Metamizol – Novaminsulfon

Artikel aktualisiert am 15. Januar 2024

Metamizol (Novaminsulfon, engl. auch dipyrone; Medikamente: z. B. Novalgin ®, Analgin®) ist ein altes und weit verbreitetes Medikament zur Schmerzlinderung und Fiebersenkung.


Das Wichtigste

Kurzgefasst
Metamizol ist ein Medikament zur Schmerzbekämpfung und Fiebersenkung. Ähnlich wie Paracetamol hat es den Vorteil, keine wesentlichen Nebenwirkungen am Magendarmkanal wie Gastritis, Übelkeit und Brechreiz aufzuweisen. Im Gegensatz zu den ebenfalls fiebersenkenden und schmerzstillenden NSAR wie Ibuprofen und Indometacin hat es keine entzündungshemmenden Eigenschaften.

Metamizol wird im Allgemeinen sehr gut vertragen. Als seltene gefürchtete schwerwiegende Nebenwirkung gilt eine Schädigung des Knochenmarks mit Unterdrückung der Bildung roter und weißer Blutkörperchen (aplastische Anämie und Agranulozytose). Laut neueren Untersuchungen wurde jedoch die Häufigkeit dieser Nebenwirkungen früher deutlich zu hoch angesetzt.

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Pharmakologie

Metamizol ist ein Pyrazolon-Derivat mit einer Bioverfügbarkeit von >80 %. In der Leber wird es zu verschiedenen biologisch aktiven Produkten (wie 4-Aminoantipirin and 4-Formylaminoantipirin, 4-Acetylaminoantipirin) metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt zu bis zu 70 % über den Urin.

Wirkungen

Nach Resorption aus dem Darm wird Novaminsulfon rasch zu verschiedenen wirksamen Metaboliten abgebaut, deren Wirkungsgipfel nach etwa 1 bis 3 Stunden erreicht wird. Die Wirkungen der Metabolite scheint vielfältig zu sein und sind nicht vollständig verstanden; einer von ihnen hemmt unspezifisch COX-1 und COX-2 und damit die Prostaglandin-Synthese. Andere binden an den Cannabis-Rezeptor (CB1, CB2) im Gehirn von Versuchstieren. Das Endocannabinoidsystem scheint damit eine Rolle bei der schmerzstillenden Wirkung von Metamizol zu spielen.  (1)Bioorg Med Chem. 2012 Jan 1;20(1):101-7  (2)Behav Pharmacol. 2012 Oct;23(7):722-6

Metamizol wirkt stärker schmerzstillend (analgetisch) als Paracetamol und zudem auch etwas krampflösend (spasmolytisch). Die analgetische Potenz entspricht etwa der von Tramadol. Gegenüber Opioden hat Metamizol den Vorteil, weder Schläfrigkeit, Atemdepression noch Brechreiz hervorzurufen. In Kombination mit Opioiden kann es helfen, deren Dosis und Nebenwirkungen zu reduzieren. Gegenüber NSAR’s, wie Indometacin oder Ibuprofen, hat es den Vorteil einer niedrigeren Nebenwirkungsrate (insbesondere kaum Übelkeit und Brechreiz), aber den Nachteil einer fehlenden antientzündlichen (antiinflammatorischen) Wirkung.

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Nebenwirkungen

Agranulozytose

Die seit vielen Jahren immer wieder betonte Hauptnebenwirkung betrifft eine Schädigung des Knochenmarks mit Agranulozytose, deretwegen Metamizol in Deutschland bereits einmal vom Markt genommen worden war. In anderen Ländern ist es weiterhin nicht zugelassen. Die Rate an schwerwiegenden Knochenmarksdepressionen ist jedoch offenbar sehr gering. Eine Reevaluation der Daten ergab, dass frühere Schätzungen zur Häufigkeit einer Agranulozytose und aplastischen Anämie zu hoch gegriffen waren. Es wird angenommen, dass geografisch genetisch Unterschiede bei den Ergebnissen eine Rolle gespielt haben.

  • In Spanien beispielsweise wurde die Inzidenz einer Dipyrone-(Metamizol-)induzierten Agranulozytose 0.56 Fällen pro Million Einwohner und pro Jahr errechnet. (3)Eur J Clin Pharmacol. 2005 Jan;60(11):821-9
  • In einer schwedischen Zusammenstellung wurde die Inzidenz von 1 Fall einer Agranulozytose auf 1439 Verschreibungen gefunden. (4)Eur J Clin Pharmacol. 2002 Jul;58(4):265-74
  • In Polen wurde eine Inzidenz von lediglich 0,2 Fällen pro 1 Million Personentage festgestellt. (5)J Int Med Res. 2002 Sep-Oct;30(5):488-95 In einer weiteren Studie aus Polen wird festgestellt, dass bei einem Verbrauch von 112,300,094 Tabletten Metamizol pro Jahr eine Inzidenz von 0.25 Fällen einer aplastischen Anämie pro 1 Million Personen pro Behandlungstag auftrat. (6)Med Sci Monit. 2004 Sep;10(9):PI93-5. In einer neueren Zusammenstellung aus Polen wird die Rate für eine aplastische Anämie und Agranulozytose mit 0.16 and 0.08 Fällen pro 1 Million Personentage angegeben. (7)J Int Med Res. 2010 Jul-Aug;38(4):1374-80

Alle Untersuchungen weisen auf eine sehr geringe Rate an schwerwiegenden Nebenwirkungen. Offenbar ist die Länge der Medikation ein Faktor, der die Inzidenz beeinflusst. Die meisten Indikationen sind jedoch nur kurzfristiger Art.

Weitere Nebenwirkungen

Zu den sehr seltenen Nebenwirkungen von Novaminsulfon gehören z. B. Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut und eine anaphylaktische Reaktion, auch Schläfrigkeit, Magenbeschwerden und Übelkeit. (8)Cochrane Database Syst Rev. 2001;(3):CD003227. doi: 10.1002/14651858.CD003227

Selten entsteht eine Metamizol-induzierte Hepatopathie. (9)J Clin Pharmacol. 2019 Nov;59(11):1433-1442.

Bei einer dekompensierten Leberzirrhose erhöht sich das Risiko eines akuten Nierenversagens unter Metamizol in hohen Dosen; es sollte daher nur mit großer Vorsicht angewendet werden. (10)Dtsch Arztebl Int. 2022 Oct 14;119(41):687-693. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0280

In Schwangerschaft und Stillzeit sollte Metamizol nicht verabreicht werden.

Bei seltenen Stoffwechselkrankheiten (Porphyrie, G6PDH-Mangel (Favismus)) ist Metamizol kontraindiziert. Metamizol und Magnesiumsulfat hemmen die Aktivität der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase. (11)Clin Biochem. 2001 Jun;34(4):297-302

Metamizol erniedrigt den Wirkspiegel von Cyclosporin geringfügig. (12)Eur J Clin Pharmacol. 1999 Aug;55(6):475-8

Metamizol beeinflusst den Medikamentenstoffwechsel am Cytochrom CYP2B6 und sollte nicht zusammen mit anderen Medikamenten verabreicht werden, die darüber verstoffwechselt werden wie Bupropion, ein Medikament zur Behandlung von Depressionen und zur Raucherentwöhnung) (13)Br J Clin Pharmacol. 2012 Dec;74(6):999-1004. oder wie Efavirenz, ein antiretroviral wirkendes Medikament gegen HIV. (14)J Pharmacol Exp Ther. 2003 Jul;306(1):287-300

Indikationen

Novaminsulfon wird bei verschiedenen Indikationen eingesetzt. Beispiele sind:

  • Postoperativer Schmerz: Metamizol besserte laut Studienanalyse bei 70% der Patienten den Schmerz zu mindestens 50%. Ernsthaften Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. (15)Cochrane Database Syst Rev. 2010 Sep 8;(9):CD003227. doi: 10.1002/14651858
  • Fieber und Kopfschmerzen bei einem Virusinfekt (z. B. Erkältung).
  • Fiebersenkung bei verschiedensten fieberhaften Erkrankungen,
  • Tumorschmerzen, oft zur Einsparung von Opiaten.

Verweise

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Literatur

Literatur
1Bioorg Med Chem. 2012 Jan 1;20(1):101-7
2Behav Pharmacol. 2012 Oct;23(7):722-6
3Eur J Clin Pharmacol. 2005 Jan;60(11):821-9
4Eur J Clin Pharmacol. 2002 Jul;58(4):265-74
5J Int Med Res. 2002 Sep-Oct;30(5):488-95
6Med Sci Monit. 2004 Sep;10(9):PI93-5.
7J Int Med Res. 2010 Jul-Aug;38(4):1374-80
8Cochrane Database Syst Rev. 2001;(3):CD003227. doi: 10.1002/14651858.CD003227
9J Clin Pharmacol. 2019 Nov;59(11):1433-1442.
10Dtsch Arztebl Int. 2022 Oct 14;119(41):687-693. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0280
11Clin Biochem. 2001 Jun;34(4):297-302
12Eur J Clin Pharmacol. 1999 Aug;55(6):475-8
13Br J Clin Pharmacol. 2012 Dec;74(6):999-1004.
14J Pharmacol Exp Ther. 2003 Jul;306(1):287-300
15Cochrane Database Syst Rev. 2010 Sep 8;(9):CD003227. doi: 10.1002/14651858