Thrombozyten

Artikel aktualisiert am 30. Mai 2021


Definition

Thrombozyten (englisch platelets) werden landläufig als „Blutplättchen“ bezeichnet und sind sehr kleine, im Lichtmikroskop nur soeben erkennbare kernlose Zellteile, die als Abschnürungen von Knochenmarksriesenzellen ins Blut abgegeben werden. Ihre Lebenszeit beträgt etwa 10 Tage.


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Funktion

Thrombozyten tragen entscheidend zur ersten Blutstillung und Gefäßabdichtung bei Verletzungen bei. Wenn ein Defekt der Endothelschicht arterieller Blutgefäße, z. B. durch Aufplatzen arteriosklerotischer Plaques, eintritt, dann beginnt ein Abdichtungsmechanismus. Mediatorstoffe aus dem Verletzungsgebiet führen zu einer Anlagerung (Adhäsion) von Thrombozyten, die als Thrombozytenthrombus bereits eine erste Abdichtung bewirken. Die verklumpten Thrombozyten setzen weitere Mediatoren frei, die zur Bildung eines Blutgerinnsels (plasmatische Gerinnung) führen. Dabei reagieren Gerinnungsfaktoren, die im Blut vorhanden sind, kaskadenartig so zusammen, dass schließlich aus Fibrinogen Fibrin wird (siehe hier). Das entstehende Fibrin bildet den Hauptbestandteil des fertigen Thrombus.

Thrombozyten müssen zur Ausübung ihrer Abdichtfunktion dort anhaften, wo die Blutbahn verletzt ist. Dies wird durch besondere Faktoren vermittelt: den von-Willebrand-Faktor, Fibronectin und Fibrinogen. Ein Mangel an von-Willebrand-Faktor, wie er angeborenerweise vorkommen kann, hat eine Blutungsneigung zur Folge (von-Willebrand-Jürgens-Syndrom). Thrombozyten haften untereinander über Fibrinogen aneinander, die an Integrinen (Glykoproteinrezeptoren) der Thrombozytenmembran ansetzen. Es kommt so zu einer dreidimensionalen Netzstruktur.

Der Plättchen-Rezeptor GP IIb/IIIa (GP für Glykoprotein) gehört zu den Integrinen. Bei der Plättchenaktivierung wird er wie die anderen Integrine aus dem Reservoir des Zellinneren an die Oberfläche gebracht, wo sie die Thrombogenität der Thrombozyten erhöhen (= Thrombozytenaktivierung), indem sie Fibrinogen oder den von-Willebrand-Faktor binden.

GP-IIb/IIIIa-Antagonisten, wie Tirofiban (Aggrastat), oder der gentechnisch hergestellte Antikörper Abciximab (ReoPro) werden therapeutisch eingesetzt, um die Ausbildung von Thrombozytenthromben zu unterdrücken. Dies bewirkt speziell beim Herzinfarkt oder nach Katheterintervention an Koronararterien einen günstigen Effekt, indem die Hemmung ischämische Komplikationen vermindert. Dies könnte nach bisherigen Ergebnissen auch für den Schlaganfall zutreffen.

Ein angeborener Mangel an speziellen Integrinrezeptoren führt zu einer Funktionsschwäche bezüglich der Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten (Thrombasthenie Glanzmannn), was wiederum eine Blutungsneigung bewirkt.

Die Plättchenmembran besitzt zudem Rezeptoren für Adrenalin, ADP, Kollagen und Arachidonsäure. Sie modulieren ebenfalls die Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten. Die Adrenalinausschüttung im Stress scheint eine physiologische Rolle auch für die Stillung von Blutungen, die bei körperlicher Anstrengung vorkommen können, zu spielen. Sie fördert aber möglicherweise auch die Bildung von Thromben in Koronararterien, wenn die Disposition dafür besteht.

Referenzbereich

Die Normbereiche variieren altersabhängig; im Kindesalter liegen sie höher als im Erwachsenenalter (pro μl):

  • 5-15 Jahre: 250 – 440.000
  • Erwachsene: 150.000 – 380.000

Bitte beachten: die verschiedenen Labore geben unterschiedliche Normwerte an.

Erniedrigte Werte

Folgende Ursachen können einer Thrombopenie zugrunde liegen:

  • verminderte Bildung im Knochenmark
  • erhöhter Umsatz, verkürzte Lebenszeit
    • bei disseminierter intravasaler Gerinnung (z. B. bei Sepsis)
    • bei Splenomegalie
    • bei Autoantikörpern gegen Thrombozyten (z. B. Autoimmunthrombopenie, Morbus Werlhof),
    • idiopathische Thrombozytopenie

Eine starke Erniedrigung der Thrombozytenzahlen verhindern eine effektive Gerinnung des Bluts, was sich durch häufige blaue Flecken, kleine punktförmige Hautblutungen (petechiale Blutungen), Nasenbluten, Zahnfleischbluten oder durch einen unbemerkten Blutverlust über den Darm mit Ausbildung einer Blutarmut (Anämie) bemerkbar machen kann.

Erhöhte Werte

Folgende Ursachen können einer Thrombozytose zugrunde liegen:

  • post- und paraentzündlich,
  • paraneoplastisch (Tumorsuche erforderlich),
  • essentielle Thrombozythämie,
  • Polycythämia vera (im Rahmen einer Überproduktion aller drei Zelllinien im Knochenmark),
  • Nach Splenektomie (operative Milzentfernung).

Erhöhte Thrombozytenzahlen führen zu einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse (Thrombose, Embolien).

Eine anhaltende Thrombozytose führt oft zu einer ausführlichen Suche nach einem Tumor oder entzündlichen Herd (z. B. chronische Cholezystitis? Zahngranulome? Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis)? Divertikulitis?) im Körper.

Bei einer Thrombozytose kann eine Funktionsschwäche der Thrombozyten vorliegen (Thrombozytopathie), so dass eine erhöhte Gerinnungsneigung nicht besteht. Dies kann durch einen Plättchenfunktionstest unterschieden werden.


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Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).