Medikamentenstoffwechsel

Artikel aktualisiert am 4. Oktober 2023

Die Wirkung von Medikamenten hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise von ihrer Resorption im Darm (oder über die Haut oder Schleimhäute), ihrem Transport an den Wirkort, ihrer Affinität zu Rezeptoren und Enzymen, ihrem Stoffwechsel (Biotransformation) und ihrer Ausscheidung. Das zentrale Organ für den Medikamentenstoffwechsel ist die Leber mit ihrem Cytochrom P450-System. Die Kenntnis der Substrate einzelner Cytochrom P450-Enzyme ist von Bedeutung zum Verständnis möglicher Wechselwirkungen.


Allgemeines

Die Wirkung von Medikamenten hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere von ihrer Löslichkeit, ihrer Resorption im Darm oder über die Haut sowie ihrem Transport im Blut und durch Zellmembranen und ihrer Ausscheidung über die Leber, den Darm und die Nieren.

Von besonderem klinischem Interesse sind Arzneimittel‐Arzneimittel‐Wechselwirkungen und epigenetische und genetische Einflüsse auf den Stoffwechsel. Ihre Kenntnis ist unabdingbar, wenn es um die klinische Einschätzung der Medikamentenwirkung bei der Behandlung von Krankheiten im individuellen Fall geht. (1)Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2022 Nov;131(5):311-324. doi: 10.1111/bcpt.13780.

Eine Ausschlag gebende Rolle spielen

  • genetische Polymorphismen Arzneimittel metabolisierender Enzyme, wie vor allem
    • von Cytochrom P450 (CYP)2D6, CYP2C9 und CYP2C19, oder
    • von Arzneimitteltransportern, wie von P-gp, BCRP und OATP1B1/3,
  • intrinsische Faktoren, z. B. Geschlecht und Entzündung, sowie
  • extrinsische Faktoren, z. B. Ernährung und chemische Belastung aus der Umwelt.

Computerbasierte Programme sollen helfen, die möglichen Wechselwirkungen vorherzusagen (s. u.).


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Das Cytochrom P450-System

Cytochrom P450 ist ein System mitochondrialer Enzyme in der Leber, das bei Entgiftungsfunktionen des Körpers eine zentrale Rolle spielt. Es bestimmt in vielen Fällen die Wirksamkeit von Medikamenten.

Genetischer Polymorphismus

Viele Cytochrome, die für den Medikamentenstoffwechsel wichtig sind, entfalten eine große genetische Variabilität. Manche Mutationen führen zu stärker aktiven, manche zu schwächer aktiven, manche zu funktionslosen Varianten. Offenbar birgt eine verminderte CYP2D6-Aktivität ein erhöhten Risiko für kardiotoxische Wirkung von trizyklischen Antidepressiva und für Rhythmusstörungen bei der Behandlung mit Antiarrhythmika.

Cytochrome und Arzneimittelstoffwechsel

Unter den Cytochromen gibt es einige, die eine besondere Bedeutung für den Metabolismus der Arzneimittel besitzen:

CYP1A2

Cytochrom P450 1A2 ist beteiligt am Metabolismus folgender Medikamente: Amitryptilin, Phenacetin, Paracetamol, Koffein, Theophyllin, Imipramin, Clocapin, Haloperidol, Propranolol

CYP2B6

Cyclophosphamid, Clopidogrel

CYP3A4

Cytochrom P450 3A4 ist beteiligt am Metabolismus folgender Medikamente: Carbamacepin, Rifampicin, Erythromycin, Claritromycin, Ketoconazol, Itraconazol, Midazolam, Verapamil, Diltiazem, Amlodipin, Nifedepin, Cortisol, Cyclosporin A, Tacrolimus, HIV-antivirale Substanzen, Atorvastatin, Fentanyl, Inrinotecan, Vincristin, Lidocain, Nateglinide, Cyclophosphamid, Erythromycin

CYP2C8

Verapamil, Paclitaxel

CYP2C9

Cytochrom P450 2C9 ist beteiligt am Metabolismus folgender Medikamente: Tolbutamid, Glimepirid, Glibenclamid, Nateglinid, Rosiglitazon, Phenytoin, Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Celecoxib, Cumarinderivate, Warfarin, Torasemid, Sulfamethoxazol, Fluvastatin, Tamoxifen, Lorsatan, Irbesartan

CYP2C19

Cytochrom P450 2C19 ist beteiligt am Metabolismus folgender Medikamente: Amitryptilin, Phenobarbital, Phenytoin, Omeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol, Rabeprazol, Cyclophosphamid, Imipramin, Citalopram, Diazepam, Propranolol, Diazepam, Proguanil

CYP2D6

Cytochrom P450 2D6 ist beteiligt am Metabolismus folgender Medikamente: Ajmalin, Flecainid, Mexelitin, Propafenon, Amitryptilin, Clomipramin, Desipramin, Paroxetin, Imipramin, Urapidil, Propranolol, Metoprolol, Carvedilol, Alprenolol, Timolol, Haloperidol, Chlorpromacin, Risperidon, Codein, Oxycodon, Tramadol, Amphetamine, Lidocain

CYP2E1

Cytochrom P450 2E1 ist beteiligt am Metabolismus folgender Fremdstoffe und Medikamente: Chloroform, Äthanol („Alkohol„), Acetaminophen, Halotan, Aceton, verschiedene Karzinogene

Beeinflussung der Cytochromaktivität

Die meisten der Substrate desselben Cytochrom-Enzyms hemmen den Metabolismus der anderen. Es gibt jedoch besondere Hemmer und Induktoren und eine Vielzahl von genetischen Polymorphismen, die individuelle Vorhersagen erschweren.

Cytochrom-Induktion

Manche Arzneimittel führen zu einer Enzyminduktion. Dazu gehören

Durch Induktion können die jeweiligen anderen Substrate (Medikamente) beschleunigt abgebaut werden, so dass ihre Wirkungen geringer ausfallen können.

Cytochrom-Hemmung

Johanniskraut hemmt Cyp3A4, so dass seine Substrate verlangsamt abgebaut werden und damit vielfach unbeabsichtigt und unvorhersehbar verlängert wirken.

Vorhersage von Arzneimittelwechselwirkungen

Die Möglichkeiten einer Interaktion von Medikamenten (Medikamentenwechselwirkung) ist inzwischen unüberschaubar groß. Daher werden intelligente Programme (basierend auf maschinellem Lernen) entwickelt, die bei der Medikamentenauswahl helfen sollen. Durch sie soll eine Vorhersage von Arzneimittelinteraktionen möglich werden. (2)Front Pharmacol. 2022 Jan 28;12:814858. DOI: 10.3389/fphar.2021.814858 (3)Bioinform Adv. 2023 Aug 16;3(1):vbad110. DOI: 10.1093/bioadv/vbad110


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Verweise

Folgende Seite gibt eine differenzierte Zusammenstellung von Arzneimittelinteraktionen (ohne Gewähr):

Verweis auf Medikamente und Leberkrankheiten:

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2022 Nov;131(5):311-324. doi: 10.1111/bcpt.13780.
2Front Pharmacol. 2022 Jan 28;12:814858. DOI: 10.3389/fphar.2021.814858
3Bioinform Adv. 2023 Aug 16;3(1):vbad110. DOI: 10.1093/bioadv/vbad110