Anämie

Artikel aktualisiert am 24. Oktober 2023

Anämie bedeutet Blutarmut. Ihre Ursachen und Auswirkungen sind von erheblicher Bedeutung für den Verlauf und die Therapie vieler körperlicher Krankheiten, so auch für Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und psychisches Befinden. Ursachen können eine Bildungsstörung im Knochenmark, ein Blutverlust oder ein Eisenmangel sein. Jeder dieser Ursachen liegen wieder verschiedene mögliche Diagnosen zugrunde, so dass Diagnostik und Behandlung sehr facettenreich sind.

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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Anämie (Blutarmut) ist durch einen Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) bzw. des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) im Blut definiert.

Ursachen

Sie sind sehr vielfältig. Möglich sind:

  • eine verminderte Neubildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) und ihres Blutfarbstoffs Hämoglobin,
  • ein beschleunigter Verlust bzw. Abbau der roten Blutkörperchen
  • eine Kombination der verschiedenen Ursachen.

Wenn eine Blutung nicht erkennbar ist, muss gedacht werden an:

Diagnostik

Sie beginnt mit einer ausführlichen Befragung (Anamnese) und den Laborwerten (speziell dem Blutbild) und kann eine Suche nach einer verborgenen (okkulten) Blutung, einer chronischen Entzündung oder einem Krebs beinhalten (siehe hier).

Laborwerte

Sie geben die wichtigsten Hinweise auf die Ursache:

  • Sind die roten Blutkörperchen kleiner als normal, handelt es sich um eine mikrozytäre Anämie (MCV erniedrigt). Die Erythrozyten enthalten meist auch zu wenig roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) (hypochrome mikrozytäre Anämie). Diese Kombination deutet auf einen Eisenmangel. Er ist in der Regel bedingt
    • durch eine Störung der Eisenaufnahme im Darm (z. B. bei einer Coeliakie) oder
    • durch eine Blutung. Ist eine Blutung nicht erkennbar, muss nach einer verborgenen Blutungsgesucht werden (siehe unter okkulte Blutung).
      .
  • Sind die Blutkörperchen größer als normal, handelt es sich um eine makrozytäre Anämie (MCV erhöht). Dies deutet auf einen Vitamin-B12-Mangel, meist im Rahmen einer besonderen Form einer chronischen Magenentzündung (Typ-A-Gastritis). Die Erythrozyten enthalten in der Regel zu viel Hämoglobin (hyperchrome Anämie).

Auswirkungen

Wie sich eine Blutarmut auswirkt, hängen von ihrer Ausprägung ab. Je höhergradiger sie ist, desto stärker sind

ausgeprägt. Desto stärker lässt auch die Konzentrationsfähigkeit nach.

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache (siehe hier). Bei einer ausgeprägten Blutarmut können Bluttransfusionen erforderlich werden.

→ Patienteninfos zur Blutarmut siehe hier.

Definition

Die Blutarmut ist definiert über den verminderten Hämatokrit oder die verminderte Menge an Hämoglobin im Blut.

Untere Grenzwerte

  • Hämoglobingehalt
    • Männer 13 g/dl
    • Frauen 12 g/dl
  • Hämatokrit
    • Männer 42 %
    • Frauen 38 %

Werte unterhalb dieser Grenzen begründen die Diagnose einer Blutarmut. Allerdings sollte eine vorübergehende Verdünnung des Bluts durch hohe Flüssigkeitszufuhr oder eingeschränkte Ausscheidung berücksichtigt werden, so dass Kontrolluntersuchungen erforderlich werden können.

(Je nach Labor werde unterschiedliche Grenzwerte angegeben.)


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Ursachen

Ursache einer Blutarmut ist das Überwiegen von Abbau bzw. Verlust über die Neubildung von Erythrozyten bzw. Hämoglobin. Normalerweise wird täglich soviel an roten Blutkörperchen nachgebildet, dass der normale Verlust durch Alterung und Sequestrierung ausgeglichen wird. Auch ein geringer erhöhter Verlust kann in der Regel durch die Überschusskapazität des Knochenmarks abgefangen werden.

Die Aktivität der Nachbildung roter Blutkörperchen erkennt man an der Zahl der Retikulozyten (junge Erythrozyten mit Resten von Kernmaterial). Die Retikulozytenzahl beträgt bei normaler mittlerer Lebenszeit der Erythrozyten von 100-120 Tagen um 10-12 pro 1000 Erythrozyten (siehe hier).

Eine Bildungsstörung der roten Blutkörperchen

Sie ist durch folgende Hauptursachen bedingt:

Ein Eisenmangel ist die häufigste Ursache. Er begrenzt die Bildung des roten Farbstoffs Hämoglobin der Erythrozyten.

Verkürzte Lebenszeit der Erythrozyten

Sie erfordert eine ständig erhöhte Nachproduktion im Knochenmark. Wenn seine Kapazität nachlässt und sich erschöpft, entwickelt sich eine Blutarmut. Ursachen einer verkürzten Lebenszeit sind

  • eine Hämolyse, d.h. ein erhöhter Zerfall der Erythrozyten im Blut und
  • ein akuter oder chronischer Blutverlust, gegen den das Knochenmark auf Dauer nicht ankommt. Ein wesentlicher Grund hierbei ist der blutungsbedingte Verlust von Eisen, welches zur Nachproduktion des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin benötigt wird. Mehr dazu siehe unter Blutungsanämie.

Einteilung

Folgende Hauptformen einer Blutarmut lassen sich unterscheiden:

Hyperchrome makrozytäre Anämie

Bei dieser Anämie sind die roten Blutkörperchen größer und ihr Hämoglobingehalt geringer als normal.

Ursachen können sein

Mehr zur hyperchromen makrozytären Anämie siehe hier.

Hypochrome mikrozytäre Anämie

Bei dieser Anämie sind die roten Blutkörperchen kleiner und ihr Hämoglobingehalt geringer als normal.

Ursachen können sein

  • ein Blutverlust (gastrointestinale Blutung, gynäkologische Blutung, sonstige Blutverluste, auch zu häufige Aderlässe),
  • ein Eisenmangel durch Eisenresorptionsstörung (beispielsweise bei einer Dünndarmkrankheit wie der Sprue, dem Morbus Whipple oder dem Kurzdarmsyndrom) oder
  • eine Eisenverwertungsstörung (beispielsweise bei einer Knochenmarkskrankheit oder einem Tumorleiden).

Mehr zur hypochromen mikrozytären Anämie siehe unter Blutungsanämie, Mikrozytäre Anämie und Eisenmangelanämie.

Normochrome normozytäre Anämie

Bei dieser Anämie sind die Anzahl der roten Blutkörperchen pro Volumen und ihr Hämoglobingehalt normal, aber das Gesamtvolumen erniedrigt.

Eine Blutarmut ohne Veränderung der Größe und des Hämoglobingehalts der Erythrozyten kommt kurz nach einer großen Blutung zustande, wenn Flüssigkeit in das Blutgefäßsystem einströmt und das Blut verdünnt oder nach einer Flüssigkeitsinfusion.

Eine Blutarmut mit normochromen normozytären Erythrozyten kann auch durch eine Kombination einer mikrozytären und hypochromen Eisenmangelanämie und einer makrozytären und hyperchromen perniziösen Anämie als Mischbild entstehen.

Diagnostik

Nachweis der Anämie: Eine Blutarmut kann verdächtigt werden, wenn eine entsprechende Symptomatik und zudem ein dazu passender klinischer Befund vorliegen. Gesichert wird sie durch die Bestimmung der Erythrozytenparameter.

Ursachendiagnostik: Der nächste diagnostische Aspekt betrifft die Suche nach der Ursache. Hierbei hilft die Unterscheidung nach Hämoglobingehalt und Größe der roten Blutkörperchen.

  • Klinischer Befund:
    • Blässe: blasse Lippen, blasse Bindehäute der Augen (Conjunktiven)
    • Rascher Herzschlag, Tachykardie.

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Weitere Diagnostik je nach verdächtigter Ursache

Erythrozytenparameter:

Wenn die Erythrozyten mikrozytär (zu klein) gemessen werden, wird ein Eisenmangel zu verdächtigen sein; der wiederum lässt an eine Blutung als Ursache denken lassen.

Wenn die Erythrozyten makrozytär (zu groß) gemessen werden, ist ein Vitamin-B12-Mangel zu verdächtigen und die Ursache im Magen oder im unteren Dünndarm zu suchen. Bei einer Typ-A-Gastritis kommt es zu einem Mangel an „intrisic factor“; bei einer Erkrankung des terminalen Ileums (z. B. Ileitis terminalis) zu einer mangelhaften Resorption von Vitamin B12.

Weitere Untersuchungen:

  • Eisenbelastungstest: Resorption im oberen Dünndarm gestört? Eisenmangel kann die häufige mikrozytäre Anämie erklären; Ursache kann z. B. eine Sprue sein (Dünndarmbiopsie!, Antiendomysium-Antikörper bestimmen!).
  • Knochenmarkbiopsie bei Verdacht auf Knochenmarkskrankheit: zugrunde liegen kann z. B. ein myelodysplastisches Syndrom (MDS), eine Infiltration von Tumorzellen, ggf. auch eine toxische Knochenmarksschädigung

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Therapie

Die Therapie einer Blutarmut erfolgt entsprechend ihrer Ursache und ihrer Ausprägung.

Ursächliche Therapie

Sie kann sich auf einen Blutverlust, eine Magendarmkrankheit , eine chronische Entzündung, einen Knochenmarkschaden oder einen Tumor richten (siehe oben unter Ursachen einer Anämie).

Ausgleich der Blutarmut

  • Bluttransfusionen: bei chronischer Anämie (z.B. beim myelodysplastischen Syndrom) bleibt man i.d.R. zurückhaltend, bei akuter Anämie kommt sie frühzeitiger zum Einsatz. Indikation zur Bluttransfusion unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik. Sie werden vielfach z. B. bei Hämoglobin unterhalb 7 g/dl durchgeführt, bei einer Herzinsuffizienz, Angina pectoris, besonderer Abgeschlagenheit oder Atemnot auch schon bei einem Hb von etwa 8 oder 9 g/dl oder darüber.
  • Eisensubstitution mit geringen und mittleren Dosen (oral) bei Eisenmangelanämie (meist hypochrome mikrozytäre Anämie (s.o.) ist effektiv und gilt als relativ sicher. Auch eine kurzzeitige intravenöse Applikation von Eisen gilt als relativ sicher. (1) 2018 Feb;17(2):149-159. doi: 10.1080/14740338.2018.1400009.
  • Substitution von Vitamin B12 und Folsäure bei nachgewiesenem Mangel (meist Ursache einer makrozytären hyperchromen Anämie),

Behandlung von Sonderformen:

  • Beim myelodysplastischen Syndrom (MDS) (Krankheit des Knochenmarks) kommen als Therapie nur Transfusionen in Betracht (geleitet durch das Blutbild und die Symptomatik),
  • Bei der renalen Anämie (Anämie bei Niereninsuffizienz, häufig bei Dialysepatienten) ist meist Erythropoetin indiziert, ggf. auch Bluttransfusionen. Neue Optionen ergeben sich durch „Hypoxia-inducible factor (HIF)-Aktivatoren. Sie stimulieren die körpereigene Erythropoetin-Produktion und erhöhen die Eisenverwertung. (2) 2017 Dec;7(3):157-163. doi: 10.1016/j.kisu.2017.09.002. (3) 2018 Jul;27(7):613-621. doi: 10.1080/13543784.2018.1493455.
  • Bei einer Leukämie (z. B. CML, verdrängt die Blutbildung im Knochenmark) kommen Bluttransfusionen und ggf. eine Chemotherapie in Betracht,
  • Bei einem Morbus Osler wird versucht, alle erkennbaren Gefäßmissbildungen im Magendarmkanal endoskopisch zu verschorfen (elektrisch zu koagulieren), ansonsten Bluttransfusionen.
  • Bei einer autoimmunhämolytischen Anämie mit Wärmeautoantikörpern: Glukokortikoide, zusätzlich Behandlung der assoziierten Krankheit, ggf. bei Therapieversagen Rituximab,
  • Bei einer autoimmunhämolytischen Anämie mit Kälteagglutininen: ggf. Rituximab (siehe hier).

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Verweise

Anämie durch

Weiteres

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Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1 2018 Feb;17(2):149-159. doi: 10.1080/14740338.2018.1400009.
2 2017 Dec;7(3):157-163. doi: 10.1016/j.kisu.2017.09.002.
3 2018 Jul;27(7):613-621. doi: 10.1080/13543784.2018.1493455.