Medikamente und Leberkrankheiten

Artikel aktualisiert am 26. Februar 2018

Medikamente und Leberkrankheiten interferieren in vielen Beziehungen.

  • Einerseits beeinflussen Medikamente die Leber, sie können Krankheiten hervorrufen (z. B. eine toxische Schädigung) oder den Verlauf von Krankheiten beeinflussen.
  • Andererseits können Leberkrankheiten den Medikamentenstoffwechsel beeinflussen und ihre Wirksamkeit erhöhen oder beeinträchtigen.
  • Zudem können genetische Anomalien des Medikamentenstoffwechsels zu erheblichen Änderungen ihrer Wirksamkeit führen.

Veränderung der Pharmakokinetik

Bei Leberkrankheiten können die Wirkstoffkonzentrationen von Medikamenten im Körper verändert sein. Dies kann daran liegen, dass Bluteiweiße, die für den Medikamententransport im Blut verantwortlich sind (wie beispielsweise für viele Medikamente das Albumin), in der Leber unzureichend gebildet werden (z. B. bei dekompensierter Leberzirrhose) oder dass der Leberstoffwechsel alteriert ist.

Medikamentenmetabolismus

Bei Lebererkrankungen Vorsicht bei Medikamenten mit engem therapeutischem Fenster: hohe first-pass-clearance. Für high-clearance-Medikamente sind loading- und maintainance-Dosis zu erniedrigen. Für low-clearance-Medikamente ist nur die Erhaltungsdosis zu senken. Drug-monitoring erforderlich. Wenn Prodrugs benutzt werden, ist bei Lebererkrankungen eine verzögerte Aktivierung vorauszusehen (z. B. Umwandlung von Famcyclovir in Pencyclovir, Aktivierung von ACE-Hemmern). Oft wird dies durch eine verzögerte Ausscheidung (z. B. bei Enalapril und Spirapril) kompensiert.

Veränderung der Pharmakodynamik

Bei Lebererkrankungen kann die Wirkung von Medikamenten verändert sein, und Medikamente oder ihre Metaboliten können die Leber schädigen.
Von klinischer Bedeutung sind beispielsweise Diuretika, Vasikonstriktoren und Sedativa. Die Wirkungen von Schleifendiuretika und Vasokonstriktoren sind bei Leberzirrhose etwas herabgesetzt. Für den herabgesetzten Effekt der Vasokonstriktoren (Angiotensin II, ß-adrenerge Substanzen, ANP, Endothelin) sind vermutlich eine herabgesetzte Rezeptordichte, eine Hochregulation der NO-Synthase und andere Faktoren verantwortlich.

Ausnahme

Kalzium-Kanal-Aktivatoren behalten ihre volle Wirkung.

Vorsicht bei Sedativa wegen Enzephalopathie!

Midazolam scheint relativ ungefährlich.

Adverse Reaktionen des Körpers

Erhöhte Bereitschaft des Körpers für unerwünschte Wirkungen (adverse drug effects, besonders Hepatotoxizität)

Meist sind Patienten mit chronischer Lebererkrankung nicht vermehrt gefährdet als andere. Sie haben oft reduzierte Glutathionspeicher und daher eine erhöhte Empfindlichkeit auf Acetaminophen (Paracetamol). Das gilt auch für den Fasten- oder Hungerzustand. Alkohol induziert eine Aktivitätserhöhung des Cytochrom-P450-Systems, was zu toxischen Metaboliten von Medikamenten und damit zu Transaminasenerhöhungen führen kann.

Lebererkrankungen führen zu einem erhöhten Risiko für durch ß-Laktamantibiotika induzierte Neutropenie und Aminoglykosid-assoziierte Nephrotoxizität (besonders bei obstruktiver Cholestase).

Interferenzen an Zytochrom-P450 Enzymen

Folgende Zytochrome (Cyt) der Leber sind am Metabolismus von Medikamenten beteiligt:

Cyt 1A1/A2Theophyllin, Clozapin, Coffein
Cyt 2B6Cyclophosphamid, Clopidogrel
Cyt 2C8Verapamil, Paclitaxel
Cyt 2C9Warfarin, Diclofenac, Celecoxib, Tolbutamid
Cyt 2C19Omeprazol, Diazepam, Proguanil
Cyt 2D6Codein, Propafenon, Imipramin, Tropisetron
Cyt 2E1Äthanol, Halotan
Cyt 3A4/A5Cyclosporin, Cyclophosphamid, Erythromycin, Nifedipin, Midazolam, Tamoxifen, Tacrolimus

Medikamente, die über das gleiche Zytochrom verstoffwechselt werden, können miteinander interferieren. Von den kinetischen und Bindungskonstanten hängt ab, welches bevorzugt und welches verlangsamt metabolisiert wird. Medikamente können zudem ihr zuständiges Zytochrom induzieren. Außerdem gibt es unter den Patienten „Langsammetabolisierer“ mit genetisch veränderten Zytochromen. Damit ist nicht immer voraussehbar, welche Wirkungen und Nebenwirkungen Medikamente ausüben.

Verweise