Kollagenkolitis

Von Fachärzten geschrieben und wissenschaftlich überprüft.

Die Kollagenkolitis ist eine seltene Erkrankung des Dickdarms (Kolon) mit anhaltenden Durchfällen (chronische Diarrhö), die nur durch eine Gewebeprobe sicher genug geklärt werden kann. Sie gehört zusammen mit der lymphozytären Kolitis zu den mikroskopischen Kolitiden. (1)Front Med (Lausanne). 2021 Dec 2;8:809136. DOI: 10.3389/fmed.2021.809136. (2)United European Gastroenterol J. 2021 Feb 22;9(1):13–37. DOI: 10.1177/2050640620951905


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die Kollagenkolitis ist eine seltene Entzündung des Dickdarms (Kolitis). Typisch ist es, dass kaum behandelbare Durchfälle auftreten und das endoskopische Bild dabei normal ist. Nur unter dem Mikroskop (histologisch) lässt sich die Ursache erkennen. Es handelt sich um eine mikroskopische Kolitis, bei der sich ein charakteristisches verbreitertes unter der Oberfläche der Schleimhaut gelegenes (subepitheliales) Narbenband (kollagenes Band) befindet. Analog dieser Veränderung im Dickdarm wird sehr selten im Dünndarm die gleiche Veränderung gefunden, die als kollagene Sprue bezeichnet wird.

Charakteristisch ist es, dass die kollagene Kolitis

  • zu chronischen Durchfällen führt,
  • ein normales Schleimhautbild in der Darmspiegelung (Koloskopie) aufweist,
  • nur durch eine Gewebeprobe und einer mikroskopischen Untersuchung diagnostiziert werden kann,
  • häufig im Zusammenhang mit einer chronischen Gelenkentzündung (cP) auftritt, seltener mit einer Schilddrüsenerkrankung, einer Coeliakie (Sprue) oder einem Diabetes,
  • eine Assoziation mit der Einnahme von Rheumamitteln (NSAR) aufweist,
  • bei älteren Menschen milder verläuft und auch gelegentlich spontan aufhört,
  • therapeutisch bei milderem Verlauf auf Loperamid (ein stopfendes Mittel), bei schwererem Verlauf meist auf lokal wirkende Kortisonpräparate (z. B. Budesonid) gut anspricht.

Wichtig für die Diagnosestellung ist es, dass Biopsien (Gewebeproben) unter dem Mikroskop untersucht werden. Üblicherweise wird bei normaler Schleimhaut auf eine Schleimhautbiopsie verzichtet; für die Diagnose einer mikroskopischen Kolitis ist sie jedoch entscheidend.

Siehe auch unter Diarrhö.


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Geschichte

1976 von Lindström als Krankheitsbild definiert (48jährige Patientin mit wässriger Diarrhö und kollagenem subepithelialem Band in der Kolonbiopsie). (3)Lindström CG: Pathol Europ 1976; 11: 87-89 Später wurde zusätzlich eine lymphozytäre Kolitis entdeckt, die ebenfalls nur mikroskopisch zu erkennen ist; beide wurden unter den Oberbegriff mikroskopische Kolitis subsumiert. (4)Schwab d et al. Dtsch med Wschr 1998; 123: 1285-1291

Epidemiologie

  • Geschlechtsverhältnis: Frauen/Männer = 7/1.

Die Kollagenkolitis ist Ursache von > 5% aller Durchfallerkrankungen. Eine neuere Arbeit gibt eine mittlere jährliche Inzidenzrate von 1,2 auf 100.000 Einwohner an und ein Verhältnis w:m von 4,75:1. (5)Fernandez-Banares F. et al. Am. J. Gastroenterol. 1999; 94: 418-423 Die Inzidenz wird mit 0,6 bis 16,4 Fälle pro 100000 Personenjahre angegeben. (6)

Entstehung

Die Ursache der Kollagenkolitis ist nicht völlig geklärt. Eine familiäre Häufung und damit eine genetische Prädisposition scheint vorzuliegen. (6)Scand J Gastroenterol 2001; 36: 959-962 Exogene Faktoren und Auslöser scheinen hinzukommen zu müssen. Unter Ihnen soll Rauchen eine Rolle spielen. (7)J Crohns Colitis. 2016 Apr;10(4):449-54. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjv235. Auch Medikamente sind vermutlich assoziiert, wie NSAIDs, Protonenpumpenhemmer, Ranitidin und Sertralin. (8)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.

Eine Krankheitsinduktion erfolgt möglicherweise auch durch Stuhlbestandteile (im durch Ileostoma ausgeschalteten Kolon kam es in einigen Fällen zur Remission). (9)Gastroenterology. 1995 Aug;109(2):449-55. DOI: 10.1016/0016-5085(95)90332-1 (10)World J Gastroenterol. 2015 May 21;21(19):6065-71. DOI: 10.3748/wjg.v21.i19.6065

An der Entstehung der Diarrhö ist die Kollagenschicht wohl weniger beteiligt als die Infiltration mit Entzündungszellen und die Freisetzung von Mediatorstoffen. Unauffällige HLA-Konstellation.

Autoimmunphänomene scheinen bei der Entstehung einer mikroskopischen Kolitis eine Rolle zu spielen: Bei der Kollagenkolitis wurden in einer Untersuchung in 40% der Fälle eine Autoimmunkrankheit, in manchen Fällen (17/45) eine Nahrungsmittelallergie, auch Fälle von Asthma, Rhinitis und Urtikaria assoziiert gefunden. (11)Ann Med. 2021 Dec;53(1):1279-1284. DOI: 10.1080/07853890.2021.1962965 Eine Assoiation mit dem Sjögren Syndrom (12)Tunis Med. 2013 Jun;91(6):420-1 oder der Sprue (13)Scand J Gastroenterol. 2013 Aug;48(8):944-50 DOI: 10.3109/00365521.2013.805809 sind berichtet worden. Auch eine Assoziation mit Clostridium diffizile wurde vermutet. (14)Dig Dis Sci 2000; 45: 998-1001, J Clin Gastroenterol 2003; 36: 285

Medikamente können möglicherweise eine mikroskopische Kolitis auslösen. Dazu gehören NSAR und Lansoprazol. Bei Lansoprazol entsteht jedoch meist eine lymphozytäre Kolitis. (15)Am J Gastroenterol 2002; 97: 2908-2913 Oft findet sich eine Assoziation zwischen Gallensäure-Malabsorption mit Spill-over in das Kolon und einer mikroskopischen Kolitis, so daß auch hierfür ein ursächlicher Zusammenhang vermutet wird. (16)Scand J Gastroenterol 2001; 36: 601-609

Histologischer Befund

Typisch und diagnoseweisend ist ein erbreitertes Kollagenband (> 10 μm) in der Lamina propria des Kolons mit lymphozytären und eosinophilen Infiltrationen bei ansonsten normalem makroskopischen Befund (mikroskopische Kolitis). Die Kollagenkolitis kann aus einer lymphozytären Kolitis entstehen und umgekehrt. Die Breite der Kollagenschicht nimmt in der Regel vom Coecum zum Rektum ab. Das Rektum kann in seltenen Fällen ausgespart bleiben (daher sollte eine Biopsie aus dem Sigma oder besser aus dem rechten Kolon angestrebt werden).

Diagnostik

Die Diagnostik basiert auf dem klinischen Verdacht (s. o.).  Wer bei makroskopisch normaler Kolonschleimhaut angibt, nachts aus dem Schlaf durch Stuhldrang bei Diarrhö aufzuwachen, kann eine mikroskopische Kolitis haben und sollte einer endoskopischen und histologischen Diagnostik zugeführt werden.

Andere Ursachen einer Diarrhö, insbesondere eine Colitis ulcerosa lassen sich endoskopisch und histologisch leicht ausschließen.

Eine Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie) mit Stufenbiopsie ist entscheidend: die Wahrscheinlichkeit, im histologischen Schnitt eine verdickte subepitheliale Kollagenschicht erkennen zu können, nimmt vom Coecum zum Rektum hin ab.

Differenzialdiagnose: Zu den mikroskopischen Kolitiden gehört neben der Kollagenkolitis auch die lymphozytäre Kolitis; auch sie ist eine rein histologische Diagnose. Koloskopie mit PE, Histologie, Immunologie (ANA 30%, pANCA 24%, Anti-Parietalzell-AK 18%, MAK 12%)

Klinik und Verlauf

Charakteristisch sind chronische, breiige bis wässrig-schleimige Durchfälle (Diarrhö) ohne sonst erkennbare Ursache, die kaum mit den üblichen Medikamenten behandelbar sind. Durchfälle, die nachts aus dem Schlaf aufwachen lassen, sind verdächtig auf eine mikroskopische Kolitis. Eine funktionelle Diarrhö stört i.d.R. den Schlaf nicht. Allerdings befinden sich unter Patienten, bei denen (wegen unzureichender Anamnese) eine funktionelle Diarrhoe angenommen wird, wahrscheinlich gehäuft solche mit einer Kollagenkolitis. (17)Acta Gastroenterol Belg 2003; &&: 133-136

Ältere Patienten haben eine höhere Spontanremissionsrate und einen milderen Verlauf als jüngere.

Eine NSAR-assoziierte Kolitis zeigt manchmal Charakteristika einer Kollagenkolitis; sie kann nach Absetzen des Medikaments ausheilen.

Assoziierte Krankheiten:

  • Gelenkerkrankungen 83% (besonders cP)
  • Schilddrüsenerkrankungen 40%
  • Sjögren-Syndrom 4%

Therapie

Die Behandlung richtet sich nach der Häufigkeit der Stühle. In Anfangsstadien wird meist noch keine Therapie verabreicht, häufig auch wegen der noch unsicheren Diagnose. Die Beratung des Patienten zielt auf eine Verringerung seiner Risikofaktoren, wie das Aufhören mit dem Rauchen und das Vermeiden von Medikamenten, die vermutlich assoziiert sind, wie NSAIDs, Protonenpumpenhemmer, Ranitidin und Sertralin. (18)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.

Ältere Menschen mit milderer Symptomatik kommen oft mit Antidiarrhoika (z. B. Loperamid) aus. Patienten, die unter einer NSAR-Medikation stehen, benötigen häufiger Kortikosteroide. (19)Am J Gastroenterol 2002; 97: 1164-1168 Bei ihnen wäre ein Absetzen von NSAR sinnvoll (ggf. ein Übergang auf ein anderen antirheumatisches Prinzip).

Die Stuhlfrequenz kann anfangs meist mit Loperamid reduziert werden. Glukokortikoide, speziell Budesonid (oral) mit einem Ansprechen von bis zu 80% innerhalb von 8 Wochen (20)Clin Exp Gastroenterol. 2014 Aug 21;7:273-84 haben sich als eine erfolgversprechende Therapie erwiesen. Die Evidenzen einer Wirksamkeit sind jedoch noch beschränkt. (21)Cochrane Database Syst Rev. 2017 Nov 11;11(11):CD003575. DOI: 10.1002/14651858.CD003575.pub6 Die Relapsgefahr nach Absetzen ist jedoch hoch. (22)Gut 2003; 52: 248-251 (23)Gastroenterology 2002; 123: 978-984

Auch Wismutsubsalyzylat und Mesalazin haben sich als wirksam erwiesen. Prednisolon (50 mg über 2 Wochen) hat zu einer inkompletten Remission geführt. (24)Scand J Gastroenterol 2003; 38: 606-610 Wenn zusätzlich ein Gallensäure-Spill-over vorliegt, ist Cholestyramin effektiv. (25)Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.


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Verweise

Patienteninfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 


Literatur

Literatur
1 Front Med (Lausanne). 2021 Dec 2;8:809136. DOI: 10.3389/fmed.2021.809136.
2 United European Gastroenterol J. 2021 Feb 22;9(1):13–37. DOI: 10.1177/2050640620951905
3 Lindström CG: Pathol Europ 1976; 11: 87-89
4 Schwab d et al. Dtsch med Wschr 1998; 123: 1285-1291
5 Fernandez-Banares F. et al. Am. J. Gastroenterol. 1999; 94: 418-423
6 Scand J Gastroenterol 2001; 36: 959-962
7 J Crohns Colitis. 2016 Apr;10(4):449-54. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjv235.
8 Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 27;12:111-120. DOI: 10.2147/CEG.S165047.
9 Gastroenterology. 1995 Aug;109(2):449-55. DOI: 10.1016/0016-5085(95)90332-1
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11 Ann Med. 2021 Dec;53(1):1279-1284. DOI: 10.1080/07853890.2021.1962965
12 Tunis Med. 2013 Jun;91(6):420-1
13 Scand J Gastroenterol. 2013 Aug;48(8):944-50 DOI: 10.3109/00365521.2013.805809
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