Morbus Weil

Artikel aktualisiert am 22. September 2023

Der Morbus Weil ist eine akute Infektionskrankheit. Er gehört zu den Leptospirosen; Erreger sind Leptospiren. Es handelt sich um eine weltweite Zoonose, übertragen von Ratten und Nutztieren. Sie verläuft oft selbstlimitierend mit geringer Symptomatik, kann sich aber auch in verschiedenen Schweregraden manifestieren bis hin zu lebensbedrohlicher Leber- und Nierenschädigung mit hoher Letalität. (1)Biologicals. 2013 Sep;41(5):295-7. DOI: 10.1016/j.biologicals.2013.06.010 (2)Clin Med (Lond). 2022 Jan;22(1):14-17. doi: 10.7861/clinmed.2021-0784


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.



Geschichte

Die Leptospirose wurde erstmals 1886 von Adolph Weil beschrieben.  Er beobachtete eine fieberhafte Erkrankung mit Gelbsucht, Milzvergrößerung, Nierenversagen und Bindehautentzündung.  Betroffen waren Menschen, die in der Natur mit Wasser in Kontakt kamen, so dass eine Infektion wahrscheinlich war. (3)Deutsch Arch Klin Med 1886;39:109

Erreger

Erreger sind Spirochäten. Es wurden verschiedene Serotypen von Leptospiren identifiziert (L. icterohaemorrhagica, L. canicola, L. seroje, L. grippotyphosa, L. pomona). Insgesamt sind über 180 Serotypen bekannt.

Epidemiologie

Die Leptospirose tritt vor allem in tropischen und ärmeren Regionen und bei mangelhaften hygienischen Bedingungen auf, in westlichen Ländern bei Kanalarbeitern und im ländlichen Bereich mit engem Tierkontakt. (4)PLoS Negl. Trop. Dis. 2015;9:1–19. doi: 10.1371/journal.pntd.0003898

Die Übertragung erfolgt durch Kontakt mit Blut, Gewebe oder Urin infizierter Ratten. Jedoch können auch Mäuse, Rinder, Schweine, Ziegen, Hamster, Wühlmäuse, Igel, Biber, Hunde und Füchse Überträger sein. Die Erreger gelangen durch Schleimhäute und Hautverletzungen ins Blut und von dort in die Nieren. Sie werden mit dem Urin ausgeschieden.

Besonders gefährdete Personengruppen sind Landwirtschafts- und Kanalisationsarbeiter, Schwimmer in stehenden Gewässern.

Ausbrüche endemischer oder epidemischer Art kommen gelegentlich in der Folge von Naturkatastrophen (Überschwemmngen, Hurricanes) vor. (5)PLoS One. 2012;7(7):e39672. DOI: 10.1371/journal.pone.0039672 Orale Tetracycline werden in diesen Fällen zur Prophylaxe verwendet. (6)Int J Environ Res Public Health. 2017 Jun 3;14(6):594. DOI: 10.3390/ijerph14060594

Klinik und Verlauf

  • Inkubationszeit: 7-14 Tage, kann aber zwischen 2-20 Tagen variieren.
  • Erkrankungsbeginn mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Myalgien (Muskelschmerzen), Kopf- und Bauchschmerzen, Erbrechen, bei schwerem Verlauf bald nach Krankheitsbeginn auch Nierenbeteiligung (leicht bis schwer), Ikterus kann in schweren Fällen bereits nach wenigen Tagen auftreten. Eine hämorrhagische Lungenbeteiligung ist möglich. (7)Emerg Infect Dis J. 2008;14:505–8
  • Bei normalem Verlauf fällt das Fieber meist nach ca. 1 Woche ab.
  • Während der folgenden 1-2 Wochen kann es erneut zu einem Fieberanstieg kommen. Auf die „leptospiraämische“ oder „septischämische“ Phase folgt eine Immunphase, in der IgM-Antikörper im Blut erscheinen. In dieser Phase können Organismen mit dem Urin ausgeschieden werden. (8)Clin Med (Lond). 2022 Jan;22(1):14-17. doi: 10.7861/clinmed.2021-0784

Diagnostik

Labor

Leukozytose mit Linksverschiebung, mäßige Anämie und Thrombozytopenie, Erhöhung der Creatinkinase (bei Beteiligung der Skelettmuskulatur), Cholestasezeichen, mäßig erhöhte Transaminasen (bei Ikterus), Leptospiren im Urin (vom Fieberabfall an ca. 3-4 Wochen lang)

Mikrobiologie

In der 1.Woche sind Leptospiren in Blut und Liquor (Dunkelfeldmikroskopie) nachweisbar, ab der 2. Woche auch im Urin (Dunkelfeldmikroskopie). Der Leptospiren-Nachweis ist auch serologisch möglich.

Therapie

Die Erkrankung verläuft meist selbstlimitierend. In diesen Fällen ist auch keine spezifische Therapie erforderlich. Zu den symptomatischen Maßnahmen gehören eine Flüssigkeits- und Elektrolytbilanzierung.

Eine in den ersten Krankheitstagen begonnene Antibiotikatherapie kann den Krankheitsverlauf abkürzen (z.B. Penicillin G, Tetrazykline oder Erythromycin).

Bei schweren Verläufen, die meist mit einer Leber- und Nierenschädigung einhergehen und zur Entwicklung einer Niereninsuffizienz und Dialysepflichtigkeit führen, sind Antibiotika so früh wie möglich einzusetzen und eine intensivmedizinische Betreuung angezeigt.

Prognose

Im allgemeinen gut; bei schwerer Nieren-, Leber- oder Lungenbeteiligung lebensgefährlicher Verlauf möglich (siehe unter akute Leberdystrophie)

Prophylaxe

Die Erkrankung hinterlässt dauerhafte Immunität gegen den bestimmten Serotyp. Eine aktive Immunisierung ist in einigen Ländern möglich. (9)Med Mal Infect. 2004;34:196–200 (10)Microb Cell Fact. 2007;6:1–10

Zur Vorbeugung einer endemischen oder epidemischen Ausbreitung wurden Tetracycline diskutiert; ihre Effizienz ist jedoch umstritten. (11)Afr Health Sci. 2010 Jun;10(2):199-200. PMID: 21326976; PMCID: PMC2956284.

Verweise


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 


Literatur

Literatur
1Biologicals. 2013 Sep;41(5):295-7. DOI: 10.1016/j.biologicals.2013.06.010
2Clin Med (Lond). 2022 Jan;22(1):14-17. doi: 10.7861/clinmed.2021-0784
3Deutsch Arch Klin Med 1886;39:109
4PLoS Negl. Trop. Dis. 2015;9:1–19. doi: 10.1371/journal.pntd.0003898
5PLoS One. 2012;7(7):e39672. DOI: 10.1371/journal.pone.0039672
6Int J Environ Res Public Health. 2017 Jun 3;14(6):594. DOI: 10.3390/ijerph14060594
7Emerg Infect Dis J. 2008;14:505–8
8Clin Med (Lond). 2022 Jan;22(1):14-17. doi: 10.7861/clinmed.2021-0784
9Med Mal Infect. 2004;34:196–200
10Microb Cell Fact. 2007;6:1–10
11Afr Health Sci. 2010 Jun;10(2):199-200. PMID: 21326976; PMCID: PMC2956284.