Demenz

Artikel aktualisiert am 14. Februar 2024

Demenz (engl.: dementia) ist durch fortschreitenden Gedächtnisverlust bei erhaltenem Bewusstsein gekennzeichnet. Es werden verschiedene Formen mit unterschiedlichen therapeutischen Optionen unterschieden. Die Alzheimer-Demenz macht etwa 2/3 der Fälle aus; die nächst häufigen Formen sind die Demenz bei der Parkinson-Krankheit und die vaskulär bedingte Demenz, die häufig mit der Vorgeschichte eines kurzzeitigen kleinen Schlaganfalls (transitorisch ischämische Attacke, TIA) oder eines Schlaganfalls assoziiert ist.

Das Gehirn


Molekulare Basis

Die häufigsten Ursachen, die einer Demenz zugrunde liegen, sind die Alzheimer-Krankheit und die Parkinson-Krankheit. Bei beiden handelt es sich um krankhafte Ablagrungen von Amyloid in verschiedenen Bezirken des Gehirns („Amyloidopathien“). Amyloid ist eine Gruppe von Proteinen, die neurotoxisch sind und das Absterben von Hirnzellen bewirken. Sie lassen sich  histologisch im Gehirn nachweisen. (1)Molecules. 2024 Feb 4;29(3):722. doi: 10.3390/molecules29030722

  • Bei der Alzheimer-Demenz handelt es sich um „Tubulin-assoziierte Units“ (Tau). Diese Proteine werden bei ihrer Bildung nicht ordnungsgemäß in eine 3-dimensionale Struktur gefaltet und klumpen sich zusammen. Es sind verschiedene Tau-beta-Proteine (Aß1-42), die intrazelluläre fibrilläre Einschlüsse und extrazelluläre Amyloidplaques formen.
  • Bei der Parkinson-Demenz handelt es sich um abnormes synaptisches Alpha-Synuclein (α-Synuclein, αSyn), dessen Verklumpung die Lewy-Körper bildet und zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn führt. Zu den Synucleinopathien gehören neben der Parkinson-Krankheit (PD) und der Lewy-Körper-Demenz auch eine Multisystematrophie (MSA). Alle sind durch eine Fehlfaltung von Alpha-Synuclein (α-syn) gekennzeichnet. Die entstehenden Proteine aggregieren in zytoplasmatischen Einschlusskörperchen in Zellen betroffener Gehirnregionen. (2)Neurobiol Dis. 2023 Jan;176:105966. doi: 10.1016/j.nbd.2022.105966

Auslöser und Formen


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Die häufigste Form einer Demenz ist die Alzheimer-Demenz (über 60% der Fälle), gefolgt von der Demenz bei zerebralen Durchblutungsstörungen (cerebrovaskuläre Demenz, etwa 15%) sowie die bei neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson, Lewy-Körperchen-Demenz, Creutzfeld-Jacob-Erkrankung) (3)Lancet. 2015 Oct 24;386(10004):1683-97 (4)Lancet. 2015 Oct 24;386(10004):1698-706.

Milde kognitive Dysfunktion

Der Beginn einer Demenz kann Jahre oder Jahrzehnte vor der erkennbaren Manifestation liegen. (5)Lancet Neurol. 2013;12(2):207-216. doi: 10.1016/S1474-4422(12)70291-0 Während des Prädemenzstadiums sind die Alltagsfunktionen noch intakt. Herabgesetzt sprachliche Fähigkeiten sind ein Frühzeichen. (6)J Neuropsychiatry Clin Neurosci 2011: 23, 16–28

Das Anfangsstadium einer milden kognitiven Funktionsstörung (mild cognitive impairment, MCI), die nicht anderweitig erklärbar ist (z. B. durch andere Ursachen wie Depression, Angstzustände, Hypothyreose, Hypoxie, Toxine oder Medikamente) wird von einigen Forschergruppen als potenziell reversibel betrachtet. (7)J Am Med Dir Assoc. 2016 Oct 1;17(10):943-8. doi: 10.1016/j.jamda.2016.06.020 Im Allgemeinen jedoch schreitet die Erkrankung mehr oder weniger schleichend voran. (8)J Am Med Dir Assoc. 2017 Mar 1;18(3):272-273. doi: 10.1016/j.jamda.2016.12.002.

Es besteht eine Assoziation zwischen sozialer Isolation, kognitiven Defiziten und späterer Demenz. (9)Neurology. 2022 Jun 8:10.1212/WNL.0000000000200583. doi: 10.1212/WNL.0000000000200583.

Einsamkeit als Gesundheitsproblem

Alzheimer-Krankheit

Dazu siehe hier.

Lewy-Körper-Demenz bei Morbus Parkinson

Dazu siehe hier.

Vaskuläre Demenz

Eine Demenz kann durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bzw. der für das Gedächtnis zuständigen Hirnbezirke (u. a. Hippocampus, verantwortlich für Gedächtnisleistung und örtliche Orientierung) entstehen. Beispielsweise kann die diabetische Vaskulopathie kleinster Gefäße (durch die Zuckerkrankheit bedingte Verengung) zu einem Gedächtnisabbau führen (s. u.). Hinweise darauf können, müssen aber nicht, kleine lakunäre Infarkte im Gehirn sein, die im CT oder MRT erkennbar sind. Auch hochgradige Einengungen größerer hirnzuführender Blutgefäße können zu einer Demenzentwicklung beitragen.

Die vaskuläre Demenz kann zusammen mit einer Alzheimer-Krankheit vorkommen. Die Minderdurchblutung führt zu Glianarben, insbesondere zu einer Astrogliose. Risikofaktoren sind die gleichen, die auch für eine Durchblutungsstörung im Rahmen einer Mikro- und Makroaangiopathie an anderen Organen verantwortlich sind, wie Rauchen, Bluthochdruck (Hypertonie), Fettstoffwechselstörung und metabolisches Syndrom. (10)Neuron. 2013 Nov 20;80(4):844-66. DOI: 10.1016/j.neuron.2013.10.008. PMID: 24267647; PMCID: … Continue reading (11)Biochim Biophys Acta. 2016 May;1862(5):860-8. doi: 10.1016/j.bbadis.2015.12.015. Epub 2015 Dec 15. … Continue reading Etwa 25 – 30% der Patienten entwickeln aufgrund der Risikofaktoren nach einem Schlaganfall eine vaskuläre Demenz. (12)Biochim Biophys Acta. 2016 May;1862(5):915-25. doi: 10.1016/j.bbadis.2016.01.015. Epub 2016 Jan 22. … Continue reading

Ein zentraler Mechanismus bei der Entwicklung einer vaskulären Demenz ist eine durch Gliazellen vermittelte immunologische Reaktion. Sie wird durch verschiedene Trigger ausgelöst, darunter durch die bei einer Mangeldurchblutung auftretende Hypoxie und Ischämie. Durch sie werden die Signalwege für eine Apoptose und eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke hochreguliert. (13)Int J Mol Sci. 2022 Jun 2;23(11):6224. doi: 10.3390/ijms23116224.

Angiopathie

Diabetische Enzephalopathie

Bei der diabetischen Enzephalopathie entwickeln sich im Hippocampus (Teil des limbischen Systems im Gehirns) narbige Bezirke durch Proliferation von Astrozyten (Astrogliose).  (14)J Neurosci. 2013 Jul 31; 33(31):12870-86 Experimentell lässt sich dies durch Streptozotozin in Versuchstieren hervorrufen. In diesem Modell wurde gefunden, dass die Astrozytennarben durch den JAK2/STAT3-Signalweg vermittelt werden. Er führt zu einer Verminderung der Gedächtnisleistung (Demenz). Neuritin, ein neuroprotektiver Modulator, vermag den Hippocampus davor zu schützen und die räumliche Orientierungsfunktion wieder zu verbessern. (15)J Mol Endocrinol. 2021 Apr;66(4):259-272. DOI: 10.1530/JME-20-0321. PMID: 33729996; PMCID: … Continue reading

Bei der diabetischen Gedächtnisstörung spielen Demyelinisierungsprozesse (Abnahme des Schutzes der Nervenverbindungen) eine Rolle; die Schwann’schen Scheiden werden defekt. Damit können die langen Axone der Neurone die Informationen nicht ausreichend schnell weiterleiten. Auch werden die defekt gewordenen Synapsen nicht ausreichend erneuert. An diesen Prozessen sind Astrozyten zentral beteiligt. Ihre Funktion wird durch Neuritin gestärkt, Bei der diabetischen Enzephalopathie ist der Neuritinspiegel erniedrigt. Umgekehrt verbessert Neuritin die kognitive Funktion bei Diabetes. (16)J Mol Endocrinol. 2021 Apr;66(4):259-272

Diabetes-Komplikationen.

Frontotemporale Demenz

Je nach Lokalisation der Schädigung im Gehirn können besondere Erscheinungsformen vorherrschen, so z. B. die frontotemporale Demenz  (17)Lancet. 2015 Oct 24;386(10004):1672-82. Bei ihr treten fortschreitende Veränderungen und Defizite bezüglich Sprache, Antrieb und sittlichem Verhalten ein. Die Symtomatik beginnt meist schon vor dem 65sten Lebensjahr, während andere Formen, wie die vaskuläre oder Levikörper-Demenz oft erst später manifest werden.

Frontotemporale Form der Alzheimer-Demenz

Eine Sonderform der Alzheimer-Krankheit ist eine Variante der Alzheimer-Krankheit, bei der Zelluntergänge besonders im Frontal- und Temporallappen zu finden sind. Bei der typischen Alzheimer-Demenz sind sie mehr im posterioren Bereich ausgeprägt (18)Brain. 2015 Sep;138(Pt 9):2732-49. Von Bedeutung ist die Ansammlung von Tau-Protein. (19)CNS Drugs. 2021 Apr;35(4):425-438. doi: 10.1007/s40263-021-00813-0. Epub 2021 Apr 11. PMID: … Continue reading

Die frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD)

Sie gehört zu den häufigsten Ursachen einer früh einsetzenden Demenz. Sie zeigt Verhaltens- und/oder Sprachveränderungen, und kann von einer pyramidalen oder extrapyramidalen motorischen Störung begleitet sein. Etwa 20-25 % sind genetisch mitbedingt. Untersuchungen zur Wirkung einer transkraniellen Elektrostimulation scheinen therapeutisch erfolgversprechend zu sein. (20)Nat Rev Dis Primers. 2023 Aug 10;9(1):40. doi: 10.1038/s41572-023-00447-0

Demenz nach toxischer Hirnschädigung

Eine relativ früh eintretende Demenz kann auch Folge einer toxischen Hirnschädigung, z. B.

Posttraumatische Demenz

Nach einem Unfall mit Schädigung des Gehirns (insbesondere mit Bewusstlosigkeit) steigt das Risiko, in der Folgezeit eine Demenz zu entwickeln. Dies besagt eine Schwedische Studie an 164334 Patienten. Die Assoziation war im ersten Jahr am höchsten (OR 3,5) und sank danach. Im mittleren Beobachtungszeitraum von 15,3 Jahren lag sie fast doppelt so hoch wie in Kontrollgruppen (OR 1,8). Auch nach 30 Jahren war sie noch nachweisbar (OR 1,25). Schwache Traumata wirkten weniger Demenz fördernd als schwere (OR 1,63 vs. 2,06). (21)PLOS January 30, 2018 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002496

Posttraumatische, Alzheimer-ähnliche kognitive Störungen sind unter Boxern immer wieder zu beobachten. Laut einer Langzeitstudie ist das Risiko 2,78-fach erhöht. (22)Clin J Sport Med. 2022 May 1;32(3):329-333 Auch bei Fußballern treten (durch Kopfbälle) Mikroverletzungen im Gehirn auf, die auf Dauer eine Demenz fördern. (23)Front Neurol. 2024 Jan 8;14:1340709. doi: 10.3389/fneur.2023.1340709

Demenzrisiko bei Depression, chronischem Stress und PTBS

Das Risiko einer Alzheimer-Demenz bei chronischem Stress ist laut einer Studie 2,45-fach und bei Depression 2,32-fach erhöht. (24)Alzheimers Res Ther. 2023 Oct 2;15(1):161. doi: 10.1186/s13195-023-01308-4

Im Rahmen eines posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) wird das Demenzrisiko zwischen 4,7 % und 7,8 % angegeben. (25)Front Neurol. 2024 Jan 8;14:1340709. doi: 10.3389/fneur.2023.1340709

Pseudodemenz

Abzugrenzen ist die Demenz von der prinzipiell reversiblen Hirnleistungsstörung, die manchmal als Pseudodemenz auftritt, z. B. bei folgenden Bedingungen:

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Folgen und Stadien der Demenz

Die Symptome und Komplikationen einer Demenz hängen von der Ausprägung der Hirnleistungsstörung ab.

  • Im Anfangsstadium ist die Demenz meist nicht gleich ersichtlich, da eine vorübergehende Vergesslichkeit zum normalen Alltag überlasteter Menschen gehört. Aber eine Häufung von Ereignissen, wie das „Verlegen“ von Gegenständen, Vergessen von Besorgungen, Vereinbarungen und Terminen, das Abreißen eines Gesprächsfadens oder eine Schwerbesinnlichkeit bezüglich Namen oder kürzlich zurückliegender Erlebnisse sollte an den Beginn einer Demenz denken lassen.
  • Im mittleren Stadium kommt der Verlust der Fähigkeit, sich im Alltag zurecht zu finden, hinzu. Es beginnt eine zunehmende Vernachlässigung des Haushalts und eine Selbstvernachlässigung bezüglich Kleidung, Ernährung und Körperpflege. Die Orientierung zu Zeit und Ort schwindet zunehmend. Der Tag-Nacht-Rhythmus kommt durcheinander; Schlaf- und Wachphasen werden tageszeitunabhängig. Fehlende Gedächtnisinhalte werden durch Konfabulation ersetzt. Auch können wahnhafte Erlebnisse hinzukommen. Das Verhalten wird läppisch und inadäquat. Es beginnen oft Weglauftendenzen (Personen müssen gesucht werden). Es häufen sich Schwindelerscheinungen. Das Sturzrisiko steigt.
  • Im Spätstadium werden selbst vertraute Personen nicht mehr erkannt. Es kommt zu neurologischen Ausfällen bezüglich Nahrungsaufnahme und Entleerung. Das Empfinden der eigenen Unreinlichkeit bei Stuhl- und Blaseninkontinenz schwindet völlig. Entsprechend kommt es zu wiederholten Harnwegsinfekten. Die Nahrungsaufnahme wird durch mangelnden Antrieb sowie durch Schluckstörungen erheblich beeinträchtigt. Beim Füttern kann es zu Aspiration und Aspirationspneumonie kommen. Bei zunehmender Bettlägerigkeit und häufiger Verschmutzung kommt es leicht zu Hautentzündungen (Dermatitis, Ekzeme) und zum Wundliegen (Dekubitus) und wegen Schwindelsymptomatik zu Stürzen und Frakturen. Es können sich völlig enthemmte, aggressive und zerstörerische Phasen einstellen, die eine häusliche Betreuung schwierig bis unmöglich machen. Andererseits können auch besonders duldsame und liebe Charakterzüge in den Vordergrund treten.

Diagnostische und prognostische Marker

Die frühzeitige Erkennung einer beginnenden Demenz ist eine der Voraussetzungen für eine Behandlung, die einen weiteren geistigen Abbau verlangsamt oder aufheben kann. Ein Tau PET (Nachweis des tau-Proteins im PET des Gehirns) weist einen Amyloid-bedingten Hirnabbau am sichersten nach.

In Studien hat sich hoher Wert von phosphoryliertem Tau (an Threonin 181, 217 und 231: p-tau181, p-tau217, p-tau231) im Blutplasma als  diagnostisch und prognostisch wertvoll erwiesen. Insbesondere Plasma-P-tau181 unterschied in Studien die Alzheimer-Demenz (AD) von neurodegenerativen Nicht-AD-Erkrankungen recht gut. (27)Alzheimers Res Ther. 2022 Oct 12;14(1):153. DOI: 10.1186/s13195-022-01093-6

Ein hoher P-Tau181-Wert im Blut hat sich auch als ein prognostischer Parameter herausgestellt, der die spätere Entwicklung einer AD-Demenz bereits bei nicht oder kaum kognitiv beeinträchtigten Probanden voraussagen konnte. (28)Molecules. 2024 Feb 4;29(3):722. doi: 10.3390/molecules29030722

Bezüglich Alpha-Synucllein sind neuartige Assays in Entwicklung, welche im Hinblick auf die beträchtliche Vielfalt an Molekülvarianten (Konformere) eine diagnostische Aussage ermöglichen. (29)J Neurochem. 2019 Sep;150(5):626-636. Bisherige Tests hatten eine unzureichende Sensitivität und Spezifität. (30)Acta Neurol Scand. 2014 Aug;130(2):59-72

Behandlung

Da die Pseudodemenz oft gut behandelbar ist, ist eine gute Diagnostik Voraussetzung der Therapie. Dazu ist eine fachpsychiatrische und ggf. zudem eine internistische Diagnostik erforderlich. Demenz-Symptome, die sorgfältig erhoben werden müssen, werden auf der Alzheimer-Seite angesprochen (siehe hier).

Die Demenztherapie richtet sich nach den Stadium und der Ursache. Wichtig ist es, bereits das Anfangsstadium zu erfassen, um möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Verhinderung der Progredienz einleiten zu können.

Handelt es sich um eine sekundären Demenz, so sollte die Grunderkrankung so rasch wie möglich erkannt und behandelt werden.

Handelt es sich dagegen um eine Demenz im Rahmen einer neurodegenerativen Erkrankung, so kommt ein Bündel verschiedener Maßnahmen in Betracht, die zusammengenommen zu einer Verbesserung kognitiver Symptome bzw. einer Verlangsamung des Gedächtnisabbaus führen können. Eine Behandlung, die zum Stillstand und zur Heilung führt ist bisher nicht bekannt.

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Maßnahmen zur Verlangsamung des zerebralen Abbaus

Die Ansatzpunkte der Demenzbehandlung bei einer neurodegenerativen Erkrankung ergänzen sich:

  • Diätetische Maßnahmen: Es sollte auf eine Ernährung geachtet werden, die ausreichend Vitamin B12, Folsäure, Cholin und Phospholipide enthält. Studien belegen einen positiven Effekt auf die Gedächtnisleistung. Das Gewürz Curcumin scheint ebenfalls günstig zu wirken. Für die „MIND-Diät“ allerdings wurde kein besonderer Effekt festgestellt. Bei ihr stand infrage, ob sie bei gefährdeten Personen einer Demenz vorbeugen kann. Sie besteht aus Mittelmeerkost und einer ausgearbeiteten Diät zur Bekämpfung erhöhten Blutdrucks mit Modifikationen, die einer Demenz besonders vorbeugen sollen. In einer 3-jährigen Studienzeit bot diese Diät keinen signifikant besseren Schutz als eine suboptimale Diät. Das bedeutet, dass eine „gesunde“ Ernährung keiner zusätzlichen diätetischen Modifikation bedarf, zumindest nicht bezüglich einer Demenzvorbeugung. (31)N Engl J Med 2023; 389:602-611 DOI: 10.1056/NEJMoa2302368
  • Gedächtnistraining: Ein „lockeres“ Gedächtnistraining ohne psychischen Stress soll zur Aufrechterhaltung der Gedächtnisleistung beitragen; Stress wirkt kontraproduktiv. Ein ständiges Auffrischen nützlicher Begriffe und Zusammenhänge, des Datums und zurückliegender Erlebnisse kann zur Bewältigung der Alltagsanforderungen nützlich sein. Das Einbeziehen in die Erlebnisse von Bezugspersonen (Familie, Betreuer) hilft, eine Welt aufrecht zu erhalten, in der noch eine Orientierung möglich ist. Es sollte viel mit dem Demenzkranken geredet werden, wobei sich die Komplexität der Inhalte nach dem Stadium der Demenz richten sollte. Bilder bringen Erlebnisse und Bezugspersonen in Erinnerung (z. B. elektronischer Bilderrahmen mit automatisch wechselnden Bildern). Ziel ist es auch, die eigene Identität zu festigen.
  • Medikamente: Von Medikamenten sollte derzeit nicht zu viel erwartet werden. Sie sind bei kaum der Hälfte der Demenzkranken wirksam und dann nur bei hoher Dosierung und über nur eine beschränkte Zeitspanne weniger Monate. Zu solchen Medikamenten gehören Donezepil und Memantin, deren Nebenwirkungen jedoch zu beachten sind (z. B. Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Krampfbereitschaft). In Entwicklung ist eine Immuntherapie gegen Beta-Amyloid für die Alzheimer-Demenz (Solanezumab, Impfung). Wahnhafte Vorstellungen werden mit Haloperidol meist gut beeinflusst.
  • Vermeidung von Medikamenten, die kontraproduktiv wirken: z. B. Sedativa oder Antidepressiva.

Maßnahmen zur Komplikationskontrolle

Allein Lebende sollten an ein Notrufsystem angeschlossen sein (z. B. Notruftelefon). Ein Training gegen oder zum Umgang mit Schwindel (z. B. Spaziergänge in Begleitung, Tanzen) ist in Frühstadien hilfreich. Es ist für eine Sturzprophylaxe zu sorgen (Gehhilfen, Hüftschutz). Zunehmend müssen Ernährung, Kleidung und Körperpflege pflegerisch unterstützt werden.

Es sollte für eine gute Ernährung (siehe „Diätetische Maßnahmen“, oben) und Körperpflege gesorgt werden. Interkurrente Infekte (z. B. Harnwegsinfekte) bedürfen einer entsprechenden Behandlung.

Sturzprävention und Behandlung von Frakturen

Eine wirksame Sturz- und Frakturprävention ist bei zunehmender Schwindelsymptomatik nötig, aber oft schwierig. Hüftpolster sollen helfen. Eine sturzbedingte Hüftfraktur (Knochenbruch des Oberschenkelhalses) ist kein seltenes Ereignis. Eine Studie an 2007 Demenzkranken in Pflegeheimen besagt, dass auch bei ihnen eine operative Versorgung sinnvoll ist und individuell bedacht werden sollte: Sie führte innerhalb einer Nachverfolgungszeit von 6 Monaten zu einer niedrigeren Sterberate ( 31,5 % vs. 53,8 % bei konservativer Behandlung), weniger Druckgeschwüren (Dekubitus; 11,2 % vs. 19,0 %) und zu etwas weniger Schmerzen (29,0 % vs. 30,9 %). (32)JAMA Intern Med. 2018;178(6):774-780. doi:10.1001/jamainternmed.2018.0743

Prävention einer Demenz-assoziierten Psychose

Im Rahmen einer Demenz treten gelegentlich Symptome einer Psychose mit Agitiertheit, Aggressivität, Wahnvorstellungen und Halluzinationen auf. Eine neue Substanz, Pimavanserin, reduziert das Risiko, dass sich so etwas wiederholt. Sie beeinflusst über Serotoninrezeptoren (5-HT2A-Rezeptoren) das Vorderhirn. Eine Phase-3-Studie (Zulassungsstudie) dazu konnte wegen ihrer hohen Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen werden. Ein Rückfall trat bei 13 % der Patienten in der Pimavanserin-Gruppe vs. bei 28 % in der Placebo-Gruppe auf. Nebenwirkungen betrafen in 41% Kopfschmerzen, Harnwegsinfekt und eine QT-Verlängerung im EKG. (33)N Engl J Med 2021; 385:309-319 DOI: 10.1056/NEJMoa2034634

Selbstbestimmte Vorsorge

Es ist von entscheidender Bedeutung für eine selbstbestimmte Behandlung und Betreuung bei absehbar zunehmender Demenz, spätestens im Frühstadium eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht zu verfassen, in denen alle voraussehbaren Probleme für den Fall der eigenen Unfähigkeit, einen eigenen Willen zu äußern, angesprochen werden (siehe auch unter Selbstbestimmung). Besondere Probleme, die angesprochen werden sollten, betreffen die Betreuung im Endstadium, in dem gelegentlich eine aufwändige technische Lebenserhaltung in Frage steht.

PEG-Sonde im Endstadium?

Ein besonderes Problem bei der Betreuung entsteht im Endstadium einer Demenz durch eine zunehmende Schluckstörung. Die Zeit, die zum Füttern erforderlich ist, kann erheblich zunehmen und schließlich zeitlich nicht mehr aufzubringen sein. Auch können sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen die Episoden des Verschluckens häufen. In solchen Situationen kommt meist der Gedanke an die Anlage einer PEG-Sonde auf. Da sie in dem erreichten Stadium des Hirnabbaus jedoch in einen beginnenden Sterbeprozess eingreifen kann, stellt ihre Indikation unter Umständen ein ethisches Problem dar, das individuell gelöst werden muss (siehe hier).

Verweise

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Literatur

Literatur
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