Chronische Nierenkrankheiten

Artikel aktualisiert am 23. Dezember 2022

Chronische Nierenkrankheiten (chronic kidney disease, CKD) sind dadurch definiert, dass sie mehr als 3 Monate anhalten, und dass organische bzw. histologische Veränderungen und eine Fehlfunktion nachweisbar sind (1)World J Nephrol. 2016 May 6; 5(3): 233–257.

→ Zur Niereninsuffizienz siehe hier.


Häufigkeit

Die Häufigkeit (Prävalenz) in der westlichen Bevölkerung hat zusammen mit dem Diabetes Typ 2 und der Adipositas erheblich zugenommen; die Prävalenz in den USA lag 2008 bei 13% (2)Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6. doi: 10.3810/pgm.2008.07.1798..


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Ursachen

Zu den chronischen Nierenkrankheiten gehören

  • die chronische Glomerulonephritis inkl. der autoimmunologische bedingten Nierenkrankheiten beim Morbus Wegener und dem Lupus erythematodes,
  • die chronische Pyelonephritis,
  • die Amyloidose der Nieren,
  • seltene angeborene Erkrankungen der Nieren, wie
    • Zystennieren bzw. polyzystische Nierenkrankheit,
    • das Alport-Syndrom,
    • seltene Stoffwechselkrankheiten, die sich an den Nieren manifestieren, wie das De-Toni-Fanconi-Syndrom oder der Phosphatdiabetes mit Nephrokalzinose.

Die häufigsten Ursachen sind

Komplikationen

Chronische Nierenkrankheiten führen zu einer renalen Funktionsstörung und in der Regel zur Niereninsuffizienz und Dialysepflichtigkeit. Sie sind zudem mit einer Dyslipidämie (speziell einer Hypertriglyceridämie, nicht einer Hypercholesterinämie (3)Med Arch. 2016 Jun; 70(3): 191–192. ) und einem erhöhten Risiko einer Hypertonie und einer koronaren Herzkrankheit verbunden. Insofern sollten chronische Nierenkrankheiten frühzeitig diagnostiziert, behandelt und regelmäßig kontrolliert werden.

Stadien

Die Stadien der chronischen Nierenkrankheiten werden unabhängig von ihrer Ursache durch die glomeruläre Filtrationsrate (GFR, z. B. gemessen als Kreatinin-Clearance) festgelegt (4)Clin Pharmacol. 2016; 8: 61–81.

Stadium der
chronischen
Nierenkrankheit
Glomeruläre
Filtrationsrate
(GFR  in ml/min/1.73 m2)
Beurteilung der
Filtrationsrate
1≥90Normal oder hoch
260–89Gering erniedrigt
3a45–59gering bis mäßig erniedrigt
3b30–44mäßig bis stark erniedrigt
415–29stark erniedrigt
5<15Nierenversagen

Diagnostik

Chronische Nierenkrankheiten werden meist erkannt durch eine

  • Urinuntersuchung: Entdeckung einer Proteinurie (vermehrte Ausscheidung von Eiweiß) z. B. im Rahmen einer Routineuntersuchung des Urins, durch eine Nachkontrolle des Urins nach akutem Harnwegsinfekt, oder durch auffällig schäumenden Urin, der daraufhin gezielt untersucht wird,
  • Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Nieren: z. B. im Rahmen einer Routineuntersuchung, zur Abklärung eines auffälligen Urinbefundes oder von Flankenschmerzen oder bei einer Tumorsuche etc: Nachweis einer Verschmälerung des Nierenparenchyms und/oder einer Verkleinerung der Nieren.

Die Differenzierung der chronischen Nierenkrankheit erfolgt durch Spezialuntersuchungen (siehe hier).

Früherkennung

Wegen der Zunahme der Häufigkeit wird empfohlen, in der hausärztlichen Ambulanz Menschen folgender Risikogruppen regelmäßig auf eine chronische Nierenkrankheit hin zu untersuchen (5)Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6:

Zum Screening wird empfohlen (6)Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6:

Therapie

Chronischen Nierenkrankheit in den Stadien 1-3 profitieren am ehesten von ACE-Hemmern und Angiotensin II-Rezeptor-Blockern (7)Ann Intern Med. 2012 Apr 17;156(8):570-81.

Begleitende Komplikationen und Miterkrankungen anderer Organsysteme führen oft zu komplexen Therapieüberlegungen:

Beta-Blocker und Statine können die Mortalität und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Placebo reduzieren; die Risiken für Mortalität, Niereninsuffizienz im Endstadium und anderen klinischen Ereignissen unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen der üblichen und besonders strengen Blutdruckkontrolle (8)Ann Intern Med. 2012 Apr 17;156(8):570-81.

Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes verbessert eine besonders intensive Blutzuckereinstellung und Senkung der Blutfette nicht das klinische Outcome (Überleben);

→ Zur Therapie höhergradiger Stadien von chronischen Nierenkrankheiten siehe unter Niereninsuffizienz.
→ Zur Therapie spezieller chronischer Nierenkrankheiten siehe hier.

Vorbeugung einer Verschlechterung der Nierenfunktion

Zigarettenrauchen ist ein herausragender Faktor für die Verschlechterung einer diabetischen Nephropathie. Zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen gehört es daher, Rauchen vollständig sein zu lassen (9)Int Urol Nephrol. 2017 Oct;49(10):1801-1807. DOI: 10.1007/s11255-017-1638-3, was jedoch wegen der vielfach zugrunde liegenden Nikotinsucht auf praktische Probleme stößt. (10)Diabetol Metab Syndr. 2019 Oct 24;11:85. DOI: 10.1186/s13098-019-0482-2

Eine Verbesserung der Albuminurie, die sich therapeutisch erreichen lässt, führt nicht sicher auch zu einer klinischen Verbesserung und Lebensverlängerung (11)Am J Kidney Dis. 2012 Nov;60(5):747-69. Von protektiven Maßnahmen wird eine Verlangsamung des Abfalls der glomerulären Filtrationsrate (unabhängig von der Reduktion der Albuminurie) erwartet. Ein besonderes Problem stellt die diabetische Nephropathie dar, die häufigste Ursache einer Dialysepflichtigkeit. Bisher wurde den Medikamenten, die am RAAS angreifen, die beste vorbeugende Wirkung zugesprochen. Neuere Medikamentengruppen

GLP-1-Rezeptor-Agonisten (Medikamente zur Behandlung eines Diabetes Typ 2) beispielsweise haben sich bezüglich einer Reduktion einer Albuminausscheidung nicht jedoch bezüglich einer Verschlechterung der Nierenfunktion als protektiv erwiesen. (12)Curr Opin Pharmacol. 2020 Oct;54:91-101. DOI: 10.1016/j.coph.2020.08.018 Auch die neueren Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Inhibitoren, Inkretin-Mimetika und Endothelin-1-Rezeptor-Antagonisten werden auf ihren nephroprotektiven Effekt untersucht. (13)Int J Mol Sci. 2022 Sep 17;23(18):10882. DOI: 10.3390/ijms231810882

Soja als nephroprotektive Diät?

Soja-haltige Kost hat sich in bisherigen Untersuchungen als protektiv bezüglich einer Nierenschädigung bei verschiedenen Nierenkrankheiten erwiesen. Dafür werden Sojaproteine, insbesondere Genistein und andere Isoflavone, verantwortlich gemacht (14)Mediators Inflamm. 2013; 2013: 510212. Published online 2013 Apr 29. doi: 10.1155/2013/510212, die das Plasma-Cholesterin (LDL-Cholesterin) und die Neutralfette (Triglyceride) senken, den Antioxidationsstatus erhöhen und systemische Entzündungsmediatoren hemmen (15)World J Nephrol. 2016 May 6; 5(3): 233–257 (16)Eur J Clin Nutr. 2014 Sep; 68(9):987-93. Wenn Fleischprotein durch Protein aus Soja ersetzt wird, reduziert sich die Protein-bedingte Hyperfiltration und die Albuminausscheidung im Urin (17)Asia Pac J Clin Nutr. 2008;17 Suppl 1:324-8. Allerdings haben nicht alle Studien einen positiven nephroprotektiven Effekt gezeigt (18)Am J Clin Nutr. 1998 Dec;68(6 Suppl):1347S-1353S, so dass zur Klärung weitere Untersuchungen erforderlich sind.

→ Zu Nierenersatzverfahren siehe hier.

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1World J Nephrol. 2016 May 6; 5(3): 233–257
2Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6. doi: 10.3810/pgm.2008.07.1798.
3Med Arch. 2016 Jun; 70(3): 191–192.
4Clin Pharmacol. 2016; 8: 61–81
5Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6
6Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6
7Ann Intern Med. 2012 Apr 17;156(8):570-81
8Ann Intern Med. 2012 Apr 17;156(8):570-81
9Int Urol Nephrol. 2017 Oct;49(10):1801-1807. DOI: 10.1007/s11255-017-1638-3
10Diabetol Metab Syndr. 2019 Oct 24;11:85. DOI: 10.1186/s13098-019-0482-2
11Am J Kidney Dis. 2012 Nov;60(5):747-69
12Curr Opin Pharmacol. 2020 Oct;54:91-101. DOI: 10.1016/j.coph.2020.08.018
13Int J Mol Sci. 2022 Sep 17;23(18):10882. DOI: 10.3390/ijms231810882
14Mediators Inflamm. 2013; 2013: 510212. Published online 2013 Apr 29. doi: 10.1155/2013/510212
15World J Nephrol. 2016 May 6; 5(3): 233–257
16Eur J Clin Nutr. 2014 Sep; 68(9):987-93
17Asia Pac J Clin Nutr. 2008;17 Suppl 1:324-8
18Am J Clin Nutr. 1998 Dec;68(6 Suppl):1347S-1353S