Yersiniose

Artikel aktualisiert am 5. Dezember 2021

Die Yersiniose ist eine zoonotische Durchfallerkrankung mit Beteiligung des Dünn- und Dickdarms.


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die Yersiniose ist eine bakteriell durch den Keim Yersinia enterocolitica ausgelöste Durchfallerkrankung. Sie verläuft meist  nach 1-2 Wochen selbstlimitierend, gelegentlich jedoch auch über mehrere Wochen. Antibiotika sind meist nicht erforderlich, können aber in schweren Fällen oder bei verlängertem Verlauf erforderlich werden. In diesen Fällen wird meist auf Fluochinolone oder Cephalosporine der dritten Generation zurückgegriffen. In einigen Fällen treten vielfältige Symptome außerhalb des Darms auf. Solche „extraintestinale Manifestationen“ sind meist durch eine besonders starke und fehlgeleitete Immunantwort der Patienten bedingt und führen manchmal zu schwierigen Differenzialdiagnosen. (1)Epidemiologisches Bulletin Nr. 6/2012 des RKI (2)Enferm Infecc Microbiol Clin. 2012 Jan;30(1):24-32. DOI: 10.1016/j.eimc.2011.07.017. Epub 2011 … Continue reading Sie können Hautrötung (Erythema nodosum), Gelenkbeschwerden, Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden (Glomerulonephritis) umfassen und bei Kindern eine „Blinddarmentzündung“ vortäuschen.

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Bakterium und Infektionsquellen

Yersinia enterocolitica ist ein Gram-negativer Keim, der in vielen Stämmen (6 Biogruppen, 57 O-Stämme) auftritt. Für den Menschen krankheitserregend sind vor allem  die Serogruppen O:3, O:5,27, O:8 und O:9.Er lässt sich durch Kulturen nachweisen, wächst allerdings langsam, so dass andere kontaminierende Bakterien („background flora“) ihn überwuchern können.

Der Keim wird über kontaminierte Nahrungsmittel, wie Milch, Fleisch oder mit Viehdung gedüngtem Gemüse, und Wasser aufgenommen. In einer Untersuchung von Milch (Proben in Malaysia über 2 Jahre) wurden folgende Yersinienstämme gefunden: Yersinia enterocolitica (65.5%), Yersinia frederiksenii (31%), Yersinia kristensenii (3.4%).

Hauptreservoire sind hierzulande wahrscheinlich Schweine; rohes Schweinehack (Hackepeter) ist eine der Hauptquellen einer Infektion. (3)Epidemiologisches Bulletin Nr. 6/2012 des RKI Es muss eine relativ große Inokulationsdosis aufgenommen werden, damit es zu einer Infektion kommt.

Entstehung

Die Yersiniose ist eine Zoonose, d. h. eine Erkrankung, deren Erreger von Tieren auf den Menschen übergehen. Sie entsteht durch Krankheitserreger, die über kontamilierte Nahrungsmittel  (s. o.) oral aufgenommen werden. Da sie über Tiere verbreitet wird, gehört sie zu den Zoonosen.

Es sind 6 Biotypen (1A, 1B, 2, 3, 4, 5) und mehr als 70 Serotypen des Keims bekannt. Verschiedene Virulenzmarker, wie YadA ( Yersinien-Adhäsin) oder Yops (Yersinia outer membrane proteins) oder  Yst (Yersinia-stable toxin) bestimmen ihre Pathogenität. (4)Genes (Basel). 2018 May 3;9(5):235. doi: 10.3390/genes9050235. PMID: 29751540; PMCID: PMC5977175. Bestimmte Stämme des Keims bilden über das Ail-Gen ein Membranprotein, welches seine Zellbindung und -invasion fördert; sie sind hochpathogen. (5)Int J Food Microbiol. 2018 Mar 23;269:46-51. doi: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.01.016. Epub 2018 Feb … Continue reading

Die Keime gelangen im unteren Dünndarm, dem terminalen Ileum, in die Schleimhaut und dort insbesondere in die Peyerschen Plaques (Ansammlung von Immunzellen), wo sie sich vermehren. Von dort breiten sie sich in mesenteriale Lymphknoten aus. Diese können so anschwellen, dass sie ein Tumorgeschehen imitieren.

Y. enterocolitica bildet ein Enterotoxin, welches dem von E. coli-Bakterien ähnelt; es ist für den Durchfall (Diarrhö) verantwortlich.

Im Abstand von 1-2 Wochen können sich pathologische (krankhaft fehlgeleitete) Immunreaktionen entwickeln, so eine reaktive Gelenkentzündung (Arthritis) und ein Erythema nodosum. (6)Intern Med. 2017;56(10):1239-1242. doi: 10.2169/internalmedicine.56.7888. Epub 2017 May 15. PMID: … Continue reading

Symptomatik und Verlauf

Die Hauptmanifestation ist mehr oder weniger heftiger Durchfall, bedingt durch eine Kolitis, Enterokolitis und/oder terminalen Ileitis. Sie kann 1-2 Wochen, aber selten auch mehrere Monate dauern.

Differenzialdiagnosen:

Während des Verlaufs einer Yersiniose können unterschiedlich ausgeprägte Symptome entstehen, die verschiedene diagnostische Überlegungen veranlassen:

  • Eine rechtsseitige Unterbauchsymptomatik kann eine Appendizitis vortäuschen (Pseudoappendizitis).
  • Große Lymphknoten (Lymphadenopathie) im Bauchraum (Abdomen) können bei einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) auffallen und zur Differentialdiagnose bösartiger (maligner) Erkrankungen führen.
  • Das endoskopische Bild kann an eine Colitis ulcerosa oder einen Morbus Crohn denken lassen.
  • Gelenkbeschwerden lassen an eine rheumatoide Arthritis denken.
  • Ein Erythema nodosum kann aufreten und an einen Morbus Boeck oder eine chronisch entzündliche Darmkrankheit denken lassen.
  • Eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis), die durch die Yersinien ausgelöst wird, kann zunächst an viele Ursachen denken lassen (siehe hier). Sie macht sich durch Rhythmusstörungen und vorübergehende unspezifische EKG-Veränderungen bemerkbar.
  • Weitere seltene Begleitmanifestationen betreffen eine Harnleiterentzündung (Urethritis), eine Augenbeteiligung mit Konjunktivitits oder Uveitis (Reiter Syndrom) und eine Nierenbeteiligung mít Glomerulonephritis.
  • Pseudoappendizitis: Besonders bei Kindern können die Symptome eines vor allem im rechten Unterbauch gelegenen Schmerzes so ausgeprägt sein, dass sie an eine Entzündung des Wurmfortsatzes und die Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention (Entfernung des Wurmfortsatzes, „Blinddarmoperation“, Appendektomie) denken lassen. (7)Pediatr Surg Int. 2006 Jul;22(7):589-92. DOI: 10.1007/s00383-006-1703-y. Epub 2006 Jun 13. PMID: … Continue reading

Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt über eine Stuhlkultur auf Spezialagar. (8)Food Microbiol. 2020 Dec;92:103593. DOI: 10.1016/j.fm.2020.103593. Epub 2020 Jul 5. PMID: … Continue reading

Ein ELISA-Test (enzyme-linked immunosorbent assay) kann Antikörper gegen das Bakterium im Serum nachweisen. (9)BMC Microbiol. 2017 May 25;17(1):125. doi: 10.1186/s12866-017-1035-1. PMID: 28545413; PMCID: … Continue reading

Therapie

Da die Erkrankung in der Regel selbstlimitierend verläuft, braucht meist kein Antibiotikum verabreicht zu werden.

Antibiotika (Fluochinolone wie Ciprofloxacin oder Delafloxacin (10)Diagn Microbiol Infect Dis. 2020 Dec;98(4):115142. DOI: 10.1016/j.diagmicrobio.2020.115142. Epub … Continue reading, Aminoglykoside oder 3.Generations-Cephalosporine) können bei immungeschwächten und älteren Menschen und bei schwerem oder verlängertem Verlauf erforderlich werden. Resistenzen können auftreten. (11)Int J Med Microbiol. 2010 Nov;300(7):457-63. DOI: 10.1016/j.ijmm.2010.02.003. Epub 2010 May 26. … Continue reading (12)J Dairy Sci. 2015 Feb;98(2):798-803. DOI: 10.3168/jds.2014-8853. Epub 2014 Dec 12. PMID: 25497824. Eine therapiebedingte Diarrhö kann das Krankheitsbild verwischen.

Bakteriophagen zur Vorbeugung

Yersinia-Bakteriophagen können dazu beitragen, Nahrungsmittel frei von Yersinien zu halten. (13)Viruses. 2019 Nov 28;11(12):1105. doi: 10.3390/v11121105. PMID: 31795231; PMCID: PMC6950378. So wurden der Phage ϕ80-18 bereits als ein vielversprechender Kandidat für die Biokontrolle des amerikanischen Biotyps 1B Y. enterocolitica identifiziert. (14)Front Microbiol. 2020 Jun 19;11:1356. DOI: 10.3389/fmicb.2020.01356. PMID: 32636826; PMCID: … Continue reading Der Phage X1 zeigte in einer Untersuchung eine breite Effektivität gegen verschiedene Y. enterocolitica-Stämme und wird als Kandidat einer Infektion in vivo angesehen. (15)Front Microbiol . 2020 Mar 6;11:351. DOI: 10.3389/fmicb.2020.00351 . Ein Cocktail von zwei anderen Phagen wird ebenfalls als wirksam beschrieben. (16)Int J Mol Sci . 2021 Oct 21;22(21):11381. DOI: 10.3390/ijms222111381

Meldepflicht

Der Nachweis einer Infektion mit Yersinia enterocolitica ist meldepflichtig.


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Verweise

 


Autor der Seite ist PD Dr. Konrad Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1Epidemiologisches Bulletin Nr. 6/2012 des RKI
2Enferm Infecc Microbiol Clin. 2012 Jan;30(1):24-32. DOI: 10.1016/j.eimc.2011.07.017. Epub 2011 Oct 22. PMID: 22019131.
3Epidemiologisches Bulletin Nr. 6/2012 des RKI
4Genes (Basel). 2018 May 3;9(5):235. doi: 10.3390/genes9050235. PMID: 29751540; PMCID: PMC5977175.
5Int J Food Microbiol. 2018 Mar 23;269:46-51. doi: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.01.016. Epub 2018 Feb 2. PMID: 29421357.
6Intern Med. 2017;56(10):1239-1242. doi: 10.2169/internalmedicine.56.7888. Epub 2017 May 15. PMID: 28502944; PMCID: PMC5491824.
7Pediatr Surg Int. 2006 Jul;22(7):589-92. DOI: 10.1007/s00383-006-1703-y. Epub 2006 Jun 13. PMID: 16770604.
8Food Microbiol. 2020 Dec;92:103593. DOI: 10.1016/j.fm.2020.103593. Epub 2020 Jul 5. PMID: 32950135.
9BMC Microbiol. 2017 May 25;17(1):125. doi: 10.1186/s12866-017-1035-1. PMID: 28545413; PMCID: PMC5445397.
10Diagn Microbiol Infect Dis. 2020 Dec;98(4):115142. DOI: 10.1016/j.diagmicrobio.2020.115142. Epub 2020 Jul 17. PMID: 32889419.
11Int J Med Microbiol. 2010 Nov;300(7):457-63. DOI: 10.1016/j.ijmm.2010.02.003. Epub 2010 May 26. PMID: 20510648.
12J Dairy Sci. 2015 Feb;98(2):798-803. DOI: 10.3168/jds.2014-8853. Epub 2014 Dec 12. PMID: 25497824.
13Viruses. 2019 Nov 28;11(12):1105. doi: 10.3390/v11121105. PMID: 31795231; PMCID: PMC6950378.
14Front Microbiol. 2020 Jun 19;11:1356. DOI: 10.3389/fmicb.2020.01356. PMID: 32636826; PMCID: PMC7316996.
15Front Microbiol . 2020 Mar 6;11:351. DOI: 10.3389/fmicb.2020.00351 .
16Int J Mol Sci . 2021 Oct 21;22(21):11381. DOI: 10.3390/ijms222111381