Werbeflyer in der Praxis – Verweisung an Anbieter durch den Arzt

Artikel aktualisiert am 5. Dezember 2018


Werbeflyer in der Praxis sind problematisch. Ungefragte Aushändigung eines Werbeflyers ohne hinreichenden Grund durch einen Arzt an einen Patienten ist sowohl wettbewerbs- als auch berufswidrig

Das Landgericht Karlsruhe hat entschieden, dass besondere Qualitätsmerkmale eines Anbieters von gesundheitlichen Leistungen die Verweisung eines Patienten dorthin nur dann rechtfertigen können, wenn dies aufgrund der speziellen Bedürfnisse gerade dieses Patienten geschieht.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Wettbewerbszentrale einen Patienten als Testperson angeheuert und in eine HNO-Arztpraxis geschickt. Nachdem der HNO-Arzt die Schwerhörigkeit des Patienten festgestellt hatte und zu dem Ergebnis kam, dass die Versorgung mit einem Hörgerät notwendig ist, händigte er dem Patienten den Flyer eines Hörgeräteakustikunternehmens aus.

Das Landgericht Karlsruhe hat hierin einen Verstoß gegen § 34 Abs. 5 der Berufsordnung Ärzte gesehen, wonach es Ärzten nicht gestattet ist, ihre Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Unter einer „Verweisung“ im Sinne dieser Vorschrift seien nicht nur den Patienten bindende Überweisungen zu verstehen, sondern nach Wortlaut und Überschrift erfasse die Norm grundsätzlich auch Empfehlungen, da nach dem Zweck der Regelung die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Geschäfte und Anbieter gesundheitlicher Leistungen gewährleistet werden solle und diese Wahlfreiheit schon dann beeinträchtigt sei, wenn der Arzt den Patienten von sich aus einen bestimmten Erbringer gesundheitlicher Leistungen nahelege oder auch nur empfehle. Ausgenommen hiervon seien lediglich solche Empfehlungen, um die der Patient bitte.

Vom Begriff der Verweisung in § 34 Abs. 5 Berufsordnung-Ärzte seien daher alle Empfehlungen für bestimmte Leistungserbringer erfasst, die der Arzt seinen Patienten von sich aus erteile. Dazu zähle auch die Empfehlung nur eines Anbieters durch Plakate, Flyer, Visitenkarte und Gutscheine.

Eine solche Verweisung im Sinne des § 34 Abs. 5 Berufsordnung wäre nur mit hinreichendem Grund zulässig. Hinreichende Gründe können sich aus der Qualität der Versorgung, aus der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben. Eine generelle Verweisung an einen bestimmten Anbieter ist dagegen mit § 34 Abs. 5 Berufsordnung-Ärzte unvereinbar. Diese Bestimmung lässt die Verweisung an einen bestimmten Anbieter nur im Ausnahmefall zu.

Im Regelfall soll dagegen die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten unter den Anbietern gesundheitlicher Hilfsmittel gewährleistet bleiben.

Nicht ausreichend sei danach die größere Bequemlichkeit eines bestimmten, kürzeren Versorgungswegs, wenn es sich nicht um einen gehbehinderten Patienten handele. Die Qualität der Versorgung könne nur dann im Einzelfall einen hinreichenden Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 Berufsordnung-Ärzte darstellen, wenn die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität biete. Dem gegenüber reichen in langjähriger, vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnene, gute Erfahrungen oder einen allgemein hohe, fachliche Kompetenz des Anbieters oder seiner Mitarbeiter für einen hinreichenden Grund nicht aus, da es sich um Umstände handelt, die unabhängig von den Bedürfnissen des einzelnen Patienten generell vorlägen.

Auch den Einsatz einer Testperson hat das Gericht für zulässig erachtet. Der Gewerbetreibende oder freiberuflich Tätige, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, müsse solche Testmaßnahmen im Interesse der Allgemeinheit dulden, sofern sich der Tester wie ein normaler Kunde verhalte. Ohne derartige Testmaßnahmen wären Verstöße von Unternehmen vielfach nicht aufzudecken. Testmaßnahmen sind nach Auffassung des Landgerichts Karlsruhe ein weithin unentbehrliches Mittel zur Überprüfung des Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern.

Quelle: Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 08.07.2011, Az. 14 O 108/10, KfH III

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Autorin der Seite: St. Dönnebrink
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