Schlaganfall – einfach erklärt

Artikel aktualisiert am 16. Mai 2019

Der Schlaganfall (Hirninfarkt, Hirnschlag, Apoplexia cerebri, oft kurz als Apoplex bezeichnet) ist eine plötzlich eintretende Funktionsstörung des Gehirns, die durch die Unterbrechung der Durchblutung eines Gehirnbezirks bedingt ist. Meist handelt es sich um einen Gefäßverschluss (ischämischer Insult, ischämischer Hirninfarkt), seltener um eine Blutung im Gehirn. (Fachinfos dazu siehe hier.)


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Je nach betroffenem Bezirk können die Funktionsausfälle des Gehirns sehr unterschiedlich ausfallen. Sie reichen von einer nur minimalen Störung des Gefühls oder der Motorik bis hin zu einer unvollständigen oder vollständigen Lähmung von Körperregionen (z. B. Sprachlähmung, Armlähmung, Halbseitenlähmung) oder gar einer Bewusstlosigkeit (Coma apoplecticum).

Der plötzliche Gehirnschlag, der den Menschen zu Boden fallen lässt (geschichtliches Beispiel G.F. Händel), ist ein dramatisches Ereignis. Seltener jedoch steigern sich die Symptome allmählich: es beginnt mit unerklärlicher innerer Unruhe, dann kommt es zu ersten Lähmungserscheinungen und innerhalb einiger Stunden zum großen Schlaganfall mit Bewusstlosigkeit.

Wie sich der Prozess weiterentwickelt, ist anfangs oft nicht absehbar; daher sollte jeder Betroffene mit beginnenden neurologischen Ausfällen sofort in eine entsprechend ausgestattete Klinik, am besten mit einer „Stroke Unit“ (einer Spezialstation zur Diagnostik und Therapie von Schlaganfallpatienten). Vom Zeitpunkt der Diagnostik und des therapeutischen Eingreifens hängt die weitere Entwicklung (Prognose) oft entscheidend ab.

Wenn sich die neurologischen Ausfälle innerhalb eines Tages wieder zurückbilden, wird der Schlaganfall als transitorisch ischämische Attacke (TIA) bezeichnet. Sie kann als Vorbote einem großen Schlaganfall vorangehen. Um ihn zu verhindern, muss umgehend eine genaue Diagnostik und eine vorbeugende Behandlung eingeleitet werden (s. u.).


Wie ein Schlaganfall zustande kommt

Der Schlaganfall entsteht in ca. 80% durch einen Verschluss eines Blutgefäßes, das das Gehirn mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Je größer das verschlossene Gefäß ist, desto größer ist der Ausfall. Zum Gefäßverschluss kommt es meist durch ein Blutgerinnsel (Koagel), welches sich von einer arteriosklerotisch geschädigten Wand einer Arterie abgelöst hat. Es schwimmt mit dem Blutstrom und bleibt im nächst enger werdenden Stromgebiet der Hirngefäße stecken. Das Gerinnsel kann auch aus dem Herzen kommen, wo es sich beispielsweise bei einer schweren Herzrhythmusstörung (absoluten Arrhythmie) oder bei einem Herzklappenfehler bilden kann. Es können aber auch kleinste Blutgefäße so verengt sein, dass sie im Gehirn selbst durch Blutgerinnsel verkleben (thrombosieren). Sie führen nur zu kleinen aber oft vielen (multiplen) Ausfällen (lakunäre Infarkte) und sind meist durch Bluthochdruck bedingt.

In ca. 20% handelt es sich beim Schlaganfall um eine Blutung im Gehirn. Sie wird durch Blutdruckspitzen gefördert und tritt besonders bei Menschen auf, deren Blutgerinnungssystem durch Medikamente gedämpft wird (Antikoagulation).

Wer Schlaganfall-gefährdet ist

Die Schlaganfallgefährdung steigt mit zunehmendem Alter. Das Risiko von Menschen, einen Schlaganfall zu erleiden, ist bei folgenden Bedingungen erhöht:

Wie man einen Schlaganfall erkennt

Die Zeichen, die auf einen Schlaganfall hindeuten, können je nach Lokalisation vielfältig sein. Alarmzeichen sind plötzlich und neu aufgetretene neurologische Symptome wie:

  • Gefühlsstörungen oder Bewegungsstörungen einzelner Körperteile,
  • ein verzogener Mundwinkel oder ein schiefes Gesicht,
  • die Unfähigkeit Speichel im Mund zu behalten oder ein Auge zu schließen,
  • Schwäche (unvollständige Lähmung, Parese) oder vollständige Lähmung (Plegie) eines Arms oder Beins,
  • Schluckstörung (Verschlucken),
  • verwaschene, undeutliche Sprache oder Unfähigkeit, Worte zu artikulieren (Aphasie),
  • Doppelbilder,
  • Orientierungsverlust, Verwirrtheit.

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Was sofort zu tun ist

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Thrombolyse

In einem kleinen Zeitfenster (bis zu 3 Stunden) kann eine Lysetherapie (zur Auflösung des Gerinnsels mit Alteplase) durchgeführt werden. Laut einer Studie wird eine Zeitspanne von 4 1/2 Stunden für noch erfolgversprechend gehalten. Die Thrombolyse hat das Ziel, die Schwellung der umgebenden, zunächst noch nicht geschädigten Hirnareale so gering wie möglich zu halten. In dieser Studie hatte die Lysetherapie eine erhöhte Rate an Blutungen im Gehirn zur Folge (27% vs. 17% in der Kontrollgruppe), von denen auch einige Symptome hervorriefen (2,4% vs. 0,2%). Die Rate an Todesfällen lag bei Patienten mit Lysetherapie nicht höher als denen in der Kontrollgruppe (um 8%).

Die Vorbedingung für eine Auflösung des Gerinnsels (Thrombolyse) ist der Nachweis des Verschlusses eines hirnzuführenden Blutgefäßes sowie der Ausschluss einer Blutung im Gehirn. Dies erfolgt durch eine sofort durchgeführte Computertomographie in einem Zentrum, das darauf eingerichtet ist. Auch andere Vorbedingungen müssen erfüllt sein (so darf z. B. kein Magengeschwür vorliegen, das unter Lysetherapie bluten könnte, etc.).

Stroke Unit

Zentren, in denen der diagnostische Ablauf optimiert ist, und in denen gewährleistet werden kann, dass die erforderliche Therapie in kürzest möglichem Zeitraum und unter bester Überwachung stattfindet, sind die „Stroke Units“ (Schlaganfallstationen). In ihnen arbeiten Neurologen, Röntgenfachärzte, Gefäßchirurgen, Gerinnungsspezialisten und Herzspezialisten zusammen. Zum raschen Ausschluss eines Magengeschwürs, das Blutungskomplikationen unter Lysetherapie verursachen könnte, sollten auch Gastroenterologen (Magendarmspezialisten) zur Verfügung stehen.

Bei der weiteren Behandlung kommen Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS) zur Anwendung. Auch muss der Blutdruck unter Kontrolle bleiben. Da in den Infarktrandgebieten (Penumbra) durch Gewebeschwellung ein erhöhter Perfusionsdruck erforderlich ist, sollten Blutdruckwerte bis 200 mm Hg toleriert werden; niedrigere Blutdruckwerte können u. U. nicht ausreichen (Erfordernishochdruck). Allerdings muss das Herz mit seiner Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

Was im weiteren Verlauf zu tun ist

Rehabilitationsmaßnahmen bei Patienten, die Lähmungen erlitten haben, beginnen schon in der akuten Krankheitsphase und dauern meist viele Monate. Es müssen alle noch so schwachen motorischen Funktionen geübt werden, wobei zu prüfen ist, ob die „gesunde“ Seite die Funktionen der ausgefallenen Teile ersetzen soll, oder ob Hoffnung besteht, dass die ausgefallenen Körperteile ihre Funktionen wiedererlangen können; in diesem Fall muss jede auch geringe neurologisch Antwort immer wieder trainiert werden. Insgesamt ist außerordentlich viel Geduld und Training aufzubringen, wozu eine hohe Motivation gehört.

Physiotherapie, Logopädie, Orthopädie und Psychologie werden in das Gesamtkonzept eingebunden.

Rehabilitationsprogramme, die möglichst viele Aspekte berücksichtigen, zeigen selbst in einer späten Phase nach einem Schlaganfall immer noch positive Wirkungen. Insbesondere sind herausfordernde Übungen besonders wirksam, wenn Rhythmus und Musik und soziale Interaktionen eingebunden werden, und wenn sie von einem erfahrenen Ausbilder geleitet werden.  Die positiven Effekte betreffen sowohl motorische als auch kognitive und emotionale Aspekte. (1)PLoS One. 2018 Sep 18;13(9):e0204215. doi: 10.1371/journal.pone.0204215.

Heute glaubt man, dass „der optimale Zeitpunkt für die „Hirnreparatur“ eher im späteren als im früheren Stadium des Schlaganfalls zu liegen scheint.“ Auch Jahre danach lohnen noch alle Anstrengungen.

Vorbeugung eines neuen Schlaganfalls

Es muss Vorsorge getroffen werden, dass möglichst kein neuerlicher Hirnschlag (Reapoplex) eintritt. Dies kann erreicht werden z. B. durch

  • Blutdruckeinstellung bei Bluthochdruck (Hypertonie),
  • Behandlung einer Fettstoffwechselstörung,
  • Gerinnungshemmung mit z. B. ASS oder Clopidogrel; sie erhöhen jedoch auf Dauer das Risiko einer Hirnblutung. Bei Vorhofflimmern des Herzens als Ursache des Schlaganfalls sollte die Hemmung der Blutgerinnung durch ein Coumarinpräparat (z. B. Marcumar oder Falithrom) erfolgen. Wichtig ist dabei, dass der Ziel-INR-Wert erreicht wird. Liegt der INR unter 2, ist die Schlaganfallvorbeugung unzureichend, liegt er über 3 oder gar 4, so steigt die Gefahr von Blutungen (siehe unter Quick (INR)). Heute werden bei Vorhofflimmern zunehmend neue Antikoagulatien, wie Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban, eingesetzt, die hoch wirksam sind und ein akzeptables Blutungsrisiko aufweisen.
  • Gefäßtherapie bei Arteriosklerose: Wenn ein Schlaganfall durch einen kritischen Arterioskleroseherd (einen arteriosklerotischen Plaque in der Halsschlagader, erkennbar durch eine Duplexsonograpie der Arteria carotis) droht, so wird ein operativer Eingriff zu überlegen sein, mit dem der Herd beseitigt wird. Dies kann durch eine offene Gefäßoperation erfolgen, aber heute zunehmend auch durch einen Engriff mit Hilfe einer Kathetertecnik (endovaskulärer Eingriff). Ein Kathetereingriff hat ein etwas besseres Langzeitergebnis als eine herkömmliche Nachbehandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten.
  • Vorbeugung bei kryptogenem Schlaganfall: Ist für einen Schlaganfall keine Ursache auszumachen, so wird von einem kryptogenen Schlaganfall gesprochen. Häufiger als normal findet sich in dieser Gruppe ein offenes Foramen ovale im Herzen (eine offene Verbindung zwischen dem rechten und linken Vorhof; zum Herzen siehe hier). Wird dieses Loch durch Kathetertechnik verschlossen (heute ist dafür eine offene Operation meist nicht mehr erforderlich), so beugt dies zusammen mit Medikamenten gegen Blutgerinnsel (siehe orale Antikoagulation mit z. B. Apixaban) einem neuerlichen Schlaganfall relativ gut vor. Allerdings steigt dadurch das Risiko für Vorhofflimmern.

Perspektiven

Nicht nur die Auflösung von Gerinnseln allein bessert die Prognose eines frischen Hirninfarkts. Neuere Untersuchungen zeigen im Tiermodell, dass eine (zusätzliche) Neuroprotektion (Schutz des Gehirns und Verbesserung der Hirnleistung z. B. mit Tacrolimus) zu einer Verbesserung des Verlaufs führen kann. Möglicherweise entsteht hier eine weitere Behandlungsoption.

Fachinfos zum Schlaganfall siehe hier.


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Verweise

Für Patienten

Fachinformationen

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur

Literatur
1PLoS One. 2018 Sep 18;13(9):e0204215. doi: 10.1371/journal.pone.0204215.