol. 2017 Oct;39(5):441-447. DOI: 10.1111/ijlh.12688 Eine TEG kann sowohl die Thrombozytenfunktion als auch die Gerinnungsstärke und die Fibrinolyse beurteilen, was die Prothrombinzeit (PT) und die partielle Thromboplastinzeit (aPTT) nicht können.

Medikamentöse Fibrinolyse

Tissue plasminogen activator (tPA) steht als rekombinantes Präparat für die Auflösung von Blutgerinnseln zur Verfügung (rtPA, Alteplase z. B. Actilyse®).

Urokinase, eine Serinprotease, die ursprünglich aus Urin gewonnen wurde wandelt ebenfalls Plasminogen in das fibrinolytische Plasmin um. Es ist ähnlich effektiv und verträglich wie Alteplase. (6)J Am Coll Cardiol. 1992 Feb;19(2):239-45. DOI: 10.1016/0735-1097(92)90472-y Alteplase scheint bei der Behandlung einer Lungenembolie bezüglich Senkung der Sterblichkeit und Rezidivrate geringfügig vorteilhafter zu sein. (7)Pharmacology. 2023;108(2):111-126. DOI: 10.1159/000527668 Urokinase ist (Stand 2023) fast 50-mal billiger und einfacher herzustellen als Alteplase und bei der Behandlung des Schlaganfalls mindestens gleich wirksam, was vor allem in Entwicklungsländern einen Vorteil darstellt. (8)J Clin Neurosci. 2022 Dec;106:103-109. DOI: 10.1016/j.jocn.2022.09.015

Systemische oder lokale Fibrinolyse: Bei einer systemischen Lyse wird das Fibrinolytikum in eine Vene infundiert und verteilt sich im gesamten Kreislauf. Bei einer lokalen Lyse wird das Präparat über einen gut platzierten Katheter nahe an den Ort des thrombotischen oder embolischen Gefäßverschlusses gebracht und freigesetzt.

Indikationen für eine Fibrinolyse sind der akute Herzinfarkt, der akute ischämische Schlaganfall, ein akutes thromboembolisches Ereignis einer Arterie (z. B. Beinarterie), die akute massive Lungenembolie sowie die Eröffnung thrombotisch verschlossener Shunts und Katheter (z. B. Dialysekatheter).

Komplikationen einer medikamentösen Fibrinolyse betreffen vor allem gastrointestinale Blutungen. Um das Risiko möglichst gering zu halten, erfolgt die medikamentöse Fibrinolyse meist unter Magenschutz mit PPI (Protonenpumpenblocker). Bei Verdacht auf eine okkulte oder potenzielle Blutungsquelle im Magen wird in der Regel vor der Behandlung eine Gastroskopie durchgeführt mit den Zielen, das Blutungsrisiko abzuschätzen und in die Überlegungen zur Indikation einzubeziehen und um festzustellen, ob sich das Blutungsrisiko vermindern lässt.

Niedrig dosierte Fibrinolyse: Eine Analyse von Studien zu niedrig dosiertem rtPA ergab, dass es bezüglich des thrombolytischen Effekts nicht unterlegen war, aber mit signifikant weniger symptomatischen intrazerebralen Blutungen (sICH) verbunden war. (9)Stroke Vasc Neurol. 2018 Jan 13;3(1):28-33. DOI: 10.1136/svn-2017-000112 Eine rtPA-Behandlung in halber Dosierung bei submassiver Lungenembolie verhinderte in einer Studie den Tod und eine hämodynamische Dekompensation in den ersten 7 und 30 Tagen im Vergleich zur ausschließlichen Behandlung mit niedermolekularem Heparin deutlich, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen. (10)J Investig Med. 2021 Dec;69(8):1439-1446. doi: 10.1136/jim-2021-001816

Verweise

 

Literatur

Literatur
1Gen Physiol Biophys. 2009;28 Spec No Focus:F20-8
2 J Biol Chem. 1989 Feb 15;264(5):2846-52
3Am J Pathol. 1994 May;144(5):855-61
4J Neurosci Res. 2005 Mar 15;79(6):727-33
5Int J Lab Hematol. 2017 Oct;39(5):441-447. DOI: 10.1111/ijlh.12688
6J Am Coll Cardiol. 1992 Feb;19(2):239-45. DOI: 10.1016/0735-1097(92)90472-y
7Pharmacology. 2023;108(2):111-126. DOI: 10.1159/000527668
8J Clin Neurosci. 2022 Dec;106:103-109. DOI: 10.1016/j.jocn.2022.09.015
9Stroke Vasc Neurol. 2018 Jan 13;3(1):28-33. DOI: 10.1136/svn-2017-000112
10J Investig Med. 2021 Dec;69(8):1439-1446. doi: 10.1136/jim-2021-001816