Die Schilddrüse und ihre Funktion

Artikel aktualisiert am 14. November 2022

Die Schilddrüse (Glandula thyroidea) ist eine lebenswichtige endokrine Drüse, die Hormone zur Regulierung des Stoffwechsels und zur Erregbarkeit des vegetativen Nervensystems produziert, immer im Sinne einer Steigerung des Grundumsatzes. Sie ist die einzige Drüse des menschlichen Körpers, die die Hormone extrazellulär speichert. Der Speicher für Thyroxin reicht aus, um den Körper damit 10 Monate lang zu versorgen.


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Makroskopie

Diffuse Schilddrüsenvergrößerung
Diffuse Schilddrüsenvergrößerung. Es lag eine Überfunktion (Hyperthyreose) mit Unruhe des Herzens vor, die abgeklärt werden sollte.

Die Schilddrüse liegt prä- und paratracheal auf Höhe des 2.-4. Trachealknorpels (ca. auf Höhe des Vertebra prominens), wobei sich die oberen Enden der seitlichen Lappen dem Schildknorpel des Larynx anlegen. Beide Lobi dexter et sinister sind über einen Isthmus thyroideae verbunden. Sie werden von einer doppelten Organkapsel umgeben. Anatomische Anomalien möglich.

Es bestehen enge nachbarschaftliche Beziehungen zur Trachea, z.T. zum Ösophagus, zur Vagina carotis mit der A. carotis communis, V. jugularis interna und dem N. vagus und dorsal zum N. laryngeus recurrens und den Nebenschilddrüsen.

Arterielle Versorgung: A. thyroidea inferior (aus dem Truncus thyrocervicalis der A. subclavia) und A. thyroidea superior (aus der A. carotis externa)

Innervation: Parasympathisch und sensibel durch den Nervus vagus (über N. laryngeus sup. et inf.), sympathisch über Plexus der eintretenden Gefäße.

Histologie

Von der inneren Organkapsel ziehen Septen ins Innere und unterteilen die Schilddrüse in Lobuli. Ihre funktionelle Baueinheit sind die Schilddrüsenfollikel.

Sie werden von aufgelockertem retikulärem Bindegewebe umhüllt und bestehen aus einschichtigem Epithel, das einen mit PAS-positivem Kolloid gefüllten Hohlraum umschließt. Dieser enthält Thyreoglobulin, ein Hormonvorläufer. Die Epithelzellen sind untereinander durch ein Schlussleistennetz dicht verbunden.

Um jeden Follikel existieren dichte Kapillarschlingen, um die optimale Anbindung der endokrinen Drüse an das Blutsystem zu gewährleisten.

C-Zellen liegen parafollikulär und gehören zum APUD-System. Ihre Granula enthalten Calcitonin, Somatostatin, Serotonin und Dopamin.

Hormone

Unter dem Begriff „Schilddrüsenhormone“ fasst man zwei lipophile Hormone zusammen, die sich von der Aminosäure Tyrosin ableiten.

Sie sind die einzige Jod-abhängige Substanzklasse des menschlichen Körpers. Ca. 200 Mikrogramm endogen zugeführtes Jod werden täglich benötigt, um pro Tag ca. 100 Mikrogramm an Hormonen zu produzieren.

Biosynthese

In den Follikeln wird das Tyrosin-reiche Glykoprotein Thyreoglobulin gespeichert. Es wird von den Epithelzellen exprimiert und handelt sich um ein Grundbaustein der Hormone.

Weiterhin nehmen die Epithelzellen Jod in seiner ionisierten Form aus dem Blut durch eine Jodpumpe (ATPase) auf und konzentrieren es intrazellulär um das 100fache. Diese gerichtete Jodaufnahme ist im Körper einmalig (Jodfalle)! Nach der selektiven Anreicherung gelangt es über Kanäle in das Kolloid und wird dort über die membranständige (basolaterale) Peroxidase oxidiert.

Energie-unabhängig werden intrafollikulär nun mit Hilfe der Peroxidase die Tyrosinreste des Thyreoglobulins jodiert. Es entstehen also am großen Thyreoglobulinmolekül Monojod- und Dijodtyrosinreste. Durch intramolekulare Reaktionen verbinden sich nun unter Alaninabspaltung ein Mono- mit einem Dijodtyrosinrest (ergibt ein Trijodtyrosinrest) bzw. zwei Dijodtyrosinreste (ergibt ein Tetratyrosinrest).

Dieser aufwendige Speichermechanismus scheint auf den ersten Blick etwas kompliziert. Man muss allerdings berücksichtigen, dass es hier um eine Speicherung eines lipophilen (nicht wasserlöslichen) Hormons geht! Da es die aus Lipiden bestehenden Zellmembranen ohne Transporter durchwandern kann, ist eine direkte Speicherung unmöglich. Das wird umgangen, indem in der Schilddrüse intrafollikulär Vorstufen gespeichert werden, die nicht entweichen können.

Zentrale Steuerung

Es existiert ein Regelkreis über den Hypothalamus (großes Schaltzentrum im Gehirn), der über die T3/T4-Konzentrationen im Plasma informiert ist. Bei niedrigen Plasmaspiegeln kommt es zur TRH-Ausschüttung (Thyreoliberin), die den Hypophysenvorderlappen wiederum zur TSH-Produktion (Thyreotropin) anregt. Das im Blut zirkulierende TSH bindet an einen membranständigen Rezeptor der Schilddrüse, der über eine G-Protein gekoppelte Kaskade die Hormonfreigabe in Gang bringt.

Transport ins Blut

Bei adäquatem Stimulus (s.o.) gelangt Thyreoglobulin endozytotisch in die Follikelzellen. Die Phagolysosomen sorgen für eine Abspaltung des T3 und T4 vom Thyreoglobulin, was dann weiter in Blut diffundieren kann.

Dort können die Schilddrüsenhormone aufgrund ihrer Lipophilie (gute Löslichkeit in Fett) nur an Transportproteinen gebunden befördert werden. Dazu zählen Albumin, Präalbumin und das Thyroxin-bindende Globulin (TBG). Im so gebundenen Zustand sind die Hormone unwirksam. Wird viel der Hormone im Blut gebunden und liegt damit wenig in freier Form vor, lässt ihre Wirkung nach. Bei einem Mangel an Transportproteinen dagegen liegen mehr der Schilddrüsenhormone Hormone ungebunden und damit in aktiver Form vor. Dies kann bei Arzneimittelinterferenzen von Bedeutung sein. Digitoxin konkurriert z. B. um die Transportmoleküle von T3 und T4.

Thyroxin / Trijodthyronin

T3T4
Plasmaanteil20%80%
Halbwertszeitca. 1 Tagca. 7 Tage

Der größte T3-Plasma-Anteil kommt durch die hepatische 5-Dejodase zustande. T3 ist deutlich wirksamer als T4, da die Zellmembranpassage durch das fehlende Jodatom leichter und die Rezeptoraffinität höher ist. Auf der anderen Seite ist die Halbwertszeit aber sehr gering, so dass es Sinn macht, den Hormontransport zunächst mit dem langlebigen T4 zu bewerkstelligen. Therapeutisch substituiertes T4 wird also auch zu T3 umgewandelt.

Ausgeschieden werden T3 und T4 über die Galle nach erfolgter Biotransformation (Glukuronidierung und Sulfatierung) in der Leber.

Wirkungen:
Beide Hormone durchdringen die Zellmembran der Zielzelle und binden an Rezeptoren im Zellkern. So aktivieren sie die Expression einer Vielzahl von Genen, was folgende Wirkungen nach sich zieht:

  • in der Embryonalphase:
    • Förderung der Gehirnentwicklung (u. a. Dendritenbildung und Myelinisierung)
    • Hypophysäre Somatotropinproduktion ⇑
  • bzgl. Metabolismus:
    • Steigerung des Grundumsatzes, Wärmeproduktion (im Winter mehr als im Sommer)
    • Glukoneogenese ⇑
    • Glycogenabbau ⇑
    • Lipolyse ⇑
  • am Herzen, durch verstärkte Beta-Rezeptoren-Expression:
    • Positive Inotropie (Kraft steigernd)
    • Positive Chronotropie (Frequenz steigernd)

Calcitonin

Calcitonin aus den C-Zellen der Schilddrüse spielt im Kalziumphosphatstoffwechsel eine Rolle. Es senkt den Kalziumspiegel durch Hemmung der Knochen abbauenden Zellen (Osteoklasten) und durch Erhöhung der Calciumausscheidung über die Nieren. Calcitonin wird beim medullären Schilddrüsenkarzinom als Tumormarker verwendet.

Zu Calcitonin siehe hier.
Zu Knochenstoffwechsel siehe hier.

Schilddrüsenfunktion der Mutter und Auswirkungen auf das Kind

In einem Zeitfenster weniger Tage vor der Geburt ist das kindliche Gehirn besonders empfänglich für mütterliches Schilddrüsenhormon. Wird in dieser Zeit die Bildung oder Wirksamkeit mütterlicher Schilddrüsenhormone unterdrückt, so bilden sich vermehrt abnormal liegende „ektope“ Hirnzellen im Corpus callosum, nahe den Ventrikeln. Es wird vermutet, dass dies eine der Ursachen für die beobachtbare Intelligenzstörung und ein erhöhtes Epilepsierisikos im weiteren Leben des Nachwuchses ist. Eine Ursache wiederum für ein Absinken der Aktivität mütterlicher Schilddrüsenhormone wird Umweltgiften, wie Plastik, Pflanzenschutzmitteln etc. zugeschrieben. (1) 2019 Mar 15;9(1):4662. doi: 10.1038/s41598-019-40249-7. (2) 2018 May 1;163(1):101-115. doi: 10.1093/toxsci/kfy016.

Erkrankungen der Schilddrüse

Verweise



Autor der Seite ist PD Dr. Konrad Buscher (siehe Impressum).


Literatur

Literatur
1 2019 Mar 15;9(1):4662. doi: 10.1038/s41598-019-40249-7.
2 2018 May 1;163(1):101-115. doi: 10.1093/toxsci/kfy016.