Reizdarmsyndrom – Neues

Artikel aktualisiert am 8. Mai 2023

Das Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS) ist eine funktionelle Störung des Darms, die zu einer Beeinträchtigung des Lebensgefühls führt. Unter „Reizdarmsyndrom – Neues“ wird auf wichtige und neue Arbeiten hierzu hingewiesen.

Reizdarm
Reizdarmsyndrom – einfach erklärt.


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Auszüge aus ausgewählten Veröffentlichungen


Stuhltransplantation: Besserung der Beschwerden

Da das Reizdarmsyndrom mit einer Dysbiose der Darmbakterien zusammenhängt, wurden Untersuchungen zum Effekt einer Stuhltransplantation durchgeführt. Sie sind meist erfolgreich, aber offenbar nicht dauerhaft. (1)Gastroenterology. 2021 Jan;160(1):145-157.e8. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.07.013.

Darmmikrobiom gestört

Beim Reizdarm mit überwiegender Diarrhö (IBS-D) ist die bakterielle Besiedelung des Darms mit Lactobacillus, Bifidobacterium und Faecalibacterium prausnitzii, stark herunterreguliert. (2)Dig Liver Dis. 2017;49:331–337. doi: 10.1016/j.dld.2017.01.142 Das IBS wird daher auch als eine Krankheit des Darmmikrobioms betrachtet. (3)Front Cell Infect Microbiol. 2020;10:468. … Continue reading

Darmmikrobiota und viszerale Überempfindlichkeit

Tierexperimentell wurde nachgewiesen, dass eine Dysbiose der Darmmikrobiota zu einer viszeralen Überempfindlichkeit im postinfektiösen IBS-Mausmodell führte. Assoziiert waren erhöhte kurzkettige Fettsäuren im Blinddarminhalt und im Kot und eine höhere Expression von 5-HT (5-Hydroxytryptamin, ein Überträgerstoff). Antibiotika-Cocktails und gemeinsame Unterbringung mit normalen Mäusen besserten die Symptomatik. (4)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2022 Dec 1;34(12):1220-1230. DOI: 10.1097/MEG.0000000000002441

IBS als Krankheit des Darmmikrobioms

Darmmikrobiota beeinflussen über ihre Stoffwechselprodukte das Gehirn und das Nervensystem des Darms und bewirken eine viszerale Überempfindlichkeit und eine veränderte Kolonmotilität und beeinflussen die Psyche. Eine besondere Rolle dabei spielen entstehende kurzkettige Fettsäuren (5)Int J Neuropsychopharmacol. 2020;23:26–41. doi: 10.1093/ijnp/pyz061 und besondere Gallensäuren. Die Evidenzen dazu stellen Reviewartikel zusammen. (6)J Neurogastroenterol Motil. 2022 Oct 30;28(4):540-548. DOI: 10.5056/jnm22093  (7)Front Cell Infect Microbiol. 2021;11:729346. … Continue reading

Das Probiotikum Saccharomyces boulardii bessert Darmsymptome

In einer Studie wurde festgestellt, dass die übermäßige Keimbesiedlung des Dünndarms, die hier im Rahmen einer Systemsklerose aufgetreten ist, durch den Hefepilz Saccharomyces boulardii in bis zu 60% der Fälle gebessert wird. (8)Dig Dis Sci. 2020 Apr;65(4):1134-1143. doi: 10.1007/s10620-019-05830-0

Rifaximin bessert in vielen Fällen die Symptomatik

Rifaximin ist ein nicht resorbierbares  Antibiotikum. Es wirkt in etwa 70% der Fälle, da offenbar viele Symptome des Reizdarms auf eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms mit Keimen zurückzuführen ist. (9)Aliment Pharmacol Ther 2017 Mar; 45(5):604-616.

Laktobazillen schützen den Darm

Als zentral für die Entstehung eines Reizdarms wird ein Defekt der Schleimhautbarriere des Darms angesehen. Nun konnte gezeigt werden, dass Lactobacillus rhamnosus GG die Barrierefunktion schützt bzw. wiederherstellt. (10)Gut Microbes Volume 9, 2018 – Issue 3 Published online: 11 Dec 2017 DOI: … Continue reading

Neuer Genort prädisponiert zum Reizdarm bei Frauen

Eine genomweite Studie fand nun speziell bei Frauen einen neuen Genort auf Chromosom 9 (9q31.2). Bei dem dort befindlichen Gen könnte es sich um ELP1 handeln. Damit bestünde eine Nähe zur „familiären Dysautonomie“. (11)Gastroenterology July 2018Volume 155, Issue 1, Pages 168–179

Psychische Störungen und neuroendokrine Dysregulation

Reizdarmpatienten können unter psychischen Störungen leiden. Dazu gehörten laut einer Untersuchung auch Fehlanpassungen (60%), Ängstlichkeit (17%), Zwangsstörungen (23%) und depressive Symptome (23%).  In diesen Fällen wurde eine Assoziation mit einer Störung der autonomen kardiovaskulären Regulation (unter Stress besonders auffällig) und eine höhere Konzentration an Endothelin, Neuropeptid Y, Serotonin und Cortisol gefunden. Unter mentalem Stress stiegen Herzfrequenz und Cortisolausscheidung im Urin besonders an.  (12)J Neurogastroenterol Motil. 2017 Jul 30;23(3):428-434. DOI: 10.5056/jnm16155

Zu Probiotika

Eine Zusammenstellung von neueren Studien zur Wirkung von Probiotika auf das Reizdarmsyndrom wie auch auf die chronische Verstopfung lässt erkennen, dass Therapiestrategien mit dem Ziel der Beeinflussung der Darmflora verheißungsvoll sind. (13)Quigley EM. Gastroenterol Clin North Am. 2012 Dec;41(4):805-19. doi: 10.1016/j.gtc.2012.08.005. Sie ergänzt frühere Bewertungen, nach denen die Wiederherstellung der veränderten Darmflora als eine ideale Behandlung für IBS angesehen wird (14)J Neurogastroenterol Motil. 2011 Jul;17(3):252-66. Dass das Reizdarmsyndrom mit einer Veränderung des Darm-Mikrobioms zusammenhängt ist aus vielen Beobachtungen und Studien bekannt. (15)J Dig Dis. 2007 Feb;8(1):2-7

Zu Probiotika siehe hier.

Subjektive Wahrnehmung

In einer Studie wurde das subjektive Empfinden von Symptomen beim Reizdarmsyndrom (IBS) und der Fibromyalgie (FM) untersucht. Menschen mit IBS berichten über signifikant höhere Stressbelastung und eine schlechtere körperliche und geistige Gesundheit als die Kontrollgruppe; wenn zusätzlich eine FM vorliegt, so wird die Wahrnehmung der eigenen Befindlichkeit weiter verschlechtert. Die Ergebnisse zeigten statistisch signifikant relativ große Unterschiede in der Wahrnehmung der Lebensqualität und der Einschätzung der eigenen Gesundheit in der Kontrollgruppe und den drei klinischen Gruppen. (16) J Am Osteopath Assoc. 2012 Nov;112(11):726-35

Zur Rektalen Stuhlkontrolle

Patienten mit d-IBS (Reizdarm mit überwiegender Diarrhö) haben eine Überempfindlichkeit in der Rektumampulle, die zu frühzeitigem und starkem Stuhldrang führt (verminderte rektale Compliance). (17)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2012 Nov;24(11):1259-65

Serotonin und Stuhldrang

Bei IBS-Patienten mit überwiegender Diarrhö (d-IBS) findet sich eine frühzeitige und heftige Auslösung des Stuhldrangs durch rektale Überempfindlichkeit. In einer Studie wird gefunden, dass d-IBS-Patienten eine signifikant geringeres Rektales Volumen und eine verminderte adaptive Relaxation aufweisen als Normalpersonen. Diese rektale Reaktion ist nicht durch Citalopram beeinflussbar (anders als die intestinale Schmerzüberempfindlichkeit (18)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2012 Nov;24(11):1259-65 ) und scheint von einer Aktivierung des emotionalen Reaktionsnetzwerks im Gehirn unabhängig zu sein. (19)Eur J Gastroenterol Hepatol. 2012 Nov;24(11):1259-65

Positiver Placebo-Effekt

IBS spricht auf Placebo-Therapie relativ gut an. (20)Neurogastroenterol Motil. 2007 Aug;19(8):630-7 Dabei spielt eine Aktivierung des Dopaminsystems im präfrontalen Cortex des Gehirns eine entscheidende Rolle. Ein Schlüsselenzym in diesem Stoffwechsel ist COMT (Catechol-O-Methyltransferase), von dem es mehrere genetische Varianten gibt. Der val158met-Polymorphismus von COMT prädisponiert für ein gutes Ansprechen von Placebo-Maßnahmen. (21)PLoS One. 2012;7(10):e48135. doi: 10.1371/journal.pone.0048135. Epub 2012 Oct 23

Reizblase bei Reizdarmsyndrom

Japanische Studien stellen eine hohe Koinzidenz von Reizdarm und Reizblase fest. In der Patientengruppe mit Reizblase hatten 33% gleichzeitig einen Reizdarm. (22)BJU Int. 2012 Oct 26. doi: 10.1111/j.1464-410X.2012.11591.x. Patienten mit funktioneller Dyspepsie inklusive Reizdarmsyndrom litten umgekehrt gehäuft (20,5%) an einer Reizblase. (23)Neurogastroenterol Motil. 2012 Sep;24(9):821-7. doi: 10.1111/j.1365-2982.2012.01939.x

Restless Legs bei Reizdarmsyndrom

Das Syndrom unruhiger Beine (restless leggs syndrome, RLS) ist mit 1 – 10% von Betroffenen in der Bevölkerung relativ häufig und ist mit Darmkrankheiten, so auch mit IBS assoziiert. In einer Vergleichsstudie aus Teheran fand sich RLS in 25,3% der IBS-Patienten im Vergleich zu 6,5% der Normalbevölkerung. (24)J Neurogastroenterol Motil. 2012 Oct;18(4):426-33 In einer amerikanischen Studie vor 1 Jahr wurden je 30 IBS-Patienten einer Gruppe mit überwiegendem Durchfall, überwiegender Verstopfung und wechselndem Stuhlverhalten 3 x täglich 200 mg Rifaximin verabreicht. Von den 90 IBS-Patienten hatten 26 (29%) auch ein RLS. Die meisten RLS-Patienten fanden sich in der Gruppe mit überwiegender Diarrhö (62%), danach in der mit wechselndem Stuhlgang (33%) und kaum in der mit überwiegender Verstopfung (4%). Eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms (SIBO, small intestinal bacterial overgrowth) scheint dabei eine, wenn auch nicht ausschließliche, Rolle zu spielen. (25)World J Gastroenterol. 2011 Oct 21;17(39):4404-7 Dies bestätigt frühere Feststellungen, nach der IBS und SIBO bei RLS gehäuft vorkommen. (26)Sleep Med. 2011 Jun;12(6):610-3

Nahrungsallergene und Reizdarm

In einer amerikanischen Studie wurde ein Hauttest auf Allergene in Nahrunngsmittel und Nahrungsmittelzusätzen bei IBS-Patienten und auf den Resultaten basierend eine Allergen-Vermeidungsdiät durchgeführt. Einen schwach oder deutlich positiven Test hatten 30 von 51 Probanden. Eine mehr oder weniger deutliche Besserung der Symptomatik durch die individuelle Allergen-Vermeidungsdiät fand sich bei 14 von ihnen. (27)J Am Acad Dermatol. 2013 Mar;68(3):377-84. doi: 10.1016/j.jaad.2012.09.010.

Akupunktur beim Reizdarmsyndrom

Eine Cocchrane-Zusammenstellung von 17 randomisierten Studien mit insgesamt 1806 Patienten zur Akupunkturtherapie des Reizdarmsyndroms kommt zum Schluss, dass diese Behandlung Erfolge zu verzeichnen hat gegenüber pharmakologischen Behandlungen (z. B. Spasmolytika). Unklar ist dabei, ob bereits die Erwartungshaltung dabei eine Rolle spielt. (28)J Am Acad Dermatol. 2013 Mar;68(3):377-84  Eine britische Studie lässt vermuten, dass die individuelle Auswahl des Akupunkturpunkts nach Angaben des Patienten für den Erfolg wesentlicher ist als Zusatzbehandlungen oder Ratschläge zum Lebensstil. (29)Stuardi T, Macpherson H. J Altern Complement Med. 2012 Oct 26. [Epub ahead of print]

Ernährung

In einer Schwedischen Studie wurden 187 Patienten (Mittel 40 Jahre, 2/3 Frauen) mit IBS aufgefordert, über 4 Tage ein genaues Tagebuch über ihre Ernährung zu führen. Als Kontrollgruppe dienten 374 Normalpersonen. In der IBS-Gruppe war die Zufuhr von Eiweiß tendenziell höher. Signifikant höher war die Zufuhr von Vitamin E, Folsäure, Eisen, Vitamin C und Ballaststoffen, wohingegen die Zufuhr von Vitamin A, Riboflavin, Kalzium und Kalium geringer war. IBS-Patienten tendierten insgesamt zu einer höheren Zufuhr von Früchten und Gemüsen. Insgesamt waren die Ernährungsgewohnheiten jedoch recht ähnlich. (30)Böhn L et al. Neurogastroenterol Motil. 2012 Sep 2. doi: 10.1111/nmo.12001. [Epub ahead of print]

In einer Norwegischen Querschnittsstudie an 11078 Personen eines Bevölkerungsbereichs wurde bei 388 (8,4%) ein Reizdarmsyndrom festgestellt. Bei 44,8% bestand ein Wechsel von Verstopfung und Durchfall, bei 26,5% überwiegend Verstopfung und bei 28,6% überwiegend Durchfall. Die Schwere der Symptome war bei IBS mit überwiegender Verstopfung assoziiert mit Gemüse und Kartoffeln, bei überwiegend wechselndem Stuhlgang mit Gemüse und bei überwiegendem Durchfall mit Verzehr von Früchten, Beeren, kohlensäurehaltigen Getränken und Alkohol. (31)BMC Gastroenterol. 2012 Jun 7;12:61. doi: 10.1186/1471-230X-12-61

Verweise

Infos für Patienten

 

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 


Literatur

Literatur
1Gastroenterology. 2021 Jan;160(1):145-157.e8. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.07.013.
2Dig Liver Dis. 2017;49:331–337. doi: 10.1016/j.dld.2017.01.142
3Front Cell Infect Microbiol. 2020;10:468. doi: 10.3389/fcimb.2020.00468.ecb0df1563e644f38b00623cc929c196
4Eur J Gastroenterol Hepatol. 2022 Dec 1;34(12):1220-1230. DOI: 10.1097/MEG.0000000000002441
5Int J Neuropsychopharmacol. 2020;23:26–41. doi: 10.1093/ijnp/pyz061
6J Neurogastroenterol Motil. 2022 Oct 30;28(4):540-548. DOI: 10.5056/jnm22093
7Front Cell Infect Microbiol. 2021;11:729346. doi: 10.3389/fcimb.2021.729346.b1d18af4988f4d0f89e16248f66132f8
8Dig Dis Sci. 2020 Apr;65(4):1134-1143. doi: 10.1007/s10620-019-05830-0
9Aliment Pharmacol Ther 2017 Mar; 45(5):604-616.
10Gut Microbes Volume 9, 2018 – Issue 3 Published online: 11 Dec 2017 DOI: 10.1080/19490976.2018.1479625
11Gastroenterology July 2018Volume 155, Issue 1, Pages 168–179
12J Neurogastroenterol Motil. 2017 Jul 30;23(3):428-434. DOI: 10.5056/jnm16155
13Quigley EM. Gastroenterol Clin North Am. 2012 Dec;41(4):805-19. doi: 10.1016/j.gtc.2012.08.005.
14J Neurogastroenterol Motil. 2011 Jul;17(3):252-66
15J Dig Dis. 2007 Feb;8(1):2-7
16 J Am Osteopath Assoc. 2012 Nov;112(11):726-35
17Eur J Gastroenterol Hepatol. 2012 Nov;24(11):1259-65
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20Neurogastroenterol Motil. 2007 Aug;19(8):630-7
21PLoS One. 2012;7(10):e48135. doi: 10.1371/journal.pone.0048135. Epub 2012 Oct 23
22BJU Int. 2012 Oct 26. doi: 10.1111/j.1464-410X.2012.11591.x.
23Neurogastroenterol Motil. 2012 Sep;24(9):821-7. doi: 10.1111/j.1365-2982.2012.01939.x
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26Sleep Med. 2011 Jun;12(6):610-3
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29Stuardi T, Macpherson H. J Altern Complement Med. 2012 Oct 26. [Epub ahead of print]
30Böhn L et al. Neurogastroenterol Motil. 2012 Sep 2. doi: 10.1111/nmo.12001. [Epub ahead of print]
31BMC Gastroenterol. 2012 Jun 7;12:61. doi: 10.1186/1471-230X-12-61