Ärztliche Hilfe in Darfur 01

Artikel aktualisiert am 10. Februar 2019

Ausschnitt aus Berichten von Dr. Dieter Stracke über seine
Erfahrungen im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit in Darfur 2005/6.
Die politischen Gegebenheiten haben sich seither erheblich geändert.

 


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Teil 1

Mail vom 19.11.2005

Darfur ist in sofern ein Krisengebiet, als es seit langen Jahren von Khartoum vernachlässigt wird, seit 2002 mit heftigster Aggression gegen bestimmte Teile der Bevölkerung. Das ist nicht nur Araber gegen Afrikaner, das sind auch Farmer gegen Nomaden, Moslems gegen Christen, traditionelles Recht und Rechtsprechung gegen Sharia und gegen neues Recht, Ökonomie gegen Armut (in Darfur sind Ölfelder entdeckt worden!!). Also viele sind beteiligt, auch sog. zivilisierte Länder, die Bevölkerung trägt die Konsequenzen. Dazu gehören interne Vertreibungen durch Regierungstruppen und Paramilitärs, „djandjawish“, mit vielen IDP = internally displaced persons – Camps, die teilweise schon seit Jahren bestehen. UNICEF und UNHCR kümmern sich wenig um diese Camps, da es keine Flüchtlinge im Sinn der Genfer Convention sind, und da sie sich keiner Gefahr aussetzen. Selbst die Verteilung der üppigen Nahrungsmittel unterbleibt oft. Diese sind noch nötig, obwohl sich die Lage langsam entspannt, da die letzte Ernte ganz gut war.

Unser Projekt ist in Muhajariya, von der Verwaltungsstadt Nyala eigentlich nur 40 – 50 km entfernt. Allerdings wird Muha von der SLA = Sudan liberation army kontrolliert. D.h. der Zugang ist nur über eine recht lange Route durch die sehr dürre Savanne, sehr sandig, wenige Baobab Bäume, viele verlassene Dörfer, Menschen zu Fuß. Das braucht 2 Tage, da nur zwischen 08:00 und 16:00 gefahren werden kann aus Sicherheitsgründen, mit 2 Toyota Landcruisern, Dauerfunkkontakt untereinander und mit den beteiligten Projekten und dem HoM = Head of mission in Nyala.

Hier ist es ruhig, die Rebellen achten … sehr hoch an und die Bevölkerung ist extrem freundlich. … (Ein) altes Regierungshospital mit etwas über 50 Betten in sehr heruntergekommenen Gebäuden, und einem sog OT = Operating theatre, das aus einem großen Raum mit offenen Fenstern besteht, 2 hochgebockten Untersuchungsbetten als Op. und Verbandstische, einziger Luxus ein Spotlight zur besseren Beleuchtung. Kein Röntgen, kein Labor, kein Sono, keine Endoskopie, kein Respirator, kein Sauerstoff. Nur die Augen, die Hände, die Nase und ein Stethoskop.

Meine ersten beiden aktiven Tage: Ein komplett offener Bauch mit Sepsis und offenem Uterus 10 Tage nach septischem Kaiserschnitt, die Frau starb kurz nach der Revision (Anämie und Kachexie). Ein vergammelter perityphl. Abszess, 2 totgeborene Zwillinge, da im Dorf der Nabelschnurvorfall nicht beachtet wurde, 4 Patienten mit Schussverletzungen als Inpatients, davon ein Junge mit penetrierender Augenverletzung, dem wir noch das Auge entfernen müssen, ein junger Mann mit Querschnitt nach Wirbelsäulen-Schussverletzung, gestern eine Aufnahme mit Sturz vom LKW und zervikalem Querschnitt (wie weiter … ohne Extension, ohne Drehbett??).

Und doch sind die Menschen zufrieden, der lokale staff ist extrem lernbegierig und kooperativ. Wir leben in einem … Kraal in richtigen Rundhütten, sind über Sat-Telefon und Funk erreichbar, haben Notebooks und gutes Essen und werden gut versorgt. Während ich das hier schreibe, sitzt der Rest des Teams unter einem strahlenden Sternenhimmel und schaut
sich den DVD Film „Der Engl. Patient“ an. Das ist der PC = Project Coordinator (brit), der Log = Logistician (brit), die Medics – eine Ärztin (brit), eine Krankenschwester (holl.), eine WatSan = Water and Sanitation (österr.). Außerdem eine Nutritionist (brit./Zanbia) auf Durchreise, d.h. temporär. Eigentlich müssten wir mehr sein, doch es fehlen Leute und
wahrscheinlich auch Geld.

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