Postcholezystektomiesyndrom

Artikel aktualisiert am 15. Januar 2024

Als Postcholezystektomiesyndrom werden rechtsseitige Oberbauchbeschwerden bezeichnet, die nach einer operativen Gallenblasenentfernung (Cholecystektomie, CCE) fortbestehen oder neu auftreten. (1)J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897

Gallensteinleiden
Reizdarm


Symptomatik und mögliche Ursachen

Die CCE-Rate stieg nach Einführung der laparoskopischen Op-Methode um 20-50%. Etwa 80-90% der Patienten beurteilen den Erfolg positiv, obgleich bis zu 50% über die Persistenz von 1-2 Symptomen wie Flatulenz (Blähungen) oder abdominelle Missempfindungen klagen; 5-12% klagen über Diarrhö (Durchfälle), wobei ein irritables Kolon (Reizdarm) die häufigste Ursache ist. Bleiben typische Gallenbeschwerden im rechten Oberbauch und neuerliche Koliken bestehen, so kann eine Mikrolithiasis oder ein versteckter Stein in den Gallenwegen oder eine Fehlfunktion des Schließmuskels an der Mündung des Gallengangs vorliegen. Wenn die Beschwerden neu auftreten, ist eine veränderte Gallekinetik, d. h. eine kontinuierliche statt einer bedarfsgerechten, durch die Gallenblase portionierten Gallesekretion in den Dünndarm eine der wahrscheinlichsten Ursachen. (2)J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897


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Differenzialdiagnosen

Wenn neben typischen Gallenbeschwerden (druckschmerzhafte Gallenblase, Gallenkoliken) eine Dyspepsie (funktionelle Magendarmbeschwerden ohne organisches Korrelat) vorliegt, so bessert sie sich nach einer Gallenblasenoperation (Cholezystektomie) in 41–91 %. Sie kann unabhängig von, aber zusammen mit Gallenblasenbeschwerden bestehen, und sich auch nach einer Gallenblasenoperation neu entwickeln (Anstieg von 150 %). Durchfälle nehmen zu und treten bei 14–17 % der Patienten nach einer Cholezystektomie auf. (3) J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897 Die entsprechende Symptomatik kann der eines Reizdarmsyndroms ähneln.

Postcholecystektomiesyndrom mit verbleibenden Beschwerden

Wenn nach einer Gallenblasenoperation Beschwerden im rechten und mittleren Oberbauch verbleiben, sind folgende Differenzialdiagnosen zu beachten:

  • Mikrolithiasis: kleinste Konkremente in der Galle, die durch Ultraschall und Röntgenmethoden nicht erfassbar sind (Therapie: Papillotomie),
  • Versteckte Gallensteine: übersehenes Caroli-Syndrom? (Dieser Befund ist bei einer präoperativen MRCP nicht zu übersehen.)
  • Chronische Cholangitis (viral oder eitrig): Diagnostik durch Labortests und sensible bildgebende Verfahren, (4)Br J Radiol. 2021 Sep 1;94(1125):20210417. DOI: 10.1259/bjr.20210417, Therapie nach Ursache,
  • Sphincter-Oddi-Dysfunktion: vermehrte Krampfbereitschaft des Schließmuskels am Übergang von Gallengang zum Zwölffingerdarm (Therapie: entkrampfende Medikamente, z. B. Nitrat-Pflaster oder Trimebutin).

Postcholecystektomiesyndrom mit neu aufgetretenen Beschwerden

  • Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms: Die nach einer Cholezystektomie eintretende Veränderung der Verdauungstätigkeiten im Dünndarm können zu einem Aufkommen einer bakteriellen Fehlbesiedlung führen, die Ursache von Blähungen, dyspeptischen Beschwerden und Durchfällen sein kann. (Th.: Antibiotika, z. B. Ciprofloxacin + Metronidazol oder Rifaximin),
  • Veränderung der Sekretion von Galle in den Dünndarm: Die anforderungsgerechte Zumischung von Galle zum Speisebrei entfällt nach Entfernung der Gallenblase als Speicherorgan. Galle wird ständig von der Leber sezerniert und statt in den Zwischenspeicher nun kontinuierlich in den Zwölffingerdarm abgegeben, auch wenn bei Nüchternheit keine Verdauung stattfindet. Bei größeren fettreichen Mahlzeiten kann Galle aus einer Gallenblase nicht mehr mobilisiert werden. Sie steht daher für die Fettverdauung nicht ausreichend zur Verfügung. Bei Nüchternheit gelangt die ständig nachsezernierte Galle in den Dickdarm und verursacht Durchfälle (Gallensäure-Spillover). (5)Frontline Gastroenterol. 2019 Sep 11;11(5):358-363. DOI: 10.1136/flgastro-2019-101301 (6)J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897 Die hierauf beruhende Symptomatik (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfälle, ggf. Fettstühle) wird vielfach als eigentliches Postcholezystektomiesyndrom aufgefasst. Gallensäurebinder (wie Cholestyramin, z. B. 2-12 g/Tag) können therapeutisch wirksam sein. Eine testweise Anwendung ist zu empfehlen. (Dosierung überprüfen!) (7)Am J Gastroenterol. 1992 Dec;87(12):1852-4. (8)Rev Esp Med Nucl Imagen Mol (Engl Ed). 2019 Sep-Oct;38(5):305-311. English, Spanish. doi: … Continue reading

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Diagnostik

In der Regel werden vor einer Cholezystektomie die wesentlichen Differenzialdiagnosen von Oberbauchbeschwerden untersucht. Dazu gehören eine Gastroskopie (Gastritis? Magenulkus?), eine Sonographie des Abdomens inkl. der Leber, der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse, und unter Umständen auch eine Computertomographie des Oberbauchs und eine MRCP (z. B. wenn die Bauchspeicheldrüse als Ursache noch besser ausgeschlossen werden soll).

  • Unter Umständen sind Sonographie und Endosonographie der distalen Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse bei einem Postcholezystektomiesyndrom zu wiederholen.
  • Eine MRCP kann Gallensteine in den Gallenwegen oder organisch Anomalien erkennen lassen.
  • Ein H2-Atemtest mit Laktulose und Glukose kann eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms aufdecken.
  • Eine Gewinnung von Galle (z. B. im Rahmen einer Spiegelung) zu Untersuchung auf Mikrolithen (kleinste Konkremente) unter dem Mikroskop kann eine Mikrolithiasis aufdecken.

Manchmal jedoch bleibt die Ursachendiagnostik eines Postcholezystektomiesyndroms ohne Erfolg, und es bleibt eine symptomatische Therapie (z. B. diätetisches Herangehen, Butylskopolamin bei Bedarf, ein Prokinetikum etc.) Wenn ein ex-juvantibus-Therapieversuch mit Hymecromon zu einer Symptomlinderung führt, kann dies auf eine Sphincter-Oddi-Dysfunktion hindeuten.


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Therapie

Die Behandlung wird von der jeweiligen Ursache bestimmt (siehe oben unter Differenzialdiagnosen). Sie kann problematisch sein, wenn die Symptomatik der eines Reizdarmsyndroms entspricht und die Diagnostik dies nicht eindeutig unterscheiden kann.

Verweise

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Literatur

Literatur
1J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897
2J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897
3 J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897
4Br J Radiol. 2021 Sep 1;94(1125):20210417. DOI: 10.1259/bjr.20210417
5Frontline Gastroenterol. 2019 Sep 11;11(5):358-363. DOI: 10.1136/flgastro-2019-101301
6J Clin Med. 2023 Feb 28;12(5):1897. doi: 10.3390/jcm12051897
7Am J Gastroenterol. 1992 Dec;87(12):1852-4.
8Rev Esp Med Nucl Imagen Mol (Engl Ed). 2019 Sep-Oct;38(5):305-311. English, Spanish. doi: 10.1016/j.remn.2018.12.005