Schlafapnoe-Syndrom

Artikel aktualisiert am 23. September 2022

Das Schlafapnoe-Syndrom (engl.: sleep apnea) ist durch eine Neigung zu Atemstillständen während des Schlafs charakterisiert. Es ist oft (nicht immer!) mit starkem Übergewicht und hohem Blutdruck verbunden. Die Folgen können vielfältig und auch lebensbedrohlich sein. Meist treten schon in einem frühen Stadium nächtliches Schnarchen und am Tage Unausgeschlafenheit und Konzentrationsverlust auf. Das Risiko für Unfälle im Straßenverkehr, Herzinfarkt und Schlaganfall ist erhöht. Die Behandlung des Schlafapnoe-Syndroms beruht auf mehreren Maßnahmen. Zu den wichtigsten gehören Gewichtsabnahme, Seitenlage beim Schlaf und Atemhilfe mit CPAP-Maske während des Schlafs. (1)Obes Rev. 2008 Jul;9(4):340-54. doi: 10.1111/j.1467-789X.2008.00478.x.  (2)Respiration. 2007;74(5):517-24. doi: 10.1159/000097790


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Definition

Schlafapnoe bedeutet Atemaussetzer (Apnoe) während des Schlafs. Wenn im Schlaf durchschnittlich mindestens 10 Atemaussetzer von mindestens 10 Sekunden Dauer auftreten, wird von einem Schlafapnoe-Syndrom gesprochen. Es beinhaltet die Krankheitszeichen, die durch die Apnoe zustande kommen. Eine andere Definition beinhaltet 5 oder mehr Episoden pro Stunde verbunden mit einer Müdigkeit am Tage. (3)Obes Rev. 2008 Jul;9(4):340-54. doi: 10.1111/j.1467-789X.2008.00478.x.

Formen des Schlafapnoesyndroms

Es werden 2 Formen unterschieden:

  • das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), oft nur als obstruktive Schlafapnoe (OSA) bezeichnet, und
  • das zentrale Schlafapnoe-Syndrom, das viel seltener ist und mit dem OSAS überlappen kann.

Entstehung und Folgen

Beim Schlafapnoe-Syndrom kommen verschiedene Ursachen zum Tragen. Am weitaus häufigsten ist eine vorübergehende oder ständige Verengung bzw. Verlegung der Atemwege während des Schlafs, die sog. obstruktive Schlafapnoe. Deutlich seltener liegt die Ursache in einer zentralen Fehlregulation des Atemzentrums im Gehirn. (4)Proc Am Thorac Soc. 2008 Feb;5(2):200-6  (5)Indian J Dent Res. 2009 Oct-Dec;20(4):487-91. doi: 10.4103/0970-9290.59457.

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom betrifft um 25% der Männer mittleren Alters. (6)N Engl J Med. 1993 Apr 29; 328(17):1230-5. Sie führt zu einer nächtlichen intermittierenden Sauerstoffuntersättigung (Hypoxie) und einer Unterbrechung des Schlafs (Schlaffragmentierung). Die Sauerstoffuntersättigung führt zu Atemantrieb, Angst, Sympathikusreizung und darüber zu einem erhöhten Risiko von Herzkomplikationen und einer erhöhten Mortalität. (7)Chron Respir Dis. 2018 May;15(2):157-164. DOI: 10.1177/1479972317740127. Epub 2017 Nov 8. PMID: … Continue reading

Einengung der oberen Atemwege: Die Entstehung eines Atemstillstands beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom hängt wesentlich mit der Erschlaffung der Muskulatur um die oberen Atemwege zusammen. Besonders in Rückenlage kommt es dadurch zum Zurücksinken des Zungengrundes, was sich durch Schnarchen mit Atempausen bemerkbar macht. Der weiche Gaumen und die Zunge sinken durch den inspiratorischen Unterdruck weiter zurück, so dass ein ventilartiger Verschluss zustande kommt. Offenbar hat der Raum hinter dem weichen Gaumen eine besondere Bedeutung; er ist bei Schlafapnoe-Patienten und besonders bei den Therapieversagern besonders lang. (8)Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2009 Feb;135(2):168-72

Abwehr des Atemstillstands: Durch die unterbrochene Ventilation kommt es zu vermindertem Gasaustausch in den Lungen; die Konzentration von CO2 steigt im Blut an und die von O2 fällt ab (Hyperkapnie und Hypoxämie). Die Hypoxämie führt zu einer Sympathikusaktivierung als Stressreaktion mit Puls- und Blutdruckanstieg. Diese lebenserhaltenden Weckreaktionen können unterbewusst ablaufen, so dass sie morgens nicht erinnerlich sind.

Schlaf: Im EEG und der Aufzeichnung der Augenbewegungen lässt sich eine Störung der Schlafarchitektur mit Abnahme des REM-Schlafs (Phase des rapid eye moving) erkennen, was zu Unausgeschlafenheit und Gereiztheit am Tage führt.

Prädisponierende Faktoren:

  • Bei Kindern können vergrößerte Rachenmandeln zu Atemstillständen dieser Art prädestinieren.
  • Bei Erwachsenen sind es Alkohol und Medikamente, die den muskulären Tonus an der Zunge, im Rachen, am Gaumen und am Kehlkopf herabsetzen können.
  • Schlafmittel und Alkohol können die Symptomatik erheblich verstärken.
  • Rauchen schädigt die Atemwege und verschlimmert die Auswirkungen des Schlafapnoe-Syndroms.

Auswirkungen, Risiken:

Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für

  • eine periphere Insulinresistenz (9)Am J Respir Crit Care Med. 2002 Mar 1;165(5):670-6  und einen Diabetes mellitus Typ II (10)Am J Med. 2009 Dec;122(12):1122-7 unabhängig von anderen Risikofaktoren.
  • Tod durch einen Schlaganfall. (11)N Engl J Med. 2005 Nov 10;353(19):2034-41 (12)Arch Intern Med. 2008 Feb 11;168(3):297-301

Folgende Zusammenhänge sind charakteristisch für das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom:

  • Gefährdet sind insbesondere Übergewichtige (siehe auch unter Pickwick-Syndrom).
  • Es besteht eine Korrelation mit dem Alter.
  • Die Anfälle von Sauerstoffmangel während des Schlafs durch Schlafapnoe bedingen ein erhöhtes Risiko Herzkreislaufkomplikationen inklusive einer Prädisposition zu Hypertonie, Herzinfarkt und Schlaganfall. Es kommt zu einem erhöhten Stressreaktion (Sympatikus, Adrenalin, Noradrenalin) und zu peripherer Vasokonstriktion (Verengung von Blutgefäßen).
  • Durch das Schlafapnoe-Syndrom kann eine pulmonale Hypertonie (Bluthochdruck im Lungenkreislauf) hervorgerufen werden.
  • Sauerstoffmangel in der Lunge kann über Endothelin (ein vasoaktives Peptid, das kleine Blutgefäße verengt) zu einer pulmonalen Hypertonie und Rechtsherzinsuffizienz führen.
    • Erhöhte Entzündungsbereitschaft: Nach Deoxigenierungsphasen kommt es zu Reoxigenierungen; die starken Oxigenierungsschwankungen sollen zu verstärkter Bildung von Sauerstoffradikalen und mitochondrialer Dysfunktion und letztlich zu einer erhöhten Entzündungsbereitschaft führen.
    • Erhöhte Krampfbereitschaft: Hypoxämien (Phasen von Sauerstoffuntersättigungen) können zu vermehrter zerebraler Krampfbereitschaft führen.
    • Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz: Hypoxämien sind mit Herzrhythmusstörungen assoziiert; auch besteht eine Assoziation zu Koronarsklerose und Herzinsuffizienz mit diastolischer Dysfunktion. (13)Sleep Med. 2021 Jan;77:58-65. DOI: 10.1016/j.sleep.2020.10.024. Epub 2020 Nov 5. PMID: 33310689; … Continue reading Auch werden in einer großen Studie im Kardio-MRT deutlich vermehrt Narben im Herzmuskel festgestellt, die meist zuvor klinisch nicht erkannt worden waren. (14)J Clin Sleep Med. 2020 Jun 15;16(6):855-862. DOI: 10.5664/jcsm.8340. PMID: 32029066; PMCID: … Continue reading

Zentrales Schlafapnoe-Syndrom

Beim zentralen Schlafapnoe-Syndrom ist die Aktivität des Atemzentrums im Stammhirn unzureichend. Meist scheint eine familiäre (genetische) Anlage zugrunde zu liegen; allerdings ist auch an eine Erkrankung des Stammhirns zu denken, so z. B. an eine Myelitis im Rahmen einer Neuroborreliose (Bannwarth-Syndrom). Zur Klärung einer Schwäche des zentralen Atemantriebs wird im Schlaflabor (über Polysomnographie) die Aktivität der Atemmuskulatur aufgezeichnet, die bei der obstruktiven Schlafapnoe stark und bei der zentralen Apnoe schwach ist oder phasenweise fehlt.

Symptomatik

Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom ist Schnarchen und die durch einen Beobachter gut bemerkbare und dramatisch anmutende Stockung des Luftstroms beim Einatmen das beeindruckendste Symptom. Oft wird gleich erkennbar, dass die Wenn eine Behinderung der Atmung vorliegt, die, wie meistens, durch den zurück gesunkenen Kiefer und die Zunge zustande kommt, kann dies im Schlaflabor einfach erkannt werden. Ein zentral verminderter Atemantrieb wird durch Aufzeichnungen der Muskeltätigkeit und -innervation während der Polysomnographie erkennbar.

Am Tage ist der Schlafapnoe-Patient unausgeschlafen und neigt zu Sekundenschläfchen oder gar kurzen Einschlafphasen (Pickwick-Syndrom), die ihn verkehrsuntauglich machen können.

Diagnostik

Unausgeschlafene Schnarcher sollten auf ein Schlafapnoe-Syndrom hin untersucht werden. Dazu gehören:

  • eine Evaluation im Schlaflabor durch Polysomnographie: Kontrolle von Atmung (Thoraxbewegung), Puls, Blutdruck, EKG, EEG, Augenbewegungen, O2-Gehalt des Bluts (Pulsoximetrie), Muskeltonus der Kinnmuskulatur / Beinmuskulatur etc., Videoüberwachung,
  • eine ausführliche Medikamenten- und Suchtmittelanamnese (Schlafmittel? Opiate? Drogen?)
  • Untersuchungen
    • des Herzens (z. B. Rechtsherzbelastung? Herzinsuffizienz?), das hochsensitive kardiale Troponin kann ein Marker für den Schweregrad darstellen, (15)Chron Respir Dis. 2018 May;15(2):157-164. doi: 10.1177/1479972317740127. Epub 2017 Nov 8. PMID: … Continue reading
    • der Lunge (z. B. pulmonale Hypertonie?),
    • des Kreislaufs (Hypertonie?),
    • der zum Gehirn ziehenden Arterien (Carotisstenosen?) durch Duplexsonographie.

Therapie

Die Behandlung sollte gleichzeitig an verschiedenen Punkten angreifen.

  • Beseitigung oder Minimierung aller Faktoren, die eine Schlafapnoe fördern können: so z. B. kein Alkohol, keine Drogen, keine zerebralen Aufputschmittel (können nach abklingender Wirkung zu verstärktem Absinken des Muskeltonus führen), keine Schlafmittel, kein Nikotin!
  • Schlafhygiene: regelmäßiger Schlafrhythmus,
  • Seitenlage beim Schlaf (Vermeidung des Zurücksinkens von Kiefer und Zunge in Rückenlage),
  • ggf. operative Behebung von Fehlbildungen im Gaumen,
  • CPAP-Maske: sie bewirkt durch leichten Überdruck am Ende der Ausatemphase, dass die Atemwege für die Einatmung offen bleiben. Eine CPAP-Therapie reduziert wirksam das Risiko für einen Tod durch Schlaganfall (16)Am J Respir Crit Care Med. 2009 Jul 1;180(1):36-41
  • Ein den Kiefer vorziehendes Gerät (mandibular protuding device) erweitert sehr effektiv den Atemraum hinter dem weichen Gaumen und führt zu einer Abnahme des Schnarchens und der Schlafapnoe-Phasen (17)Swed Dent J Suppl. 2003;(163):1-49 sowie einer Verbesserung der Schlafarchitektur (18)Sleep. 2000 Jun 15;23 Suppl 4:S166-71. Diese Methode kann bei Patienten in Frage kommen, die die nasale CPAP-Therapie (nCPAP) nicht tolerieren (19)Swed Dent J. 2001;25(1):39-51. Bissschienen und Zungenretainer haben jedoch wohl eine unzuverlässige Wirkung.
  • Operationen (z. B. Nasenscheidewand, Tonsillen) jeweils nur nach individueller Nutzenanalyse,
  • Gewichtsabnahme bei Adipositas. Liraglutid bessert die Stoffwechselparameter bei starkem Übergewicht, senkt das Körpergewicht und führt zu einer Reduktion der Schlaf-Apnoe-Anfälle (siehe hier). Schlaf-Apnoe kann bei therapieresistentem Übergewicht auch eine Indikation für eine gewichtsreduzierende Operation darstellen.
  • Medikamente wie Modafinil und Armodafinil verbessern den Schlaf bei Patienten mit nächtlicher CPAP-Therapie. (20)Dopp JM, Morgan BJ. Sleep Breath. 2010 Dec;14(4):307-15. doi: 10.1007/s11325-010-0383-y. Epub 2010 … Continue reading
  • Therapie der Komplikationen (Herzrhythmusstörungen, Hypertonie etc.)

Splafapnoe bei Kindern

Bis zu 5% der Kinder zwischen 2 und 8 Jahren leiden an Schlafapnoe. Begleitumstände sind Stoffwechselkrankheiten, Herz-Kreislaufkrankheiten und neurokognitive Defizite.

Die Diagnose wird klinisch gestellt und durch Polysomnographie untermauert.

Wenn eine obstruktive Komponente vorliegt (asthmatisch, bronchialobstruktiv), sollte eine Erkrankung im Nasenrachenraum gesucht und behandelt werden werden (Adenoide, Polypen, allergische oder nichtallergische Rhinitis, chronische Sinusitis). (21) 2016 Sep-Oct;4(5):852-61. doi: 10.1016/j.jaip.2016.02.022. (22)Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):357-365. doi: 10.1007/s00431-019-03557-8. Epub 2020 Jan 15. PMID: … Continue reading


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Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 


Literatur

Literatur
1Obes Rev. 2008 Jul;9(4):340-54. doi: 10.1111/j.1467-789X.2008.00478.x.
2Respiration. 2007;74(5):517-24. doi: 10.1159/000097790
3Obes Rev. 2008 Jul;9(4):340-54. doi: 10.1111/j.1467-789X.2008.00478.x.
4Proc Am Thorac Soc. 2008 Feb;5(2):200-6
5Indian J Dent Res. 2009 Oct-Dec;20(4):487-91. doi: 10.4103/0970-9290.59457.
6N Engl J Med. 1993 Apr 29; 328(17):1230-5.
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8Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2009 Feb;135(2):168-72
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10Am J Med. 2009 Dec;122(12):1122-7
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13Sleep Med. 2021 Jan;77:58-65. DOI: 10.1016/j.sleep.2020.10.024. Epub 2020 Nov 5. PMID: 33310689; PMCID: PMC7887081.
14J Clin Sleep Med. 2020 Jun 15;16(6):855-862. DOI: 10.5664/jcsm.8340. PMID: 32029066; PMCID: PMC7849673.
15Chron Respir Dis. 2018 May;15(2):157-164. doi: 10.1177/1479972317740127. Epub 2017 Nov 8. PMID: 29117795; PMCID: PMC5958472.
16Am J Respir Crit Care Med. 2009 Jul 1;180(1):36-41
17Swed Dent J Suppl. 2003;(163):1-49
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21 2016 Sep-Oct;4(5):852-61. doi: 10.1016/j.jaip.2016.02.022.
22Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):357-365. doi: 10.1007/s00431-019-03557-8. Epub 2020 Jan 15. PMID: 31940071.