Ernährung bei Morbus Crohn

Artikel aktualisiert am 11. März 2023

Die Ernährung bei Morbus Crohn spielt für Entstehung und Unterhaltung sowie für die Therapie der Erkrankung eine entscheidende Rolle. Sie beeinflusst das Mikrobiom des Darms und darüber die Entzündungsparameter in der Darmwand sowie im gesamten Körper. Eine mikrobiombasierte Therapie vermag zur Vorbeugung, Behandlung und schließlich zu einem günstigen Verlauf der Erkrankung beitragen. (1)Gastroenterology. 2021 Jan;160(2):524-537. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.09.056 (2)J. Crohns Colitis. 2020;14:4–22. doi: 10.1093/ecco-jcc/jjz180

Morbus Crohn Therapie.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.



Was man wissen sollte

Kurzgefasst

Die Ernährung bei Morbus Crohn hat einen sehr viel höheren Stellenwert für die Entstehung und für die Behandlung, als früher angenommen.

Eine Allergenreduktion in der Kost kann die Entzündungsaktivität im Darm deutlich senken.

  • Im akuten Schub hat sich eine allergenfreie bzw. stark allergenreduzierte exklusive Elementardiät (EEN) als günstig herausgestellt. Etwa gleich wirksam ist eine partielle Elementardiät (PEN). Sie kann zur Erreichung einer Remission entscheidend beitragen. Dies gilt auch bei Erkrankung im Kinder- und Jugendlichenalter.
  • Zur Aufrechterhaltung einer Remission (mit fehlenden Entzündungszeichen) wirkt eine gesunde, halbelementare, ballaststoffreiche Kost günstig. Aber meist wird eine therapeutische Eskalation nach einer Remissionsinduktion  erforderlich.

Grundlagen

Die Entstehung des Morbus Crohn ist multifaktoriell: Die Aktivität der Gene bestimmt die Empfänglichkeit, und die Umwelt liefert die Auslöser und die Faktoren, welche den Verlauf wesentlich beeinflussen können. Insbesondere die Ernährung beeinflusst den Verlauf entscheidend. Ihr Wirkmechanismus beinhaltet zentral  die Beeinflussung der Zusammensetzung der Darmflora, das „Mikrobiom„.

Die westliche Kost ist mit einer erhöhten Crohn-Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen innerhalb eines Zeitraums) assoziiert. Negativ wirkt

  • ihr Übermaß an tierischem Eiweiß und tierischem Fett sowie an freiem Zucker und
  • ihre Armut an Ballaststoffen.

Die Inzidenz nimmt weiter zu (3)Scand J Gastroenterol. 2015 Aug;50(8):942-51. In Europa wird – wohl wegen der unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten – ein West-Ost-Gefälle konstatiert (4)Gut. 2014 Apr;63(4):588-97.

Während eine ungünstige Art der Ernährung zu einer Verschlechterung führt, bewirkt eine günstige Nahrungszusammensetzung eine Verbesserung des Verlaufs. Eine Umstellung der Ernährung auf eine der Erkrankung gemäße Diät gehört daher zu einer therapeutischen Gesamtstrategie (s. u.).

Einfluss der Ernährung auf die Crohn-Aktivität

Spezielle Nahrungsfaktoren sind bisher nicht als direkte Auslöser einer Entzündung und als Ursache für die erhöhte Crohn-Inzidenz gefunden worden. Daher mangelte es bisher auch an diätetischen Empfehlungen bei der Behandlung des Morbus Crohn.

  • Neue Erkenntnisse legen nahe, dass es nicht darauf ankommt, bestimmte Faktoren in der Nahrung zu vermeiden, sondern insgesamt eine allergenarme Kost zu verwenden.

Die Untersuchungen richten sich nun vor allem darauf, die  Mikroflora des Darmkanals durch die Ernährung so zu beeinflussen, dass sie zu einer Reduktion der Entzündungsmediatoren führt. (5)Inflamm Bowel Dis. 2008 Mar;14(3):367-73

Bestandteile von Ballaststoffen (β-Glucan, Pektin, Stärke, Inulin, Fructooligosaccharide, Hemicellulose) sind so ins Blickfeld gelangt. Sie modulieren die Zusammensetzung der Darmmikrobiota in der Weise, dass sie über ihre Mediatorstoffe die Darmbarriere (Dichtigkeit der Darmschleimhaut) stärken. (6)Nutrients. 2022 Dec 29;15(1):162. DOI: 10.3390/nu15010162

Darmkeime beim Morbus Crohn

Beim Erwachsenen überwiegen normalerweise obligate Anaerobier unter den Darmbakterien (Bakterien, die ohne Sauerstoff auskommen). Sie leben mit dem Menschen durch evolutionäre Adaptationen symbiotisch zusammen. (7)Annu Rev Microbiol. 2011;65:411-29 Der Darm stellt ihnen eine optimale Umgebung zur Verfügung, und sie übernehmen für den Menschen Stoffwechselaufgaben (z. B. Synthese bestimmter Vitamine, Abbau unverdaulicher Kohlenhydrate und von Oxalaten, Veränderung der Zusammensetzung der Gallensäuren).

Die Darmflora (Mikrobiom des Darms) beim Morbus Crohn unterscheidet sich von der gesunder Menschen deutlich. Bestimmte Bakterienspezies finden sich vermehrt, andere vermindert. Das Bakterium Faecalibacterium prausnitzii, ein Butyrat-produzierender Darmkeim (wichtig für die Ernährung der Schleimhautzellen der Darmwand), ist beispielsweise bei Crohn-Patienten deutlich vermindert. Ihm wird ein Schleimhaut schützender und entzündungshemmender Einfluss zugeschrieben. (8)Gastroenterol Res Pract. 2014;2014:872725. doi: 10.1155/2014/872725  (9)Proc Natl Acad Sci U S A. 2008 Oct 28;105(43):16731-6  (10)Pol J Microbiol. 2013;62(1):91-5 Eine „Dysbiose“ dieser Art führt bei genetisch empfänglichen Menschen zu einer Veränderung der Immunregulation in der Darmwand mit dem Effekt einer erhöhten Entzündungsbereitschaft. (11)Curr Opin Gastroenterol. 2012 Jul;28(4):314-20

Spezielle Ernährung bei Morbus Crohn

Studien belegen, dass sich diätetische Maßnahmen günstig auf den Verlauf der Erkrankung auswirken. Allerdings ist das jeweils zugrunde liegende Konzept unterschiedlich. Die Tendenz geht dahin, dass im akuten Schub eine Elementardiät am effektivsten zur Remission verhilft, und dass in der Remission eine ballaststoffreiche Semi-Elementardiät einen neuerlichen Schub am besten verhindert oder hinausschiebt (siehe hier).

  • Elementardiät: Dies ist eine allergenfreie oder allergenreduzierte Kost, die das Bakteriom des Darms günstig beeinflusst (siehe hier). Bei einer besser tolerierten Semi-Elementardiät, sind normale Speisen in geringer Menge erlaubt (siehe hier). Erste günstige Erfahrungen mit einer Elementardiät bei der Behandlung einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit wurden bereits 1973 veröffentlicht. (12)Arch Surg. 1973 Aug;107(2):329-33. DOI: 10.1001/archsurg.1973.01350200189039
  • Formeldiäten: Ihre künstliche Zusammensetzung kann unterschiedlich sein. Sie können polymere (45–60 % Kohlenhydrate, 15–20 % Vollproteine ​​und 30–40 % Fett), halbelementare (Oligopeptide, Dipeptide oder Tripeptide und mittelkettige Triglyceride) und elementare Formeln (vollständig hydrolysierte Makronährstoffe wie Aminosäuren und einfache Zucker mit niedrigem Fettgehalt) enthalten. (13)Nutrients. 2018;10:537. doi: 10.3390/nu10050537 Eine Formeldiät wird in manchen Therapiestrategien als einzige Nahrungsquelle für sechs bis acht Wochen unter Ausschluss einer anderen oralen Einnahme außer Wasser erlaubt. (14)Can J Gastroenterol Hepatol. 2015 Oct; 29(7): 351–356. .

Einzelne Befunde:

  • Allergenfreie Elementardiät: Die günstige Wirkung einer Elementardiät wurde schon 1980 in einer kleinen Studie festgestellt, bei der eine allergenfreie Elementardiät in 29 von 31 Fällen eines akuten Schubs innerhalb von 4 Wochen zu einer Remission (klinische und laborchemische Normalisierung) führte. (15)Br Med J. 1980 Nov 1; 281(6249): 1173–1175
  • Eine Elementardiät hat in einer Studie dazu geführt, dass die therapeutische Wirkung von Infliximab in deutlich höherem Maße erhalten blieb als in der Kontrollgruppe. (16)Dig Dis Sci. 2015 May;60(5):1382-8. DOI: 10.1007/s10620-014-3493-8.
  • Eine exklusive enterale Ernährung (EEN, exclusive enteral nutrition) bei Kindern wirkt besser als Prednsolon: Eine EN besteht aus einer Polymerdiät mit einer Osmolalität von 290 mOsm/L, die mit transformierendem Wachstumsfaktor-β2 angereichert und gluten- und laktosefrei ist (Resource IBD® ) (17)Nutrition. 2020;70S:100009. doi: 10.1016/j.nutx.2020.100009.
  • EEN-Effekt bei Langzeitbeobachtung: Bei Kindern und Jugendlichen mit neu diagnostizierter mittelschwerer bis schwerem Morbus Crohn (47 Patienten, 3-17 Jahre) betrugen die klinischen Remissionsraten nach 10 Wochen 30 % für EEN und 37 % für Kortikosteroide. Die endoskopischen Remissionsraten endoskopische Remissionsraten ohne Behandlungseskalation lag bei  13 % in der mit EEN-Gruppe und bei 8 % in der Kortikosteroid-Gruppe. Bezüglich einer mukosalen Heilung war die diätetische Behandlung damit effektiver. Allerdings hielt der Erfolg nicht dauerhaft an. In Woche 52 erhielten 23/27 (85 %) der EEN-Patienten eine Behandlungseskalation und 13/20 (65 %) der Kortikosteroid-Patienten (Median 27 Wochen).  (18)Eur J Pediatr. 2022 Aug;181(8):3055-3065. DOI: 10.1007/s00431-022-04496-7
  • Eine teilweise Elementardiäternährung während einer Infliximab-Therapie (Elemantardiät-Infusionen nachts plus fettarme Kost tagsüber) verbesserte in einer single-center-Studie den Verlauf nicht signifikant gegenüber freier Kost. (19)J Gastroenterol. 2010;45(1):24-9 Eine neuere multizentrische Studie jedoch fand eine positive Korrelation. (20)Dig Dis Sci. 2013 May;58(5):1329-34
  • Eine partielle enterale Ernährung (PEN) induzierte in einer Studie bei Kindern mit aktivem Morbus Crohn eine klinische Remission in etwa 70% und endoskopische Remission in etwa 45%. Eine alleinige enterale Ernährung ist wirksamer als Kortikosteroide. (21)Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):431-438. DOI: 10.1007/s00431-019-03520-7
  • Eine halb-elementare Diät (zur Hälfte Elementardiät, zur anderen Hälfte uneingeschränkte Kost) verminderte das Risiko eines erneuten Crohn-Schubs deutlich (nach 1 Jahr 35% statt 64%). (22)Aliment Pharmacol Ther. 2006 Nov 1;24(9):1333-40. (23)Dig Dis Sci. 2013 May;58(5):1329-34
  • PEN gegen EEN: PEN in Kombination mit einer stark restriktiven Diät ist eine im Vergleich mit EEN besser verträgliche Alternative, da sie die Aufnahme einiger gewohnter (allergen- und fettarmer) Nahrungsmittel erlaubt. Sie scheint laut einer Metaanalyse von Studien bei der Induktion einer Crohn-Remission genauso wirksam zu sein wie EEN. (24)Nutrients. 2022 Dec 9;14(24):5263. DOI: 10.3390/nu14245263
  • Ballaststoffreiche Kost: Während die hergebrachten Empfehlungen eine gut ausnutzbare, ballaststoffarme Diät favorisierten, die den Darm nicht zu belasten, so beginnt sich diese Sichtweise inzwischen zu ändern. (25)World J Gastroenterol. 2010 May 28;16(20):2484-95 Eine neuere Arbeit konstatiert, dass ballaststoffreiche Kost nicht nur nicht schädlich sondern sogar günstig für die Crohn-Krankheit ist („High Amount of Dietary Fiber Not Harmful But Favorable for Crohn Disease”). (26)Perm J. 2015 Winter;19(1):58-61 In einer Studie wird der Verlauf einer Crohn-Erkrankung in Remission unter begleitender semivegetarischen Kost (versus freier Kost) über 2 Jahre untersucht. Im Beobachtungszeitraum ist die Remission bei 15 von 16 Patienten aufrecht erhalten geblieben, wohingegen bei 2 von 6 der Gruppe mit freier Kost einen Relaps erlitten. (27)World J Gastroenterol. 2010 May 28;16(20):2484-95

→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Infos für Patienten

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1Gastroenterology. 2021 Jan;160(2):524-537. DOI: 10.1053/j.gastro.2020.09.056
2J. Crohns Colitis. 2020;14:4–22. doi: 10.1093/ecco-jcc/jjz180
3Scand J Gastroenterol. 2015 Aug;50(8):942-51
4Gut. 2014 Apr;63(4):588-97
5Inflamm Bowel Dis. 2008 Mar;14(3):367-73
6Nutrients. 2022 Dec 29;15(1):162. DOI: 10.3390/nu15010162
7Annu Rev Microbiol. 2011;65:411-29
8Gastroenterol Res Pract. 2014;2014:872725. doi: 10.1155/2014/872725
9Proc Natl Acad Sci U S A. 2008 Oct 28;105(43):16731-6
10Pol J Microbiol. 2013;62(1):91-5
11Curr Opin Gastroenterol. 2012 Jul;28(4):314-20
12Arch Surg. 1973 Aug;107(2):329-33. DOI: 10.1001/archsurg.1973.01350200189039
13Nutrients. 2018;10:537. doi: 10.3390/nu10050537
14Can J Gastroenterol Hepatol. 2015 Oct; 29(7): 351–356.
15Br Med J. 1980 Nov 1; 281(6249): 1173–1175
16Dig Dis Sci. 2015 May;60(5):1382-8. DOI: 10.1007/s10620-014-3493-8.
17Nutrition. 2020;70S:100009. doi: 10.1016/j.nutx.2020.100009
18Eur J Pediatr. 2022 Aug;181(8):3055-3065. DOI: 10.1007/s00431-022-04496-7
19J Gastroenterol. 2010;45(1):24-9
20Dig Dis Sci. 2013 May;58(5):1329-34
21Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):431-438. DOI: 10.1007/s00431-019-03520-7
22Aliment Pharmacol Ther. 2006 Nov 1;24(9):1333-40
23Dig Dis Sci. 2013 May;58(5):1329-34
24Nutrients. 2022 Dec 9;14(24):5263. DOI: 10.3390/nu14245263
25World J Gastroenterol. 2010 May 28;16(20):2484-95
26Perm J. 2015 Winter;19(1):58-61
27World J Gastroenterol. 2010 May 28;16(20):2484-95