Herzinfarkt

Artikel aktualisiert am 16. Dezember 2022

Der Herzinfarkt ist eine lebensbedrohliche akute Erkrankung des Herzens mit hoher Sterberate, bei der durch Verschluss einer Koronararterie ein Teil der Herzmuskulatur nicht mehr durchblutet wird. Akute Komplikationen (wie akuter Herztod, akute Herzinsuffizienz, Herzwandruptur, Mitralsegelabriss oder Kammerflimmern) sowie Spätfolgen (wie andauernde Leistungseinschränkung) machen den Herzinfarkt zu einem gefürchteten Ereignis. Durch eine rasche Intervention können Akutkomplikationen oft vermieden und Spätfolgen gemindert werden. Durch frühzeitige und konsequente Beeinflussung der Risikofaktoren kann dem Herzinfarkt wirkungsvoll vorgebeugt werden.

Herzinfarkt – einfach erklärt
Das Herz – Anatomie und Funktion


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Definition

Als Herzinfarkt wird ein akuter Untergang von Herzmuskulatur (Myokardnekrose) bezeichnet, der als Folge eines Gefäßverschlusses im Stromgebiet der Herzkranzarterien (ischämische Nekrose) auftritt. Ursache ist eine koronare Herzkrankheit.

Ursachen und Entstehung

Folgende Risikofaktoren fördern die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit (KHK, Arteriosklerose der Herzkranzgefäße):

Auf dem Boden einer koronaren Herzkrankheit entwickelt sich ein akuter thrombembolischer Verschluss mit Nekrotisierung (Zugrundegehen) des abhängigen Muskelbezirks. Dabei ist nach dem „Prinzip der letzten Wiese“ zuerst die innere Schicht des Herzenmuskels betroffen. Wenn die gesamte Herzwand betroffen ist, wird dies als „transmuraler Infarkt“ bezeichnet. Er geht mit einer initialen Erhöhung der ST-Strecken im EKG einher und wird auch als STEMI (ST-Hebungsinfarkt) bezeichnet. Bleibt die Ischämie auf eine Schicht der Herzwand begrenzt, braucht sich dies im EKG nicht bemerkbar zu machen, obgleich die Herzmuskelmarker CK-MB und (empfindlicher) Troponin ansteigen. Dies wird als NSTEMI (Nicht-ST-Hebungsinfarkt) bezeichnet.

Eine Sonderform ist MINOCA, ein Herzinfarkt, der ohne nachweisbaren Verschluss einer Herzkranzarterie auftritt (siehe hier).

Auslösung

Die Auslösung eines Infarkts geschieht oft durch

  • plötzliche Belastung oder auch
  • psychischen Stress,
  • einen akuten respiratorischen Infekt im Rahmen einer Grippe (1)N Engl J Med 2018; 378:345-353 DOI: 10.1056/NEJMoa1702090

manchmal auch ohne erkennbare Faktoren.

Eine Häufung in den frühen Morgenstunden, wird dem Anspringen des Sympathicus zugeordnet, der zu Koronarspasmen (Prinzmetal-Angina) und im extremen Fall zu einem Herzinfarkt führt. (2)Proc Jpn Acad Ser B Phys Biol Sci. 2019;95(2):53-66. DOI: 10.2183/pjab.95.005.

Kritisch sind offenbar arteriosklerotische Plaques in den Koronararterien, die eine unregelmäßige Oberfläche aufweisen, entzündlich verändert sind und aufreißen. Dort lagern sich Thrombozyten an, verklumpen und bilden kleine Thromben (Thrombozytenthromben). Von dort entwickelt sich durch Auflagerung ein Blutgerinnsel, das schließlich zum Verschluss des Gefäßes und damit zum Infarkt führt.

Erst eine Verengung (Stenose) über 50% des Lumens ist hämodynamisch wirksam, da die Koronargefäße eine große Reservekapazität besitzen. Bei einer Minderdurchblutung oder starker körperlichen Aktivität kann dort der Blutfluss auf das 4-8fache gesteigert werden.

Eine akute Entzündungen im Körper, speziell

  • ein akuter Atemwegsinfekt im Rahmen einer Grippe,

bei Menschen mit erhöhtem Infarktrisiko  ein Auslöser wirken. In einer Studie wurden innerhalb der ersten 7 Tage einer Grippeinfektion weitaus mehr Krankenhauseinweisungen wegen Herzinfarkt registriert, nämlich durchschnittlich 20 pro Woche, während außerhalb der Risikozeit nur 3,3 pro Woche gezählt wurden. (3)N Engl J Med 2018; 378:345-353 DOI: 10.1056/NEJMoa1702090

Bedeutung von Mikro-RNA

Der Untergang der Herzmuskulatur im Rahmen des Infarkts führt zu einer veränderten Belastung der übrig gebliebenen Muskelzellen. Im Laufe der nächsten Zeit orientieren sie sich im Muskelgewebe um (cardiac remodelling), was Muskelkraft beeinträchtigt und eine Herzinsuffizienz fördert. Kritisch in diesem Prozess ist eine unzureichende Blutversorgung durch die Kapillaren zwischen den Muskelzellen. Ursächlich dafür ist wahrscheinlich die Downregulation bestimmter Mikro-RNA (so insbesondere miRNA-150 (4)Cardiovasc Res. 2015 Jun 1;106(3):387-97. doi: 10.1093/cvr/cvv121. ). Auch andere miRNA spielen eine Rolle, wie miRNA-199-3p und miRNS-214, die beide durch Carvedilol induzierbar sind (5) 2016 Aug 1;311(2):H371-83. doi: 10.1152/ajpheart.00807.2015 oder mi-RNA-532-5p, die ebenfalls auf Carvedilol ansteigt (6) 2017 Jul 11. doi: 10.1093/cvr/cvx132. . Solche miRNA werden als ausschlaggebend für das Überleben von Herzmuskelzellen am Rande eines Herzinfarkts angesehen. Es wird angenommen, dass Carvedilol über ihre Anhebung  einen positiven therapeutischen Effekt beim Herzinfarkt ausübt.

Zu Mikro-RNA siehe hier.

Symptomatik des Herzinfarkts

Folgende Symptome und Beschwerden kennzeichnen einen Herzinfarkt; sie können, abhängig von Größe und Lokalisation des Nekrosebezirks, unterschiedlich ausgeprägt sein:

Der sich meist einstellende kardiogene Schock ist ein Kreislaufreflex zur Schonung des Herzens, kann aber durch muskuläre Insuffizienz bei Untergang von großen Arealen der Herzmuskulatur und durch Kammerflimmern verstärkt und lebensbedrohlich werden.

Der Herzinfarkt verläuft gelegentlich jedoch auch symptomarm oder stumm. Eine verminderte Empfindung von Schmerzen, so auch von Infarktschmerzen, kann bei visceraler Neuropathie im Rahmen eines Diabetes mellitus vorkommen. Bei chronischen Stenosierungsprozessen können sich aus benachbarten Koronargefäßen Kollateralen bilden, so dass der Infarkt symptomarm oder sogar symptomlos ist.

Akute Notfallsituation: Der akute Herzinfarkt hat eine Gesamtletalität von 40%; es versterben etwa 30% bereits vor Ankunft im Krankenhaus! Ursache ist das durch den Infarkt häufig ausgelöste Kammerflimmern.

Infarkt-Lokalisationen

  • Anteroseptaler Herzinfarkt bei Verschluss im RIVA-Bereich (= LAD). Wegen Lage im Versorgungsbereich Abriss des vorderen Papillarmuskels möglich.
  • Hinterwandinfarkt bei Verschluss im Bereich der rechten Kranzarterie. Wegen Lage im Versorgungsbereich Abriss des hinteren Papillarmuskels und Sinusbradykardie möglich.
  • Weitere Lokalisationen je nach Verschlusslokalisation und Versorgungstyp (z. B. links lateral, basisnahe, septal, apikal, rechtskardial etc.).

Diagnostik des Herzinfarkts

Herzkatheteruntersuchung: Koronararterie durch Kontrastmittel sichtbar gemacht. Es lassen sich mehrere, zum Teil kritische Stenosen erkennen, die Ursache von erheblichem Herzengegefühl waren und ein hohes Risiko für einen Herzinfarkt darstellten. Zur Behebung der Angina pectoris und Vorbeugung eines Herzinfarkts wurden Ballondilatationen der Engstellen und Stentimplantationen durchgeführt.

Die frühzeitige Erkennung bedarf eines frühzeitigen Verdachts; daher ist neben dem Lehrbuchwissen eine gute klinische Erfahrung von großer Bedeutung. Meist finden sich anamnestisch zuvor schon Episoden einer Angina pectoris als Zeichen einer KHK.

Verdacht auf einen Herzinfarkt

Er wird geäußert bei plötzlichem Vernichtungsschmerz im Herzbereich, einer nicht auf Nitropräparate ansprechende Angina pectoris oder bei Herzschmerzen mit Schocksymptomatik (niedriger Blutdruck, Zentralisation, Kaltschweißigkeit, oft zudem Brechreiz).

Frühdiagnostik

Sie ist nötig, um rechtzeitig durch Katheterintervention (Aufdehnung einer Verengung in den Herzkranzarterien, Stentimplantation) oder Lyse (Auflösung eines verschließenden Blutgerinnsels) therapieren zu können. Sie stützt sich auf

  • das EKG: im akuten Stadium typische ST-Hebungen (Erstickungs-T, oft erst nach serologischen Markern). Beim NSTEMI (Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt) EKG unauffällig.
  • die Marker im Serum:
    nach 1-2 Stunden Erhöhung von Troponin, CK und CK-MB (>6% der Gesamt-CK)
    nach ca. 6 Stunden Erhöhung von GOT (ASAT)
    nach ca. 10 Stunden Erhöhung der LDH.

Zusätzliche Diagnostik

  • Herzecho: zur Diagnostik der Auswurffraktion, Bestimmung der akinetischen oder hypokinetischen Bereiche, Beurteilung der Klappenfunktion und Erkennung von Komplikationen wie Papillarmuskelabriss oder Herzwandruptur.
  • Ergometrie = Belastungs-EKG

Die folgenden diagnostischen Methoden werden nicht routinemäßig indiziert, können aber weiterhelfen, wenn eine invasive Diagnostik vermieden oder die Indikation für einen invasiven Eingriff gefestigt werden soll:

  • Kardio-MRT
  • Myokardszintigraphie: geringerer Stellenwert gegenüber der anderen Diagnostik

In seltenen Fällen ist eine rein diagnostische Herzkatheteruntersuchung indiziert, z. B. vor einer geplanten Operation.

Ansonsten wird frühestmöglich eine Herzkatheteruntersuchung aus therapeutischen Gründen zur Aufdehnung der Koronarstenosen und Öffnung des kritischen Verschlusses durchgeführt.

Differenzialdiagnosen

Bei der Diagnostik sind wichtige Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen. Zu ihnen gehören vor allem

Komplikationen des Herzinfarkts

 Überwachung

Der plötzliche kardiogene Schock ist ein Ereignis, das unbedingt sofort erkannt und behandelt werden muss. Die Überwachung dient der rechtzeitigen Erkennung von Komplikationen. Dazu gehören häufige klinische Kontrolluntersuchungen und eine kontinuierliche technische Überwachung auf einer Intensivstation.

Klinische Kontrolluntersuchungen:

Technische Überwachung:

  • RR-Messung,
  • Rhythmuskontrolle,
  • Oxymetrie,
  • ZVD (Messung des zentralvenösen Drucks).

Therapie des Herzinfarkts

Allgemeines

Ziel der Therapie eines akuten Herzinfarkts ist es,

  • akute Schmerzen zu mildern,
  • den Schockzustand zu beheben und lebenswirchitge Körperfunktionen aufrecht zu erhalten,
  • den Blutfluss in den Herzkranzgefäßen und somit die Reperfusion so schnell wie möglich wieder herzustellen, um irreversiblen Herzmuskelschädigungen vorzubeugen.

Zu den Maßnahmen beim akuten Herzinfarkt gehören Medikamente und die interventionelle Behandlung durch Herzkathetertechniken (Herzkatheteruntersuchung, Ballondilatation von Verengungen in den Herzkranzgefäßen und Stentimplantation).

Einzelne Maßnahmen


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Verweise

Für Patienten


Literatur

Literatur
1N Engl J Med 2018; 378:345-353 DOI: 10.1056/NEJMoa1702090
2Proc Jpn Acad Ser B Phys Biol Sci. 2019;95(2):53-66. DOI: 10.2183/pjab.95.005.
3N Engl J Med 2018; 378:345-353 DOI: 10.1056/NEJMoa1702090
4Cardiovasc Res. 2015 Jun 1;106(3):387-97. doi: 10.1093/cvr/cvv121.
5 2016 Aug 1;311(2):H371-83. doi: 10.1152/ajpheart.00807.2015
6 2017 Jul 11. doi: 10.1093/cvr/cvx132.