Serotonin

Artikel aktualisiert am 7. November 2020

Serotonin ist ein Überträgerstoff zwischen Nervenzellen

  • im Darm, die für die Darmmotilität verantwortlich sind, und
  • in Gehirnregionen des Stammhirns, die für Wohlgefühl sorgen.

Es wird auch als 5-Hydroxytryptamin (5-HT) bezeichnet und ist ein Stoffwechselprodukt der für den Menschen essenziellen Aminosäure Tryptophan.


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Stoffwechsel von Serotonin

Serotonin wird aus der Aminosäure L-Tryptophan durch eine Hydroxylase und Decarboxylase gebildet und in der Leber durch eine Monoaminoxidase und eine Aldehyddehydrogenase zu 5-Hydroxyindolessigsäure (HIES) abgebaut. HIES kann im Urin nachgewiesen werden kann; der HIES-Nachweis gehört zu den wichtigsten diagnostischen Kriterien im Rahmen einer Karzinoid-Diagnostik.

Das geschwindigkeitsbestimmende Enzym bei der Bildung von Serotonin ist die Tryptophanhydroxylase (TPH), von der es 2 Isoformen gibt. TPH1 wirkt im Magendarmtrakt und anderen Körperorganen und versorgt die Blutplättchen mit Serotonin, welche es an Orten der Thrombozytenaktivierung wieder freilassen können. TPH2 wirkt im Gehirn; die Blut-Hirn-Schranke ist für Serotonin aus dem Kreislauf nicht passierbar.

Experimentell wurde gezeigt, dass TPH1-defiziente Mäuse gegen verschiedene Krankheiten geschützt waren: vermehrte Blutgerinnung, Entzündungen, Fibrosierungen (Narbenbildung). Daher wurden TPH-Hemmer als therapeutische Option angesehen; für Telotristat wurde eine Diarrhö hemmende Wirkung nachgewiesen. (1)Endocr Relat Cancer. 2014 Oct;21(5):705-14. doi: 10.1530/ERC-14-0173. Epub 2014 Jul 10. PMID: … Continue reading (2)Cancer Manag Res. 2019 Aug 8;11:7537-7556. doi: 10.2147/CMAR.S181439. PMID: 31496810; PMCID: … Continue reading

Funktionen und Wirkungen

Die Serotoninwirkungen werden über eine Reihe verschiedener Rezeptoren (5-HT-Rezeptoren) ausgelöst; ihre selektive Beeinflussung durch Medikamente eröffnet ein breites Feld spezifischer Therapiemöglichkeiten.

Die Hauptfunktionen von Serotonin sind folgende:

  • Motorik des Magendarmkanals: Serotonin wird in enterochromaffinen Zellen des Magendarmtrakts in größeren Mengen gebildet, wo es die Motorik beeinflusst, und findet sich zudem im Zentralnervensystem, wo es als ein Neurotransmitter wirkt. Im Darmkanal sind vor allem 5-HT(3)- und 5-HT(4)-Rezeptoren an der Serotoninwirkung beteiligt. (3)Dis Colon Rectum. 2007 Mar;50(3):376-88
  • Blutstillung und Wundheilung: Überschüssiges Serotonin, das von den enterochromaffinen Zellen des Darmtrakts ins Blut gelangt, wird von Blutplättchen (Thrombozyten) aufgenommen und gespeichert. Sie benötigen es für die Blutstillung bei Verletzungen, da es
    • die Thrombozytenaggregation fördert,
    • die lokalen Blutgefäße kontrahiert und
    • zur Wundheilung anregt. (4)Thromb Res. 1999 Jul 1; 95(1):1-18.
  • Transmitter im Zentralnervensystem: Im Gehirn wirkt es in bestimmten Zentren als Überträgerstoff (Neurotransmitter) und ist für eine Reihe von Funktionen verantwortlich. Es beeinflusst die Stimmung günstig, indem es das Wohlbefinden steigert („Wohlfühlhormon“). Es wirkt zudem auf viele vegetative Funktionen, wie den Schlaf-Wach-Rythmus, das Sexualleben, den Appetit, die Körpertemperatur und die Regulation des Herzkreislaufsystems.
  • Immunmdulation: In Monozyten und Makrophagen beeinflusst Serotonin die Sekretion von Botenstoffen (Zytokinen). Es unterdrückt die Freisetzung von Tumornekrosefaktor-α (TNF-a) und Interleukin-1β (IL-1ß). Es fördert zudem die Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten sowie die Aktivierung von T-Zellen. Somit wirkt Serotonin insgesamt immunmodulatorisch. (5) 2017 Jul 20;4:48. doi: 10.3389/fcvm.2017.00048.

Das Karzinoid: ein Serotonin-produzierender Tumor

Das Karzinoid ist ein meist im Magendarmkanal gelegener Tumor enterochromaffiner Zellen (Zellen, die sich durch eine spezielle Anfärbbarkeit herausheben), der vermehrt Serotonin bilden und ins Blut abgegeben kann. Als häufigste Symptome, die auf übermäßige Serotoninproduktion zurückzuführen sind, werden Durchfälle (Diarrhö) und eine Gesichtsröte (Flush) beobachtet. Mehr dazu siehe hier.

Serotoninquellen

Nahrungsmittel mit Proteinen, die einen hohen Tryptophangehalt aufweisen, sind gute Quellen für die Serotoninbildung. Dazu gehören beispielsweise Soja, Kakao, Erbsen, Hähnchenfilet.

Serotonin findet sich in Insektengiften und Pflanzenstacheln (z. B. an Brennesseln), die Schmerzen hervorrufen, sowie in manchen Pilzen und Samen und Amöben, die die Darmperistaltik anregen und Durchfall hervorrufen.

Früchte mit einem hohen Gehalt an Tryptophan führen ebenfalls zu einer vermehrten Serotoninbildung; dazu gehören u. a. Bananen, Kakao, Datteln und Walnüsse. Auch das Kasein der Milch enthält viel Tryptophan.

Tryptophanarm ist beispielsweise Mais. Auch soll weidegefüttertes Rind im Fleisch weniger Tryptophan haben als mit angereichertem Futter hochgezogenes Rind.

Serotonin als Appetitregler

Serotonin wirkt im Zentralnervensystem als Appetitzügler, indem es die Produktion des appetitanregenden Dopamins, die über 5-HT2C-Rezeptoren vermittelt wird, bremst. Medikamente, die die 5-HT2C-Rezeptoren blockieren, führen daher zu vermehrtem Appetit und Gewichtsanstieg. (Mehr zu Appetit siehe hier.)

Serotonin und Wundheilung

Serotonin regt zur Bildung von Fibrosierungen und Narbenbildungen an; es trägt damit zur normalen Wundheilung bei. (6)Int J Mol Sci. 2018 Mar 29;19(4):1034. doi: 10.3390/ijms19041034. PMID: 29596386; PMCID: PMC5979562.

Eine übermäßige Fibrosierung der Herzklappen, eine Lungenfibrose und die Retroperitonealfibrose (Morbus Ormond) hängen offenbar mit einer Serotoninwirkung zusammen. Einen Zusammenhang mit serotoninergen Medikamenten, die früher auch als Appetitzügler (z. B. Fenfluramin, Dexfenfluramin) eingesetzt wurden, ist wahrscheinlich.

Plötzlicher Kindstod

Serotonin trägt zur Kontrolle des Herzkreislaufsystems bei, indem es in den Zentren des Hirnstamms autoinhibitorisch wirkt. Eine übermäßige Serotonin-Autoinhibierung wurde experimentell an Mäusen untersucht und als ein Risikofaktor für eine katastrophale autonome Dysregulation mit Hypothermie und Bradykardie festgestellt. Es wird angenommen, dass sie zum plötzlichen Kindstod (sudden infant death syndrom, SIDS) beiträgt (7) 2017 Jul 18;114(29):7695-7700. doi: 10.1073/pnas.1617374114.. (8)Science. 2008 Jul 4;321(5885):130-3

Serotonin als Neurotransmitter

Im zentralen Nervensystem wirkt Serotonin in seiner Funktion als Transmitter bei der Aktivierung von Funktionen, die ähnlich wie Noradrenalin und Adrenalin eine Kampf- oder Fluchtreaktion unterstützen: die Körpertemperatur wird erhöht (später muss gekühlt werden, ebenfalls eine Serononinwirkung), das Sexualverhalten wird gehemmt, der Appetit wird gehemmt, die Wachheit wird gesteigert. Am Darmkanal wird die Peristaltik gesteigert (was bei Aufregung zu einem Kontinenzproblem führen kann); auch kann es zu Brechreiz kommen. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die als Antidepressiva wirken, haben diese Auswirkungen oft als Nebenwirkung.

Serotonin und Asthma

Polymorphismen des Gens für den 5-HT(4)-Rezeptor sind mit Asthma assoziiert. (9)Respirology. 2011 May;16(4):630-8 Die Aktivierung der Serotonin-Rezeptors verhindert allergisches Asthma in einem Mausmodell. (10) 2015 Jan 15;308(2):L191-8.

Serotonin und psychiatrische Erkrankungen

Polymorphismen des 5-HT(4)-Rezeptors sind mit bipolaren (manisch-depressiven) Störungen (11)Mol Psychiatry. 2002;7(9):954-61 sowie mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (12)Neurosci Lett. 2006 Jun 19;401(1-2):6-9 assoziiert.

Das Serotonin-Syndrom

Als Serotoninsyndrom wird ein Komplex von Symptomen bezeichnet, der durch eine Überempfindlichkeit auf Serotonin zustande kommt. Ursächlich handelt es sich um eine erhöhte Sensitivität der Serotoninrezeptoren im zentralen Nervensystem gegenüber serotoninergen Medikamenten, wie Monoaminoxidase-Hemmern (z. B. Tranylcypromin, Moclobemid, Seleglinid) und Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (z. B. Citalopram, Paroxetin, Sertalin). Die Serotoninproduktion kann durch Tryptophan aus der Nahrung gesteigert werden. Amphetamine können die Serotonin-Freisetzung erhöhen.

Die Symptomatik des Serotonin-Syndroms beinhaltet

  • schwerwiegende Symptome: Verwirrtheit, Fieber, Frösteln, Tremor, Hyperreflexie und Myoklonus.
  • weniger schwerwiegende Symptome: Hyperaktivität, Agitiertheit, Tachykardie, Tachypnoe, Diarrhö, Hautrötung (oft im Gesicht), Mydriasis, Ataxie.

Die Diagnose wird durch den zeitlichen Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme wahrscheinlich. Die Behandlung besteht im Absetzen des angeschuldigten Präparats, wobei bei einigen eine lange Halbwertszeit berücksichtigt werden und abgewartet werden muss.


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Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 

Literatur

Literatur
1Endocr Relat Cancer. 2014 Oct;21(5):705-14. doi: 10.1530/ERC-14-0173. Epub 2014 Jul 10. PMID: 25012985; PMCID: PMC4295770.
2Cancer Manag Res. 2019 Aug 8;11:7537-7556. doi: 10.2147/CMAR.S181439. PMID: 31496810; PMCID: PMC6690650.
3Dis Colon Rectum. 2007 Mar;50(3):376-88
4Thromb Res. 1999 Jul 1; 95(1):1-18.
5 2017 Jul 20;4:48. doi: 10.3389/fcvm.2017.00048.
6Int J Mol Sci. 2018 Mar 29;19(4):1034. doi: 10.3390/ijms19041034. PMID: 29596386; PMCID: PMC5979562.
7 2017 Jul 18;114(29):7695-7700. doi: 10.1073/pnas.1617374114.
8Science. 2008 Jul 4;321(5885):130-3
9Respirology. 2011 May;16(4):630-8
10 2015 Jan 15;308(2):L191-8.
11Mol Psychiatry. 2002;7(9):954-61
12Neurosci Lett. 2006 Jun 19;401(1-2):6-9