Torsade-de pointes-Tachykardie

Artikel aktualisiert am 13. Dezember 2022

Die Torsade-de pointes-Tachykardie ist ein besonderer Typ einer Ventrikeltachykardie und gehört zu den malignen Herzrhythmusstörungen. Im EKG zeigen sich rasch aufeinander folgende polymorphe QRS-Komplexe, die in ihrer Amplitude wellenförmig an- und abschwellen. Torsade-de pointes-Tachykardien wiederholen sich häufig und führen entsprechend zu wiederholten Synkopen. Gefährlich sind sie wegen ihrer Neigung zu Kammerflimmern und ihrer hohen Mortalität (Sterblichkeit).


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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die Torsade-de pointes-Tachykardie ist eine bösartige, oft tödlich verlaufende Herzrhythmusstörung, bei der es zu kreisenden Erregungen und Kontraktionen im Herzmuskel kommt.

Diagnose: Im EKG ist die Bereitschaft zu Torsaden durch ein langes QT-Intervall erkennbar. Long-QT-Syndrome (LQTS) können angeboren (das Jervell-Lange-Nielsen- und das Romano-Ward-Syndrom) und auch erworben sein.

Auslöser: Vor allem kommen Medikamente (Psychopharmaka, z. B. trizyklische Antidepressiva) als exogene Auslöser einer Torsade-de pointes-Tachykardie infrage. Vor Beginn solcher Medikamente sollte über ein EKG gesichert sein, dass kein verlängertes QT-Intervall vorliegt. Ihre Wirkung am Herzen sollte daher auch nach Therapiebeginn über ein EKG kontrolliert werden.

Therapie: Die Behandlung beinhaltet

  • eine Vermeidung aller Medikamente, die zu Rhythmusstörungen veranlassen können, sowie
  • eine Kontrolle und ggf. Normalisierung erhöhter Kalziumspiegel,
  • Betablocker: sie stellen meistens die Basis einer medikamentösen Vorsorge dar.

Bei einer Veranlagung zu Torsaden kann ein implantierbarer Defibrillator lebensrettend sein. Eine kardiale Sympathicus-Denervierung des Herzens zur Abschirmung von Stress wirkt vorbeugend.

Entstehung

Ausgelöst werden die Torsade-de pointes-Tachykardien durch lange QT-Intervalle, die entweder angeboren oder medikamentös ausgelöst sind. Für die angeborenen Torsaden sind drei Hauptgene, LQT1, LQT2 und LQT3, verantwortlich. Sie machen mehr als 80 % der 15 bekannten Genotypen des Long-QT-Syndroms (LQTS) aus. (1)Journal of human genetics. 2016;61(1):51–5. doi: 10.1038/jhg.2015.74

Das QT-Intervall ist definiert als Zeit zwischen dem Beginn von Q, dem Beginn der ventrikulären Depolarisation, und dem Ende von T, dem Ende der ventrikulären Repolarisation (nicht von U oder einer TU-Verschmelzungswelle, wie sie bei einer Hypokaliämie vorkommt). Die mit der Verlängerung der QT-Intervalle einhergehende Verlängerung der Repolarisationszeit, die im Herzmuskel regional unterschiedlich sein kann, führt zu einer auch regional unterschiedlichen erneuten Erregbarkeit, was zu kreisenden Kontraktionen führen kann.

Eine ausgeprägte Hypokaliämie führt zu TU-Verschmelzungswellen, die manchmal mit einer verlängerten QT-Zeit verwechselt werden.

Angeborene und erworbene Torsaden

Angeborene lange QT-Intervalle sind

Inzwischen sind für die vererblichen Long-QT-Syndrome verschiedene Gendefekte bekannt geworden. Es gibt (Stand 2019) 17 verschiedene Subtypen mit monogenetischen und 15 mit autosomal dominanten Mutationen. (2)Pediatr Cardiol. 2019 Oct;40(7):1419-1430. DOI: 10.1007/s00246-019-02151-x

Erworbene verlängerte QT-Intervalle

Sie werden vor allem durch Antiarrhythmika der Klassen 1a, 1c und 3, durch trizyklische Antidepressiva, Phenothiazine und einige andere Medikamente hervorgerufen. Auch weitere Medikamente können zu einem erhöhten Torsade-Risiko führen. (3) 2010 Jan-Feb;107(1):53-8. Dazu gehören Azol-Fungizide (4) 2017 Jun 30;2017(2):11. doi: 10.21542/gcsp.2017.11. und Makrolide wie Clarithromycin (5) 2016 May-Jun;23(3):e955-6. doi: 10.1097/MJT.0000000000000109. oder Azithromycin (6) 2015 Jul;15(3):232-40. doi: 10.1007/s12012-014-9289-4..

Eine Hyperkalzämie z. B. im Rahmen eines multiplen Myeloms kann ebenfalls zu einer bösartigen Torsade füren. (7) 2017 Jun;75(5):208-210.

Diagnostik

Torsaden sind im Akut-EKG in der Regel nicht erfassbar; auf Überwachungsstationen werden sie durch Dauermonitoring erkannt. Auch in Speicher-EKG-Aufzeichnungen werden sie häufig nicht erfasst. Bei der Diagnostik gelegentlicher Synkopen ist ein implantierbarer Eventrekorder hilfreich.

Therapie

  • Lidocain: Bei einer nachgewiesenen Torsade-Veranlagung oder bei Torsaden durch Medikamente muss das QT-Intervall medikamentös verkürzt werden. Dazu eignet sich Lidocain (Klasse 1b-Antiarrhythmikum).
  • Magnesium: Magnesium (auch als Infusion) kann ebenfalls stabilisierend wirken.
  • Isoproterenol steigert die Herzfrequenz und verkürzt darüber das QT-Intervall.
  • Überprüfung der Medikation: Auslösende Antiarrhythmika sollten abgesetzt werden und bleiben.
  • Betablocker: Patienten mit angeborener Veranlagung zu einem verlängerten QT-Intervall (s.o.) benötigen eine Dauertherapie, individuell kann ein ß-Blocker sinnvoll sein.
  • Ein implantierbarer Defibrillator (ICD) schützt vor einem letalen Ausgang der Torsaden und von Kammerflimmern.

Häufig eingesetzte Behandlungsmaßnahmen: Als Basistherapie werden meistens Betablocker eingesetzt. Ein implantierbarer Defibrillator gehört zur Vorsorge hinzu. Auch kann eine linksventrikuläre Sympathektomie (Abkopplung des Herzens von dem Einfluss des Nevus sympathicus) eine wirksame Vorsorge darstellen. (8)Cureus. 2021 Sep 1;13(9):e17632. DOI: 10.7759/cureus.17632 Bei den Betablockern werden unterschiedliche Wirksdamkeiten festgestellt: Nadolol war speziell bei LQT1 und LQT2 wirksam.

Linkskardiale Sympathektomie: Sie kann auf verschiedene Weise erfolgen. Eine Stellatumblockade führt als Nebenwirkung zu einem erhöhten Risiko eines Horner-Syndroms. Eine thorakoskopische selektive Ausschaltung der thorakalen Ganglien (linksseitige Sympathektomie T1-T5) war laut einer Zusammenstellung von Ergebnissen weitgehend erfolgreich, indem während der Nachbeobachtungszeit von 1 Monat bis 11 Jahren bei 64/520 Patienten keine Symptome mehr auftraten. Die Abhängigkeit von Betablockern nahm ab. In seltenen Fällen (13/520) trat ein Horner-Syndrom auf. (9)Heart Lung Circ. 2019 Mar;28(3):486-494. DOI: 10.1016/j.hlc.2018.02.005

Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator, ICD: Er wirkt sehr effektiv bezüglich Vermeidung eines plötzlichen Herztodes. Nachteil ist eine oft unangemessene Auslösung. In einer Auswertung der Behandlungsdaten bei LQTS-Patienten wurden bei 42 % unangemessene Schocks ausgelöst (2 bis zu 54 Schocks), die auch zu Explantationen führten. (10)Heart Rhythm. 2016 Apr;13(4):879-85. doi: 10.1016/j.hrthm.2015.12.008 Auch bei SQTS-Patienten wurden häufig (bei 33 %) unangemessene Schocks ausgelöst. (11)Clin Res Cardiol. 2019 Oct;108(10):1140-1146. doi: 10.1007/s00392-019-01449-3 Ein ICD wird daher nicht überall als die beste Vorsorge beim LQTS angesehen. (12)Heart Rhythm. 2016 Apr;13(4):886-7. DOI: 10.1016/j.hrthm.2015.12.035.

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1Journal of human genetics. 2016;61(1):51–5. doi: 10.1038/jhg.2015.74
2Pediatr Cardiol. 2019 Oct;40(7):1419-1430. DOI: 10.1007/s00246-019-02151-x
3 2010 Jan-Feb;107(1):53-8.
4 2017 Jun 30;2017(2):11. doi: 10.21542/gcsp.2017.11.
5 2016 May-Jun;23(3):e955-6. doi: 10.1097/MJT.0000000000000109.
6 2015 Jul;15(3):232-40. doi: 10.1007/s12012-014-9289-4.
7 2017 Jun;75(5):208-210.
8Cureus. 2021 Sep 1;13(9):e17632. DOI: 10.7759/cureus.17632
9Heart Lung Circ. 2019 Mar;28(3):486-494. DOI: 10.1016/j.hlc.2018.02.005
10Heart Rhythm. 2016 Apr;13(4):879-85. doi: 10.1016/j.hrthm.2015.12.008
11Clin Res Cardiol. 2019 Oct;108(10):1140-1146. doi: 10.1007/s00392-019-01449-3
12Heart Rhythm. 2016 Apr;13(4):886-7. DOI: 10.1016/j.hrthm.2015.12.035.