Homocystein

Artikel aktualisiert am 24. April 2023

Homocystein (Hcy) ist ein Stoffwechselprodukt, das als Risikofaktor für

  • Thrombosen,
  • Embolien und
  • die Arteriosklerose mit ihren Komplikationen Herzinfarkt und Schlaganfall

gilt. (1)Eur Heart J. 2009 Jan;30(1):6-15. DOI: 10.1093/eurheartj/ehn515 Es ist eine Aminosäure, die nicht zum Proteinaufbau verwendet wird, und die aus der Aminosäure Methionin (durch Demethylierung: Entfernung des terminalen CH3) gebildet wird. Sie entsteht immer da, wo Methylgruppen für andere Stoffwechselprozesse benötigt werden, z. B. für den Aufbau von DNA, Adrenalin, Lecithin und Kreatin.

Erhöhte Homocysteinwerte


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Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst

Homocystein ist ein Laborparameter, der im Blut

bestimmt wird. Es gilt als ein wichtiger Risikofaktor für diese Komplikationen. (2)J Thromb Thrombolysis. 2022 Nov;54(4):647-659. DOI: 10.1007/s11239-022-02709-2

Eine der Ursachen für einen zu hohen Homocysteinspiegel im Blut ist der Mangel an Vitamin B12 und Folsäure. Ist ein solcher Mangel nachweisbar, so kann das Risiko für die Gefäßkomplikationen durch eine Substitution (ergänzende Zufuhr) gesenkt werden.

Bei gesunder Ernährung liegt der Homocysteinspiegel im Normbereich. Ist dies nicht der Fall, oder reagiert ein erhöhter Spiegel nicht auf die Vitaminsubsitution, muss nach einer genetischen Stoffwechselstörung gesucht werden.

Siehe auch unter Hyperhomocysteinämie.

Blutwerte

Als obere Normgrenze für Homocystein wird meist 10 µmol/l (Bereich 5 – 15) angegeben (Blutabnahme morgens nüchtern. Angaben der Laborinstitute beachten).

Ursachen erhöhter Hcy-Werte (>15 mmol/l) sind häufig:

  • Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure,
  • Medikamente (Folsäureantagonisten wie Methotrexat, Trimetoprim, Antiepileptika, Fibrate),
  • chronische Niereninsuffizienz,
  • Rauchen.
  • genetische Enzymvariante: Bekannt sind Mutationen im MTHFR-, CBS- und MS-Gen. Die Methionin-Synthase (Enzym, welches Homocystein mit Methyl-Tetrahydrofolat zu Methionin verbindet) kann durch eine Mutation in seiner Aktivität vermindert sein.

Folgen erhöhter Homocystein-Werte

Die negativen Auswirkungen von erhöhten Hcy-Werten hängen zentral mit dem von ihm ausgelösten oxidativen Stress zusammen. Er führt zur Bildung entzündlicher Reaktionen in den verschiedenen Geweben und Organen. (3)Neurochem Res. 2012 May;37(5):1057-62. doi: 10.1007/s11064-012-0707-3. (4)Free Radic Biol Med. 2020 Nov 20;160:552-565. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2020.08.029. (5)Int J Mol Sci. 2020 Oct 18;21(20):7698. doi: 10.3390/ijms21207698. Eine Erhöhung der Homocysteinkonzentration im Blut spielt eine Rolle bei der Arteriosklerose, Entzündungen, Zellschädigung, Sepsis, Thrombose, Schizophrenie und Tumoren.

Erhöhte Plasma-Hcy-Spiegel sind mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse (6)Semin Vasc Med. 2005 May;5(2):183-9. doi: 10.1055/s-2005-872403., eine beschleunigte Arteriosklerose und kardiovaskuläre Krankheiten (7)Ann Biol Clin (Paris). 2022 Feb 1;80(1):7-14. DOI: 10.1684/abc.2021.1694 sowie für für Krebserkrankungen verbunden. (8)Exp Mol Med. 2019 Feb 21;51(2):1-13. DOI: 10.1038/s12276-019-0216-4

Eine Hcy-Erhöhung wirkt sich nachteilig auf das Gehirn aus. Es besteht eine Assoziationen zwischen erhöhtem Homocysteinspiegel, kognitiver Beeinträchtigung und reduziertem Volumen der weißen Substanz. (9)Am J Geriatr Psychiatry. 2013 Feb;21(2):164-72. doi: 10.1016/j.jagp.2012.10.017. Er ist mit einem erhöhten Risiko für eine Schizophrenie und einer Untergruppe einer bipolaren Krankheit (BD-I) verbunden. (10)Front Psychiatry. 2022 Mar 21;13:841429. doi: 10.3389/fpsyt.2022.841429 Bei der Schizophrenie ist der Hcy-Spiegel mit dem Schweregrad der mentalen Störung assoziiert. (11)BMC Psychiatry. 2022 Dec 3;22(1):759. DOI: 10.1186/s12888-022-04416-x

Dazu siehe hier.

Therapie erhöhter Homocystein-Spiegel

Eine Senkung des Homocysteinspiegels im Blut verbessert die Prognose der Arteriosklerose bezüglich Progredienz und Komplikationen, und zudem auch die vieler Karzinome.

Vitamin B12 und/oder Folsäure senken bereits in geringer Dosierung einen erhöhten Homocysteinspiegel. Dies geschieht über eine Förderung der Methionin-Regeneration (s. o.). Auch vermag Pyridoxal (Vitamin B6) den Spiegel zu senken, indem es den Abbau fördert.

Auch bei tumorbedingter Thromboembolieneigung wird häufig ein erniedrigter Folat- und ein erhöhter Homocysteinspiegel gefunden. Beim Darmkrebs lag in einer Untersuchung die Prävalenz venöser Thromboembolien bei 15,3%; bei 25,4 % der Patienten fand sich ein Serum-Folatspiegel von 10,75 nmol/l und bei 30,5 % ein Serum-Homocysteinspiegel von ≥ 22 µmol/l. Es wurde empfohlen, die Serum-Folat- und Serum-Homocysteinspiegel solcher Patienten durch eine Nahrungsergänzung besser zu kontrollieren. (12)Transl Cancer Res. 2023 Jan 30;12(1):125-134. DOI: 10.21037/tcr-22-2839

Dazu siehe hier.

Stoffwechsel

Zusammengefasst

Das aus Homocystein (zusammen mit dem Folsäurederivat Methyl-FH4) gebildete Methionin dient
  • der Proteinsynthese und
  • der Bildung von S-Adenosyl-Methionin (oft abgekürzt als SAM oder AdoMet). SAM dient als Methylgruppendonator für die Synthese von
    • Lecithin (Phosphatidylcholin; Bestandteil von Zellmembranen),
    • Adrenalin und Noradrenalin und
    • für die Methylierung von DNA (für epigenetische Modifikationen von Genen).

Wenn die Regeneration von Methionin durch Mangel an Vitamin B12 und/oder Folsäure behindert ist, steigt der Hcy-Spiegel. Ein Anstieg von Hcy weist auf einen Mangel an Methionin hin, was bewirkt dass obige Aufgaben von Methionin nicht völlig erfüllt werden können.

Homocystein (HS-CH2-CH2-CHNH2-COOH) entsteht aus Methionin (CH3-S-CH2-CH2-CHNH2-COOH) durch Abspaltung der am S gebundenen CH3-Gruppe, die für Methylierungsprozesse verwendet wird (L-Methionin ist ein Methylgruppendonator).

Homocystein (Hcy) wird enzymatisch durch die Vitamin-B12-abhängige Methioninsynthetase remethyliert, wobei wiederum Methionin entsteht. Methylgruppendonator ist N5-Methyl-Tetrahydrofolsäure. Für die Lebensdauer von Homocystein sind damit Folsäure und Vitamin B12 mitverantwortlich. Homocystein kann auch abgebaut werden, wobei Cystein und Homoserin entstehen. Dieser Weg ist abhängig von Vitamin B6 (Pyridoxal).

Die Bildung von Hcy reflektiert die Aktivität der ablaufenden Methylierungsprozesse, so die von Cholin, Adrenalin, Kreatin und der methylierten RNA- und DNA-Basen Adenin, Guanin und Thymidin.

Der Hcy-Spiegel steigt über die Norm an (Hyperhomocysteinämie), wenn die Regeneration von Methionin durch Mangel an Vitamin B12 und/oder Folsäure behindert ist. Folge ist eine reduzierte Transmethylierungskapazität und damit eine Behinderung von Zellteilungen und der DNA- und RNA-Bildung. Der Homocystein-Spiegel steigt ebenfalls, wenn der Abbau zu Cystein durch einen Mangel an Vitamin B6 (Pyridoxal) behindet ist.

Hcy wirkt auf Transkriptionsfaktoren von Genen, die in Monozyten Entzündungssignale hervorrufen. Einige dieser Gene sind inzwischen bekannt. Über diese Wege erhöht sich das Risiko von Gefäßwandprozessen, die zur Arteriosklerose und Thromboseneigung beitragen. (13)Front Biosci (Landmark Ed). 2013 Jan 1;18(2):685-95. DOI: 10.2741/4131

Verweise

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur

Literatur
1Eur Heart J. 2009 Jan;30(1):6-15. DOI: 10.1093/eurheartj/ehn515
2J Thromb Thrombolysis. 2022 Nov;54(4):647-659. DOI: 10.1007/s11239-022-02709-2
3Neurochem Res. 2012 May;37(5):1057-62. doi: 10.1007/s11064-012-0707-3.
4Free Radic Biol Med. 2020 Nov 20;160:552-565. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2020.08.029.
5Int J Mol Sci. 2020 Oct 18;21(20):7698. doi: 10.3390/ijms21207698.
6Semin Vasc Med. 2005 May;5(2):183-9. doi: 10.1055/s-2005-872403.
7Ann Biol Clin (Paris). 2022 Feb 1;80(1):7-14. DOI: 10.1684/abc.2021.1694
8Exp Mol Med. 2019 Feb 21;51(2):1-13. DOI: 10.1038/s12276-019-0216-4
9Am J Geriatr Psychiatry. 2013 Feb;21(2):164-72. doi: 10.1016/j.jagp.2012.10.017.
10Front Psychiatry. 2022 Mar 21;13:841429. doi: 10.3389/fpsyt.2022.841429
11BMC Psychiatry. 2022 Dec 3;22(1):759. DOI: 10.1186/s12888-022-04416-x
12Transl Cancer Res. 2023 Jan 30;12(1):125-134. DOI: 10.21037/tcr-22-2839
13Front Biosci (Landmark Ed). 2013 Jan 1;18(2):685-95. DOI: 10.2741/4131