Metastasen

Artikel aktualisiert am 14. November 2023

Metastasen sind Tochtergeschwülste eines primären bösartigen Tumors. Sie entstehen durch Verbreitung einzelner Krebszellen, die sich aus dem Verbund des „Primärtumors“ gelöst und sich über das Lymphsystem und/oder die Blutbahn in den Körper ausgebreitet haben. Sie können prinzipiell in allen Organen und Geweben entstehen. Tochtergeschwülste können wiederum Tumorzellen entlassen, die an weiteren Orten zu Metastasen führen, die manchmal als „Enkelgeschwülste“ bezeichnet werden. Solche Metastasen werden als „Fernmetastasen“ zusammengefasst.


Entstehung

Die Bildung von Tochtergeschwülsten eines Primärtumors lässt sich in verschiedene Teilschritte gliedern. Dies hat für die Tumorsuche wie für die Behandlung Konsequenzen.

  • Tumorzellen lösen sich aus dem Zellverbund des Primärtumors.
  • Sie beginnen zu wandern bzw. sich auszubreiten.
  • Sie gelangen in ein Gefäßsystem (Blutgefäße und/oder Lymphgefäße).
  • Sie siedeln sich an einem anderen Ort im Körper ab.
  • Sie beginnen dort, sich zu teilen und einen Zweittumor, eine Metastase, zu bilden.
Multiple Lebermetastasen
Multiple Leberherde im Computertomogramm.

Nachweis

Metastasen werden i.d.R. durch bildgebende Verfahren gesucht und gefunden.

Metastasierung

Lymphogene Aussaat: Der erste Absiedlungsort bei lymphogener Aussaat eines Primärtumors ist in der Regel der erste Lymphknoten; beim Mammakarzinom ist es der „Wächterlymphknoten“; beim Dickdarmkarzinom sind es die ersten Lymphknoten im Mesenterium (Gekröse des Darms).

Hämatogene Aussaat: Bei hämatogener Aussaat kommen die ersten Metastasen oft dort zustande, wo sich die nächste Verjüngung der Blutgefäße zu Kapillaren oder Sinusoiden befindet.

Absiedlung und Gewebsaffinität: Die Absiedlung der „auf Reise“ gegangenen Krebszellen in anderen Organen und Geweben ist eine wesentliche Vorbedingung dafür, dass sie Ausgangspunkt einer Metastasenbildung werden können. Zur Entstehung von soliden Metastasen scheint eine besondere Affinität von bestimmten Krebszellarten zu bestimmten Organen oder Geweben zu bestehen. So siedeln sich viele Tumore vorzugsweise in den Lungen, der Leber und/oder den Knochen ab und seltener in der Haut oder den Nieren. Andere Tumorzellen siedeln sich auch in Gehirn oder Nebennieren ab, andere vorzugsweise im Knochen bzw. Knochenmark. Für manche Tumore gibt es typische Metastasierungsmuster.

Entstehung aus Schläferzellen

Metastasen können aus Schläferzellen entstehen, die aus dem Ursprungstumor ausgeschwärmt sind und sich in anderen Organen eingenistet haben. Sie können offenbar durch eine anhaltende Entzündung erweckt werden. Man kennt jetzt die Zellen, Enzyme und Signalwege, die daran beteiligt sind. Das hat zu einem neuen Therapiekonzept geführt: Durch Antikörper (gegen „NET-remodelliertes Laminin“) lässt sich im Tierversuch das Erwachen solcher schlafenden Tumorzellen verhindern. (1)Science. 2018 Sep 28;361(6409). pii: eaao4227. doi: 10.1126/science.aao4227.

Ausbreitung von Metastasen im Schlaf

Brustkrebs metastasiert während des Schlafs. Die Dynamik der im Blut zirkulierenden Tumorzellen (CTC) wird durch die Schlüsselenzyme des zirkadianen Rhythmus (Melatonin, Testosteron, Glukokortikoide) bestimmt. Einzelzellanalysen der CTCs zeigen eine Hochregulation mitotischer Gene ausschließlich während der nächtlichen Ruhephase, nicht dagegen während der aktiven Tagphase. (2)Nature . 2022 Jul;607(7917):156-162. doi: 10.1038/s41586-022-04875-y.

Förderung der Ausbreitung über extrazelluläre Vesikel

Extrazelluläre Vesikel (EVs: Mikrovesikel, die von Zellen ausgeschleust werden und der Zell-Zell-Kommunikation dienen) sind als Träger von speziellen Informationsmolekülen (inkl. RNA) identifiziert worden. Zellen eines Adenokarzinoms der Lungen beispielsweise tragen über ins Blut abgegebene EVs dazu bei, das Anwachsen von Metastasen in der Leber zu unterstützen, indem sie die Mikroumgebung dort verändern (Anregung von HGF, hepatocyte growth factor). (3)iScience. 2022 Feb 24;25(3):103984. DOI: 10.1016/j.isci.2022.103984.

Lebermetastasen

Die Leber ist der erste Ort von Organmetastasen für Tumore des Magendarmtrakts (Magenkarzinom, Dickdarmkarzinom), der Gallenwege (Gallengangskarzinom, Gallenblasenkarzinom) und der Bauchspeicheldrüse (Pankreaskarzinom) (dazu siehe hier). Diese Tumore besiedeln die Leber über die Pfortader oder die Lymphverbindungen. Aber über die Arterie können auch Primärtumore aus anderen Körperregionen in der Leber Tochtergeschwülste absiedeln, so vor allem das nicht kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC).

Lungenmetastasen

Die Lunge ist erster Absiedlungsort viele Tumore, die nicht im Einzugsgebiet der Pfortader liegen; so beispielsweise für das obere Magenkarzinom (Cardiakarzinom), den Speiseröhrenkrebs (Osophaguskarzinom) oder das Schilddrüsenkarzinom. Hier siedeln sich jedoch auch Tumore ab, die von Lebertumoren stammen, seien es primäre Lebertumore, wie das hepatozelluläre Karzinom (HCC) oder das intrahepatische Gallenwegskarzinom, oder Lebermetastasen. Liegen bei einem Dickdarmkrebs Lebermetastasen vor und entwickeln sich bösartig erscheinende Lungenherde, so handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Fernmetastasen desselben Tumors.

Knochenmetastasen

Knochentumore sind bei Erwachsenen i.d.R. durch Metastasen eines bösartigen Tumors bedingt. Häufigste Ursachen sind das Prostatakarzinom, das Magenkarzinom und das multiple Myelom.

Agressivität

Je früher und vielfältiger ein Tumor metastasiert, desto aggressiver ist er. Die Zahl der im peripheren Blut nachweisbaren zirkulierenden Tumorzellen ist ein Hinweis auf die Aggressivität des Tumors (siehe hier).

Verweise

Literatur

Literatur
1Science. 2018 Sep 28;361(6409). pii: eaao4227. doi: 10.1126/science.aao4227.
2Nature . 2022 Jul;607(7917):156-162. doi: 10.1038/s41586-022-04875-y.
3iScience. 2022 Feb 24;25(3):103984. DOI: 10.1016/j.isci.2022.103984.