Obstipation

Artikel aktualisiert am 12. Juli 2022

Die Obstipation (Verstopfung, engl.: obstipation, constipation) ist eine Entleerungsstörung des Darms, die zu Stuhlverhalt, Hartleibigkeit und einem zunehmend belastendem Gefühl im Abdomen führt. Sie wird je nach Ursache behandelt; manchmal sind jedoch auch falsche Stuhlgewohnheiten eingefahren, die nicht überwunden werden können. Eine differenzierte Diagnostik ist in jedem Fall erforderlich. (1)Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424-31 (2)Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: S82-S84 (3)Sharma A, Rao S. Constipation: Pathophysiology and Current Therapeutic Approaches. Handb Exp … Continue reading

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Definition

Obstipation bedeutet Verstopfung. Früher galten verlängerte Retention des Koloninhalts und seltene Stuhlentleerung (< 3x pro Woche) als bezeichnend, neuerdings kommen zusätzliche Kriterien hinzu, wie Schwierigkeiten bei der der Stuhlentleerung (Schmerzen, starkes Drücken), sehr harte Stühle und das Gefühl der unvollständigen Entleerung. Die „Rom-Kriterien“ besagen, dass mindestens 2 der folgenden Beschwerden erfragbar sein sollen:

  • heftiges Pressen in mindestens 25% der Stuhlgänge,
  • sehr harte Stühle in mindestens 25% der Stuhlgänge,
  • Gefühl der inkompletten Entleerung in mindestens 25% der Stuhlgänge,
  • Gefühl der analen „Blockierung“ in mindestens 25% der Stuhlgänge,
  • manuelle Ausräumung in mindestens 25% der Stuhlgänge,
  • nicht mehr als 2 Entleerungen pro Woche.

Ursachen

Die meisten Ursachen einer Verstopfung sind ohne besonderen Krankheitswert, auch wenn die Verstopfung lästig sein kann. So ist die hormonell bedingte Darmträgheit, unter der viele Frauen leiden, keine Krankheit sondern eine Funktionsanomalie des Darms. Viele Fälle von Darmträgheit sind durch falsche Stuhlgangsgewohnheiten „anerzogen“. Der Darm ist falsch „trainiert“ worden. Zeitung lesen auf der Toilette oder Rauchen um den Darm anzuregen sind Verhaltensweisen, die im Laufe der Zeit zu einer problematischen Defäkationsgewohnheit führen, die sich verselbständigen kann. Von diesen im Prinzip gutartigen problematischen Darmgewohnheiten sind krankhafte abzugrenzen.

Folgende Ursachen können bei einer Obstipation vorliegen :

  • psychogen und durch falsches Verhalten bedingt: z. B. Reiseobstipation, falsche Stuhlgewohnheiten (unregelmäßige Toilettengänge, auf der Toilette lesen…)
  • endokrin: Akzentuierung durch Hormone (Frauen leiden häufiger darunter als Männer; Funktionsanomalie, keine Krankheit), Schwangerschaft, Hypothyreose, Diabetes mellitus,

Meist findet sich bei einer schwer behandelbaren Obstipation eine Kombination einzelner dieser Faktoren, manchmal verstärkt durch zu geringe Flüssigkeitszufuhr und durch mangelhafte körperliche Bewegung (z. B. im Alter oder bei körperlicher Behinderung).

In einigen Fällen liegt möglicherweise eine genetische Verankerung vor, so bei der Hirschsprung-Krankheit (4)Ann Med. 1998 Feb;30(1):66-74. doi: 10.3109/07853899808999386, der familiären Amyloidneuropathie (5)Dig Dis. 2013;31(1):170-4. DOI: 10.1159/000347214 oder der kongenitalen Hypothyreose. (6)Orphanet J Rare Dis. 2010 Jun 10;5:17. DOI: 10.1186/1750-1172-5-17.

Krankheiten, die mit einer Verstopfung assoziiert sind

Die Ursachen einer Verstopfung können in folgenden Krankheiten liegen:

Diagnostik der Obstipation

Therapie der Obstipation

Nichtoperative Maßnahmen

Grundsätzlich von Bedeutung sind folgend Maßnahmen:

Im Einzelfall sollte entschieden werden, ob Stuhlregulantien und Abführmittel (Laxantien) nötig sind. Dazu stehen folgende Substanzgruppen zur Verfügung :

  • Gleitmittel (z.B. Paraffinöl): sie können harten Stuhl gleitfähig machen und dadurch die Stuhlentleerung fördern. Sie sind nicht zu einer längerdauernden Verabreichung geeignet, sondern können eine akute Obstipation beheben helfen.
  • Quellmittel (z. B. gemahlene Kleie, Leinsamen, Flohsamen): sie wirken durch Vergrößerung des Stuhlvolumens (prokinetischer Anreiz) und haben zusätzlich den guten Effekt, Gallensäuren zu binden und auf lange Frist den Cholesterinspiegel zu senken.
  • Osmotisch wirkende Mittel (z.B. Magnesiumsulfat oder Sorbit): sie werden als rasch wirkende Abführmittel eingesetzt.
  • Darm umstimmende Mittel: dazu gehört speziell Laktulose; sie wirkt osmotisch und zusätzlich durch Veränderung des pH´s im Darmlumen und dadurch der bakteriellen Flora (Mikrobiom).
  • Darmirritierende Mittel (Drastika wie Anthranoide und Diphenolmethane): sie können die Darmschleimhaut auf Dauer schädigen (Melanosis coli, erhöhtes Krebsrisiko) und sind in einzelnen Ländern verboten.
  • Prokinetika wie Prucaloprid (die Vorläufersubstanz Cisaprid wurde wegen kardialer Nebenwirkungen vom Markt genommen): sie wirken bei Darmträgheit. Es werden neue serotonerge 5-HT4-Agonisten, dopaminerge D2/3-Antagonisten, Neurokinin-NK1-Antagonisten und Ghrelin-Agonisten entwickelt. (8)Front Pharmacol. 2021 Aug 24;12:711500. doi: 10.3389/fphar.2021.711500

Die dyssynergetische Verstopfung (ohne mechanisches Hindernis) ist ein schwieriges Problem. Eine Biofeedback-Therapie bleibt die wichtigste Maßnahme. (9)Sharma A, Rao S. Constipation: Pathophysiology and Current Therapeutic Approaches. Handb Exp … Continue reading  (10)Lancet Gastroenterol Hepatol. 2018 Nov;3(11):768-777. DOI: 10.1016/S2468-1253(18)30266-8. Neue Methoden, wie die Sakralnervenstimulation, werden entwickelt. (11)Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2020 Jan;17(1):21-39. DOI: 10.1038/s41575-019-0222-y.

Mehr zu Abführmitteln siehe hier.

Operative Verfahren

Operative Verfahren können bei proktogener Obstipation indiziert sein, so z. B. bei Morbus Hirschsprung, Beckenbodensenkung (DPS, Descending-peroneum-Syndrom), Tumorobstruktion, Rektozele, Enterozele, Invaginationen, innerem Rektumprolaps, Briden, Crohn-Stenosen.

Differenzielle Therapie

  • Patienten mit einer normalen oder verlängerten oroanalen Transitzeit (>60 Stunden): Erhöhung des Ballaststoffgehalts der Nahrung. Bei unzureichender Wirkung kommen Laxantien in Betracht.
  • Bei Patienten mit lang dauernder Obstipation, bei denen Laxantien unzureichend wirken, kann das Prokinetikum Prucaloprid in Frage kommen.
  • Patienten mit anorektaler Funktionsstörung: Versuch über Biofeedback-Therapie, ggf. Operations-Indikation prüfen.
  • Patienten mit zu geringer Flüssigkeitsaufnahme und hartem Stuhl: Normalisierung des Flüssigkeitshaushalts.
  • Patienten mit medikamentös bedingter Obstipation (speziell Morpine, Opioide, Psychopharmaka, Diuretika): Überprüfung der Medikation bzw. Erkennung und Beseitigung eines Abusus (unter Elektrolytkontrolle), ggf. Ballaststoffe, Quellmittel (s. o.).

Umstellung der Lebensgewohnheiten

Bei habitueller Obstipation hilft manchmal eine Umstellung der Lebensführung: mehr Ballaststoffe, mehr Flüssigkeit, mehr körperliche Bewegung, zusätzlich Hausmittel wie Backpflaumen, Kleie oder Leinsamen in Flüssigkeit oder Sauerkraut (was wirkt, muss ausprobiert werden).

Verweise

Fachinfos

Patienteninfos

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424-31
2Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: S82-S84
3Sharma A, Rao S. Constipation: Pathophysiology and Current Therapeutic Approaches. Handb Exp Pharmacol. 2017;239:59-74. DOI: 10.1007/164_2016_111.
4Ann Med. 1998 Feb;30(1):66-74. doi: 10.3109/07853899808999386
5Dig Dis. 2013;31(1):170-4. DOI: 10.1159/000347214
6Orphanet J Rare Dis. 2010 Jun 10;5:17. DOI: 10.1186/1750-1172-5-17.
7Medicine (Baltimore). 2018 Jul;97(27):e11187. doi: 10.1097/MD.0000000000011187
8Front Pharmacol. 2021 Aug 24;12:711500. doi: 10.3389/fphar.2021.711500
9Sharma A, Rao S. Constipation: Pathophysiology and Current Therapeutic Approaches. Handb Exp Pharmacol. 2017;239:59-74. DOI: 10.1007/164_2016_111.
10Lancet Gastroenterol Hepatol. 2018 Nov;3(11):768-777. DOI: 10.1016/S2468-1253(18)30266-8.
11Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2020 Jan;17(1):21-39. DOI: 10.1038/s41575-019-0222-y.