Morbus Parkinson

Artikel aktualisiert am 20. November 2018

Der Morbus Parkinson (Parkinson Krankheit, früher auch als Schüttellähmung bezeichnet) ist eine fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns.

In einigen Fällen einer familiären Häufung des Parkinson-Syndroms lässt sich eine genetische Ursache (z. B. vererbbare Mutationen von Alpha-Synuclein, s. u.) finden.

Vom Morbus Parkinson wird das Parkonsonoid abgegrenzt, das gelegentlich als Medikamentennebenwirkung (z. B. durch Neuroleptika) auftritt. Es ist nicht durch Neurodegeneration bedingt und bessert sich nach Absetzen des auslösenden Medikaments wieder.

Parkinsonartige Symptome können auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen, bei Intoxikationen oder sonstigen Hirnschädigungen entstehen.


Betroffene Anteile des Gehirns

Betroffen ist das motorische Kontrollsystem im Gehirn (das extrapyramidalmotorische System), in welchem es zu einem Verlust Dopamin-produzierender Nervenzellen (Neurone) kommt. Folge ist ein Zittern und Schütteln der Muskulatur, das nicht willentlich beeinflussbar ist.


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Ursache und Entstehung

Ursächlich liegt dem Morbus Parkinson eine Störung des dopaminergen Systems in der Substantia nigra des Gehirns (im Striatum gelegen) vor. Die dort befindlichen Nervenzellen (Neurone) sterben allmählich ab. Die Ursache ist weitgehend unbekannt. Eine Hypothese ist die einer entzündlichen Aktivierung der Mikroglia durch Neuromelanin. Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor ist zudem Alpha-Synuclein.

Aktivierte Mikroglia fördert neurodegenerative Krankheiten über eine Konversion von Astrozyten in ihren neurotoxischen Subtyp A1. Dieser bewirkt die Degeneration (Abbau) der Hirnzellen. Eine Unterdrückung der Mikroglia-Aktivierung durch NLY01, einem ins Gehirn dringenden lang wirkenden Aktivator von GLP1R (Glucagon-like peptide-1 receptor) vermag die Negativsymptome degenerativer neurologischer Erkrankungen, wie dem Morbus Pakinson, über die Hemmung der Umwandlung der Astrozyten zu bessern.  (1) 2018 Jun 11. doi: 10.1038/s41591-018-0051-5

Substantia nigra

Die Substantia nigra ist gehört zum Mittelhirn, enthält überwiegend Dopamin als Überträgerstoff an den Synapsen, und erfährt beim Morbus Parkinson eine Degeneration seiner Neurone (siehe hier). Da sie an der Verarbeitung von Lerninhalten beteiligt ist, erklärt es sich, dass Lernvorgänge bei der Parkinson-Krankheit getört sind, und zwar schon in frühen Stadien (2)Neurology. 2012 Jun 12; 78(24):1939-45. Durch Störung des Gedächtnisses kann es zu früh einsetzender Demenz kommen.

Da auch Riecheindrücke wesentlich im Hippocampus verarbeitet werden, findet man bei der Parkinson-Krankheit eine schon früh einsetzende Hyposmie (Riechschwäche). Gerüche können nicht mehr gut auseinander gehalten werden (3)Neurosci Lett. 2008 Dec 5; 447(1):12-6.

Neuromelanin

Neuromelanin ist das dunkle Pigment der Substantia nigra; histologisch findet man dort pigmentierte Neurone, bei denen Neuromelanin in Assoziation mit Lipofuscin (dem Alterspigment) vorkommt. Bei der Parkinson-Krankheit schwindet die Zahl dieser pigmentierten Zellen allmählich.

Neuromelanin bindet eine Vielzahl von anorganischen (wie Eisen) und organischen Substanzen (wie Pestizide etc.). Es scheint daher eine neuroprotektive Wirkung zu besitzen (4)Mol Pathol. 2001 Dec;54(6):414-8. Es akkumuliert während des normalen Alterns. Durch die Bindung (beispielsweise von Eisen) in einem stabilen Neuromelanin-Komplex wird die Bildung einer Dopamin-Oxidation zu toxischen Dopamin-Chinonen verhindert, was einen wesentlichen Mechanismus der Substantia nigra zum Selbstschutz darstellt. Es wird vermutet, dass das Neuromelanin beim Morbus Parkinson von dem normaler Personen differiert, was zu einer frühen und starken Akkumulation und zu einer Vulnerabilität führen könnte (5)J Neural Transm Suppl. 2006;(70):119-23.

Der Neuromelanin-Komplex wird durch reaktive Sauerstoffradikale zersetzt, der lokal bei dem Untergang der Nervenzellen der Substantia nigra entsteht (Phagozytose durch aktivierte Mikroglia). Dabei wird das in den Neuronen sequestrierte Neuromelanin frei und von der Mikroglia aufgenommen, wodurch sie entzündlich aktiviert wird (6)Acta Neuropathol. 2008 Jul;116(1):47-55. Die entzündliche Aktivierung der Mikroglia scheint eine entscheidende Rolle zu spielen: Sie fördert den neuronalen Zelluntergang; das dabei freigesetzte Neuromelanin fördert wiederum ihre entzündliche Aktivierung. So kommt nach dieser Hypothese ein Circulus vitiosus (Teufelskreis) in Gang, der den fortschreitenden Verlauf der Parkinson-Krankheit unterhält (7)J Neurochem. 2008 Aug;106(4):1866-75.

Alpha-Synuclein

Alpha-Synuclein ist ein Protein, das die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn reguliert. Missense-Mutationen seines Gens führen zu abnormen Proteinformen, die in großer Menge in Lewy-Körperchen degenerierender Neurone von Parkinson-Patienten vorkommen (8)Mol Psychiatry. 1998 Nov;3(6):493-9 (9)Mov Disord. 2004 Feb;19(2):162-70. Es soll eine toxische Wirkung auf die Neurone ausüben und zu ihrer Degeneration führen. Lewi-Körper wurden bei der idiopathischen Parkinson-Krankheit vor allem in der Substanzia nigra, im Frontalhirn und Temporalhirn gefunden, seltener in der Sehrinde (10)Mov Disord. 2004 Feb;19(2):162-70.

Bei der seltenen familiären Form des Morbus Parkinson, findet man vererbbare Mutationen von Alpha-Synuclein als Ursache einer sehr frühzeitigen Erkrankung und Lewy-Körper-Demenz (11)Ann Neurol. 2004 Feb;55(2):164-73.

Es wurden verschiedene abnorme Alpha-Synucleine gefunden (zusammengefasst als Alpha-Synucleinopathien). Alle aggregieren in hyperphosphorylierter Form in fibrillären Strukturen und finden sich in Lewy-Körperchen hoch angereichert (12)Am J Pathol. 1998 Apr; 152(4):879-84.

Das abnorme Synuclein breitet sich offenbar im Gehirn in ähnlicher Weise wie Prionen aus! Untersuchungen an Mäusen, denen pathologisches Synuclein aus dem Gehirn von Parkinson-Patienten intracerebral injiziert wurde, ergaben nach 3 Monaten eine eigenständige (endogene) Produktion von abnormem Alpha-Synuclein mit Bildung von Lewy-Körpern, während die injizierte menschliche bereits nach 1 Woche verschwand (13)Brain. 2013 Apr;136(Pt 4):1128-38. Dies könnte die Entstehung der sporadischen Form der Parkinson-Krankheit aus einer zunächst lokalen Punktmutation erklären, sie sich im Laufe der Zeit in andere Gehirnbezirke ausbreitet. Die Ausbreitung erfolgt offenbar über neurale Netzwerke (14)Acta Neuropathol Commun. 2014 Aug 6;2:88.

Klinisches Bild

Im Vordergrund stehen die Abnahme der motorischen Koordination und eine Einschränkung der freien Bewegung. Es kommt zu Zittern, das sich meist bei einer gezielten Bewegung (z. B. Tasse ergreifen) verstärkt (Intentionstremor). Der Gang wird kleinschrittig und unsicher, die Muskulatur wird starr (Rigor), so auch die Mimik (mimische Starre, Maskengesicht, zusammen mit schweißiger Haut, Salbengesicht). Beim Versuch, die Hand eines Parkinson-Patienten passiv nach hinten und nach vorne zu bewegen, spürt man ein abgehacktes Nachlassen, das als „Zahnradphänomen“ bezeichnet wird. Auch kann Ruhetremor auftreten.

Viele vegetative Funktionen können leiden; so wird vielfach über eine Blasenschwäche mit vermehrtem inadäquatem Harndrang und Blaseninkontinenz, eine Schweißneigung, eine Verstopfung und einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus geklagt.

Die psychische Befindlichkeit und das Gedächtnis leiden; es kommt oft schon früh zu Depressionen. Es kann sich eine Demenz entwickeln.

Diagnostik

Führend ist das klinische Bild (s. o.). Insgesamt bleibt die Diagnose „Morbus Parkinson“ eine Ausschlussdiagnose. Es müssen die möglichen Ursachen eines symptomatischen Parkinsonoids erwogen und ausgeschlossen werden (Medikamentenanamnese!). Wenn eine Dosis L-Dopa zu einer Verbesserung der Symptomatik führt, kann dies diagnostisch genutzt werden.

Therapie

Grundlage der Therapie ist die Erhöhung der Dopamin-Konzentration im Gehirn. Wirksam sind daher Non-Ergot-Dopaminagonisten (z. B. Piribedil (CLARIUM®)) (erste Stufe der Therapie), L-Dopa (z. B. Stalevo®) (zweite Stufe der Therapie, bei älteren Patienten erste Stufe), und Monamin-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer, z. B. Selegilin); Ergot-Dopaminagonisten (z. B. Pergolid (Parkotil®)), cave: sie können kardiale Nebenwirkungen hervorrufen (15)Dtsch Arztebl 2005; 102(1-2): A-30.

Die tiefe Hirnstimulation über (in der Regel doppelseitig) stereotaktisch in subthalamische Regionen des Zwischenhirns eingebrachte Elektroden („Hirnschrittmacher“) vermag bei fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen (16)Neurosurgery. 2009 Aug;65(2):302-9 (17)Mov Disord. 2009 Feb 15;24(3):329-35, die besonders bei schwierig medikamentös einzustellenden Patienten diskutiert werden kann.

Bei Symptomen, die durch ein Überwiegen des Parasympathicus zustande kommen, werden Anticholinergika eingesetzt, bei depressiven Befindlichkeitsstörungen geeignete Antidepressiva. Im Übrigen wird symptomatisch behandelt. Dabei spielt die Krankengymnastik eine tragende Rolle.

Da Curcumin neuroprotektive Eigenschaften aufweist, wird gehofft, es durch eine geeignete Galenik (eingeschlossen in Nanopartikeln) zur Vorbeugung eines Morbus Parkinson einsetzen zu können (18)J Alzheimers Dis. 2012;30(2):377-92. doi: 10.3233/JAD-2012-112141 (19)Int J Nanomedicine. 2015 Oct 29;10:6757-72. doi: 10.2147/IJN.S93918.

Perspektiven

  • Da eine Entzündung der Mikroglia eine zentrale pathogenetische Rolle zu spielen scheint, zeichnen sich Entzündungshemmer als Therapieoption ab (20)Curr Pharm Des. 2007;13(18):1925-8 (21)Pharmaceuticals (Basel). 2010 Jun 2;3(6):1812-1841.
  • Triptolide wirkt immunsuppressiv und hemmt die entzündliche Reaktion der Mikroglia. Es verbessert im Tierversuch die Bewegungsmuster bei experimentell ausgelöster Parkinson-Symptomatik. Es wird angenommen, dass dies eine therapeutischen Option bei Morbus Parkinson darstellen kann (22)Neurosci Bull. 2008 Jun;24(3):133-42.
  • Simvastatin und nicht ganz so effektiv Pravastatin wirken neuroprotektiv und vermindern die Entzündungsreaktion in der Mikroglia und schützen dopaminerge Neurone (23)J Neurosci. 2009 Oct 28;29(43):13543-56.
  • Auch andere Substanzen, die Entzündungsprozesse im Gehirn vermindern (u. a. Mitoapocynin), scheinen vor dem Untergang dopaminerger Neurone schützen zu können (24)J Biol Chem. 2016 Jul 15;291(29):15267-81. doi: 10.1074/jbc.M116.714824 (25)J Neuroimmune Pharmacol. 2016 Jun;11(2):259-78. doi: 10.1007/s11481-016-9650-4.
  • Astrozyten lassen sich in vitro (in Zellkulturen) zu Dopamin produzierenden Neuronen umprogrammieren. Werden sie in das Striatum experimentell Parkinson-kranker Mäuse injiziert, so bessern sich deren motorische Funktionen, und die Parkinson-Symptomatik nimmt ab. Eine klinische Anwendbarkeit wird diskutiert (26)Nature Biotechnologydoi:10.1038/nbt.3835.
  • Substanzen, die in der Lage sind, die Aktivierung von Mikroglia zu hemmen, damit die Umwandluch von Astrozyten in ihre neurotoxischen Phänotypen verhindert wird (s. o.) vermögen in Tierversuchen, Parkinsonsymptome zu lindern und zur Lebensverlängerung beizutragen. Eine solche Substanz ist NLY01, für die diese Effekte bereits nachgewiesen wurden. (27) 2018 Jun 11. doi: 10.1038/s41591-018-0051-5.

Verweise

 

Literatur

Literatur
1 2018 Jun 11. doi: 10.1038/s41591-018-0051-5
2Neurology. 2012 Jun 12; 78(24):1939-45
3Neurosci Lett. 2008 Dec 5; 447(1):12-6
4Mol Pathol. 2001 Dec;54(6):414-8
5J Neural Transm Suppl. 2006;(70):119-23
6Acta Neuropathol. 2008 Jul;116(1):47-55
7J Neurochem. 2008 Aug;106(4):1866-75
8Mol Psychiatry. 1998 Nov;3(6):493-9
9Mov Disord. 2004 Feb;19(2):162-70
10Mov Disord. 2004 Feb;19(2):162-70
11Ann Neurol. 2004 Feb;55(2):164-73
12Am J Pathol. 1998 Apr; 152(4):879-84
13Brain. 2013 Apr;136(Pt 4):1128-38
14Acta Neuropathol Commun. 2014 Aug 6;2:88
15Dtsch Arztebl 2005; 102(1-2): A-30
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25J Neuroimmune Pharmacol. 2016 Jun;11(2):259-78. doi: 10.1007/s11481-016-9650-4
26Nature Biotechnologydoi:10.1038/nbt.3835
27 2018 Jun 11. doi: 10.1038/s41591-018-0051-5.