Kollagenkolitis

Artikel aktualisiert am 27. März 2024

Die Kollagenkolitis ist eine seltene Erkrankung des Dickdarms (Kolon) mit anhaltenden Durchfällen (chronische Diarrhö), die nur durch eine Gewebeprobe sicher genug geklärt werden kann. Sie gehört zusammen mit der lymphozytären Kolitis zu den mikroskopischen Kolitiden. (1)Cureus. 2023 Oct 16;15(10):e47150. DOI: 10.7759/cureus.47150 (2)Elife. 2022 Aug 1;11:e79397. doi: 10.7554/eLife.79397

Mikroskopische Kolitis


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die Kollagenkolitis ist eine seltene Entzündung des Dickdarms (Kolitis). Typischerweise treten schwer behandelbare, chronische Durchfälle auf, wobei das endoskopische Bild normal erscheint. Unter dem Mikroskop (histologisch) lässt sich die Ursache erkennen: eine Narbenschicht in der Schleimhaut. Es handelt sich um eine mikroskopische Kolitis. Eine ähnliche Veränderung im Dünndarm wird als kollagene Sprue bezeichnet, eine ähnliche, sehr seltene im Magen als kollagene Gastritis.

Charakteristisch für die kollagene Kolitis ist es, dass sie

  • zu chronischen Durchfällen führt,
  • ein normales Schleimhautbild in der Darmspiegelung (Koloskopie) aufweist,
  • nur durch eine Gewebeprobe und einer mikroskopischen Untersuchung diagnostiziert werden kann,
  • häufig im Zusammenhang steht mit einer chronischen Gelenkentzündung (cP) auftritt, seltener mit einer Schilddrüsenerkrankung, einer Coeliakie (Sprue) oder einer Zuckerkrankheit (Diabetes),
  • eine Assoziation mit der Einnahme von Rheumamitteln (NSAR) aufweist,
  • bei älteren Menschen milder verläuft und auch gelegentlich spontan aufhört,
  • therapeutisch bei milderem Verlauf auf Loperamid (ein stopfendes Mittel), bei schwererem Verlauf auf lokal wirkende Kortisonpräparate (z. B. Budesonid) häufig gut anspricht.

Die Diagnosestellung beruht auf einer Endoskopie (Spiegelung) mit Entnahme von Biopsien (Gewebeproben). Unter dem Mikroskop wird das beweisende kollagene Band gesucht.

Die Behandlung beruht auf der Vermeidung / Entfernung auslösender Ursachen (z. B. Rauchen, als Auslöser verdächtigte Medikamente) und ggf. auf einer medikamentösen Behandlung mit Wismut oder Budesonid, die häufig sehr wirksam sind.

Diarrhö.


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Geschichte

Die kollagene Kolitis wurde 1976 von Lindström als Krankheitsbild definiert (er berichtete von einer 48jährigen Patientin mit wässriger Diarrhö und kollagenem subepithelialem Band in der Kolonbiopsie) (3)Lindström CG: Pathol Europ 1976; 11: 87-89. Später wurde als weitere Entität eine lymphozytäre Kolitis entdeckt, die ebenfalls nur mikroskopisch zu erkennen ist; beide wurden unter den Oberbegriff mikroskopische Kolitis zusammengefasst. (4)Schwab d et al. Dtsch med Wschr 1998; 123: 1285-1291

Epidemiologie

  • Inzidenz: 1/100 000 pro Jahr
  • Prävalenz: 15/100 000,
  • Geschlechtsverhältnis: Frauen/Männer = 7/1.

Die Kollagenkolitis ist Ursache von > 5 % aller Durchfallerkrankungen. Eine Zusammenstellung von Statistiken gibt eine mittlere jährliche Inzidenzrate von 1,2 auf 100 000 Einwohner an und ein Verhältnis w:m von 4,75:1. (5)Fernandez-Banares F. et al. Am. J. Gastroenterol. 1999; 94: 418-423 Die Inzidenz wird mit 0,6 bis 16,4 Fälle pro 100000 Personenjahre angegeben.

Entstehung

Die Ursache der Kollagenkolitis ist nicht völlig geklärt. Bei genetisch prädisponierten Personen soll eine Störung des Immunsystems sowie Risikofaktoren (wie Zigarettenrauchen) eine Schlüsselrolle spielen. An der Entstehung der Diarrhö ist die Kollagenschicht wohl weniger beteiligt als die Infiltration mit Entzündungszellen und die Freisetzung von Mediatorstoffen.

HLA-Assoziation: Offenbar besteht eine starke Beziehung zwischen dem kollagenen Subtyp und Leukozytenantigen (HLA) 8.1. Drei HLA-Allele (HLA-B∗08:01, HLA-DRB1∗03:01 und HLA-DQB1∗02:01) waren signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine Kollagenkolitis verbunden. (6)Gastroenterology. 2020 Aug;159(2):549-561.e8. Solch eine Assoziation liegt für die lymphozytäre Kolitis nicht vor. (7)Am J Gastroenterol. 2016 Aug;111(8):1211-3

Eine familiäre Häufung und damit eine genetische Prädisposition scheint vorzuliegen. (8)Scand J Gastroenterol 2001; 36: 959-962 Exogene Faktoren scheinen als Auslöser hinzukommen zu müssen.

Rauchen spielt eine Rolle. (9)J Crohns Colitis. 2016 Apr;10(4):449-54. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjv235.

Medikamente, wie NSAIDs, Protonenpumpenhemmer, Ranitidin und Sertralin, werden als mögliche Auslöser angesehen. (10)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.  Lansoprazol ist eher mit einer lymphozytären Kolitis assoziiert. (11)Am J Gastroenterol 2002; 97: 2908-2913

Eine Gallensäure-Malabsorption mit Spill-over in das Kolon ist Ursache einer Durchfallkrankheit und mit einer mikroskopischen Kolitis assoziiert. Ein ursächlicher Zusammenhang wird vermutet (12)Scand J Gastroenterol 2001; 36: 601-609.

Stuhlbestandteile werden immer wieder als Auslöser diskutiert. Im durch ein Ileostoma ausgeschalteten Kolon kam es in einigen Fällen zur Remission. (13)Gastroenterology. 1995 Aug;109(2):449-55. DOI: 10.1016/0016-5085(95)90332-1 (14)World J Gastroenterol. 2015 May 21;21(19):6065-71. DOI: 10.3748/wjg.v21.i19.6065

Bakterien: Campylobacter concisus wurde als Hochrisiko-Auslöser einer mikroskopischen Kolitis indentifiziert (MC-Entwicklung bei 6,2 %). (15)Gut. 2020 Nov;69(11):1952-1958. DOI: 10.1136/gutjnl-2019-319771 (16)Gut Pathog. 2023 Feb 13;15(1):5. doi: 10.1186/s13099-023-00532-5

Autoimmunphänomene scheinen bei der Entstehung einer mikroskopischen Kolitis eine Rolle zu spielen: Bei der Kollagenkolitis wurden in einer Untersuchung in 40% der Fälle eine Autoimmunkrankheit, in manchen Fällen (17/45) eine Nahrungsmittelallergie, auch Fälle von Asthma, Rhinitis und Urtikaria assoziiert gefunden. (17)Ann Med. 2021 Dec;53(1):1279-1284. DOI: 10.1080/07853890.2021.1962965 Eine Assoiation mit dem Sjögren Syndrom (18)Tunis Med. 2013 Jun;91(6):420-1 oder der Sprue (19)Scand J Gastroenterol. 2013 Aug;48(8):944-50 DOI: 10.3109/00365521.2013.805809 sind berichtet worden. Auch eine Assoziation mit Clostridium difficile wurde vermutet. (20)Dig Dis Sci 2000; 45: 998-1001, J Clin Gastroenterol 2003; 36: 285

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Histologischer Befund

Typisch und diagnoseweisend ist ein erbreitertes Kollagenband (> 10 μm) in der Lamina propria des Kolons mit lymphozytären und eosinophilen Infiltrationen bei ansonsten normalem makroskopischen Befund (mikroskopische Kolitis). Die Kollagenkolitis kann aus einer lymphozytären Kolitis entstehen und umgekehrt. Die Breite der Kollagenschicht nimmt in der Regel vom Coecum zum Rektum ab. Das Rektum kann in seltenen Fällen ausgespart bleiben (daher sollte eine Biopsie aus dem Sigma oder besser aus dem rechten Kolon angestrebt werden).

Diagnostik

Die Diagnostik basiert auf dem klinischen Verdacht (s. o.). Patienten berichten typischerweise, dass sie chronische Durchfälle haben, die auch nachts nicht stoppen, und dass sie kaum beeinflussbar sind.

Eine Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie) ergibt einen makroskopischen Normalbefund. Die Histologie von Stufenbiopsien ist entscheidend: die Wahrscheinlichkeit, im histologischen Schnitt eine verdickte subepitheliale Kollagenschicht erkennen zu können, nimmt vom Coecum zum Rektum hin ab.

Differenzialdiagnosen

Zu den mikroskopischen Kolitiden gehört neben der Kollagenkolitis auch die lymphozytäre Kolitis; auch sie ist eine rein histologische Diagnose. Koloskopie mit PE, Histologie, Immunologie (ANA 30%, pANCA 24%, Anti-Parietalzell-AK 18%, MAK 12%)

Andere Ursachen einer chronischen Diarrhö, die häufiger infrage kommen, sind insbesondere die Colitis ulcerosa und die Nahrungsmittelallergie des Darms.

→ Chronische Diarrhö

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Klinik und Verlauf

Charakteristisch für eine Kollagenkolitis sind chronische, breiige bis wässrig-schleimige Durchfälle (Diarrhö) ohne sonst erkennbare Ursache, die mit den üblichen Medikamenten kaum behandelbar sind. Durchfälle, die nachts aus dem Schlaf aufwachen lassen, sind verdächtig auf eine mikroskopische Kolitis. Eine funktionelle Diarrhö dagegen stört den Schlaf nicht. Allerdings befinden sich unter Patienten, bei denen (wegen unzureichender Anamnese) eine funktionelle Diarrhoe angenommen wird, wahrscheinlich gehäuft solche mit einer Kollagenkolitis. (21)Acta Gastroenterol Belg 2003; &&: 133-136

Ältere Patienten haben eine höhere Spontanremissionsrate und einen milderen Verlauf als jüngere.

Eine NSAR-assoziierte Kolitis zeigt manchmal Charakteristika einer Kollagenkolitis; sie kann nach Absetzen des Medikaments ausheilen.

Assoziierte Krankheiten

Therapie

Die Behandlung richtet sich nach der Häufigkeit der Stühle. Sie beinhaltet eine Verringerung der Risikofaktoren, wie das Aufhören mit dem Rauchen und das Vermeiden von Medikamenten, die vermutlich assoziiert sind, wie NSAIDs, Protonenpumpenhemmer, Ranitidin und Sertralin. (22)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047. (23)Clin Exp Gastroenterol. 2016 Feb 10;9:31-9

  • Die Stuhlfrequenz kann anfangs häufig alleine mit Loperamid reduziert werden. Ältere Menschen mit milderer Symptomatik kommen damit aus.
  • Glukokortikoide, speziell Budesonid (oral) sprechen in bis zu 80% innerhalb von 8 Wochen an (24)Clin Exp Gastroenterol. 2014 Aug 21;7:273-84. Die Relapsgefahr nach Absetzen ist mit 80% hoch. (25)Gut. 2016;65:47–56
  • Wenn zusätzlich ein Gallensäure-Spill-over vorliegt, ist Cholestyramin effektiv. (26)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.
  • Adalimumab war bei einer kollagenen Kolitis, die auf Budesonid und Methotrexat nicht ansprach, in Einzelfällen erfolgreich. Bei zwei Frauen reduzierte sich die Stuhlfrequenz pro Tag von durchschnittlich 11 auf 2. Beide waren in Woche 6 in klinischer Remission. (27)Scand J Gastroenterol. 2012 Jan;47(1):59-63
  • Wenn Anti-TNF-alpha-Wirkstoffe, wie Adalimumab, kontraindiziert sind, kann eine operative Stuhlableitung zur Verbesserung der Kolonschleimhaut führen, was auf einen luminalen Faktor bei der Entstehung schließen lässt. (28)Clin Exp Gastroenterol. 2016 Feb 10;9:31-9. Aber nach dem Verschluss des Stomas treten klinische Symptome und eine abnormale Kollagenschicht erneut auf. (29)Gastroenterology. 1995 Aug;109(2):449-55

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Verweise

Patienteninfos

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Literatur

Literatur
1Cureus. 2023 Oct 16;15(10):e47150. DOI: 10.7759/cureus.47150
2Elife. 2022 Aug 1;11:e79397. doi: 10.7554/eLife.79397
3Lindström CG: Pathol Europ 1976; 11: 87-89
4Schwab d et al. Dtsch med Wschr 1998; 123: 1285-1291
5Fernandez-Banares F. et al. Am. J. Gastroenterol. 1999; 94: 418-423
6Gastroenterology. 2020 Aug;159(2):549-561.e8.
7Am J Gastroenterol. 2016 Aug;111(8):1211-3
8Scand J Gastroenterol 2001; 36: 959-962
9J Crohns Colitis. 2016 Apr;10(4):449-54. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjv235.
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13Gastroenterology. 1995 Aug;109(2):449-55. DOI: 10.1016/0016-5085(95)90332-1
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15Gut. 2020 Nov;69(11):1952-1958. DOI: 10.1136/gutjnl-2019-319771
16Gut Pathog. 2023 Feb 13;15(1):5. doi: 10.1186/s13099-023-00532-5
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19Scand J Gastroenterol. 2013 Aug;48(8):944-50 DOI: 10.3109/00365521.2013.805809
20Dig Dis Sci 2000; 45: 998-1001, J Clin Gastroenterol 2003; 36: 285
21Acta Gastroenterol Belg 2003; &&: 133-136
22Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.
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