Hoffnung

Artikel aktualisiert am 4. April 2023

Hoffnung ist ein grundlegender Antrieb des Menschen. Im normalen Alltag ist sie als Empfindung meist wenig präsent; die Präsenz wächst jedoch mit der Bewusstheit einer Gefährdung für das eigene Wohlbefinden, sei die Gefährdung physischer oder psychischer Natur. In einer Hoffnungsskala werden verschiedene Einzelqualitäten berücksichtigt, beispielsweise: „Vertrauen und Zuversicht“, „positive Zukunftsorientierung“, „soziale Beziehungen und persönlicher Wert“ und „Perspektive bzw. Perspektivlosigkeit“. Hoffnungsfördernde Therapien können die Erfolge von onkologischen Behandlungen bei Krebspatienten und ihre Lebensqualität verbessern. Es wurde eine Assoziation von Hoffnung mit körperlicher Abwehrkraft festgestellt, die gestärkt werden kann. (1)Lancet Oncol. 2020 Sep;21(9):e452-e459. DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30210-2

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Hoffnung und Optimismus

Die Hoffnung wird meist gleichgesetzt mit Optimismus. Beide Begriffe entsprechen einer positiven Erwartungshaltung, einer Einstellung bezüglich einer Entwicklung, sei sie im gesundheitlichen, sozialen oder im finanziellen Bereich. Die Gegenspieler sind einerseits Hoffnungslosigkeit und Resignation und andererseits Pessimismus, die oft wiederum in etwa gleicher Bedeutung benutzt werden. Gelegentlich wird jedoch der Optimismus oberflächlicher als lediglich auf den positiven Ausgang gerichtet angesehen. Die Hoffnung dagegen berücksichtigt auch den Sinn und den Wert ihres Ziels.

Quantifizierung von Hoffnung

  • Drei Instrumente (Miller Hope Scale, Herth Hope Index, Snyder Hope Scale) stehen zur Verfügung, die komplementäre und sich überschneidende Aspekte der Hoffnung abdecken.
  • Häufig wird der Herth Hope Index zur Verfolgung des Gesundungsprozesses von psychisch Kranken und zum Verständnis der Funktion der Hoffnung in Bezug auf Gesundungsprozesse allgemein verwendet. (2)Scand J Caring Sci. 2010 Dec;24 Suppl 1:67-74
  • Eine 23-Item-Skala berücksichtigt vier Dimensionen: „Vertrauen und Zuversicht“, „positive Zukunftsorientierung“, „soziale Beziehungen und persönlicher Wert“ und „Perspektivlosigkeit“. Die Hoffnungswerte korrelierten in einer Untersuchung negativ mit Depression und positiv mit Lebensqualität. (3)Health Expect. 2011 Dec;14(4):417-28. DOI: 10.1111/j.1369-7625.2010.00645.x
  • Eine Untersuchung der verschiedenen Skalen ergab, dass es keine zufrieden stellende Lösung zur Messung der Hoffnung gibt und hebt gewichtige Lücken in ihren psychometrischen Eigenschaften hervor. (4)Int J Clin Pract. 2018 Jul;72(7):e13213. DOI: 10.1111/ijcp.13213
  • In Hong-Kong wurde eine Skala entwickelt (CLDH-Skala, career and life development hope), die speziell auf die Hoffnung auf Karriere und Lebensziele dort gerichtet ist und sich als valide und verlässlich erwiesen hat. (5)Int J Environ Res Public Health. 2022 Aug 18;19(16):10283. doi: 10.3390/ijerph191610283.

Bezug der Hoffnung

Hoffnungen beziehen sich

  • einerseits auf Konkretes, eine bessere Lebensgrundlage, auf mehr Geld, die Lösung eines speziellen Problems oder die Überwindung einer besonderen Situation, Besserung oder Heilung einer Krankheit, Stillen von Hunger und Durst, Linderung von Schmerzen, manchmal auch nur auf ein kurzfristiges und oberflächliches Vergnügen z.B. im Spiel, – dies sind meist vorübergehende Ausrichtungen und Ziele;
  • andererseits auch auf Immaterielles, wie Erfolg und Anerkennung, auch Macht, Glück und Befriedigung in einer sozialen oder persönlichen Beziehung. Dies sind meist langfristige Ausrichtungen und Ziele.

Was mit Hoffnung verknüpft ist, hängt von den Gegebenheiten ab und auch von der inneren Ausrichtung des jeweiligen Menschen, von seiner Lebenseinstellung und seinen Wertvorstellungen. Fehlen Nahrung, Kleidung und Unterkunft, so sind die Hoffnungen auf den Lebenserhalt gerichtet; Hoffnungslosigkeit führt – je nach Charakter – früher oder später zur Selbstaufgabe. Menschen mit starker innerer Festigkeit können selbst in aussichtsloser Situation anderen Menschen noch Kraft spenden. Diesen Menschen hilft die Einstellung, die Václav Havel so formuliert hat:

„Hoffnung ist eben nicht Optimismus, ist nicht Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

In der Theologie spielt sie eine entscheidende Rolle, da sie das Ziel des Menschen umreißt, das die Religion vermittelt. Es treffen dort verschiedene Strömungen aufeinander: einerseits ist sie auf eine jenseitige Vollendung mit einer Befreiung von Schuld ausgerichtet (Eschatologie), andererseits wird davon ausgegangen, dass ein diesseitiger Auftrag zur Verwirklichung der in der jeweiligen Religion verankerten Werte empfunden wird, der bis zuletzt erfüllt werden soll (Beispiel aus dem Christentum: Theologie der Hoffnung).

Hoffnung in der Medizin

In der Medizin spielt Hoffnung eine entscheidende Rolle bei der Behandlung von Krankheiten. Sie vermag den Verlauf insbesondere bei langwierigen, nicht heilbaren und schmerzhaften Krankheiten positiv zu beeinflussen. Sie mobilisiert Selbstheilungskräfte. Menschen, denen man die Hoffnung raubt, verlieren den Lebensmut.

Das aufklärende Gespräch bei der Übermittlung schlechter Nachrichten ist entscheidend für die psychische wie auch physische Widerstandskraft und die Lebensqualität insbesondere von Menschen mit einer unheilbaren Krankheit, und ebenso für diejenigen, die einen schweren Verlust, den eines anderen Menschen, einer zwischenmenschlichen engen Beziehung oder von Haus und Hof, zu bewältigen haben.

Das Niveau der Hoffnung wird bestimmt durch angeborene Persönlichkeitsmerkmale und durch Umweltfaktoren, aber auch durch innere Bedingungen, wie Immunmodulatoren, Neurotransmitter und affektive Zustände.

Es wird davon ausgegangen, dass hoffnungsfördernde Therapien die Erfolge von onkologischen Behandlungen bei Krebspatienten und die Lebensqualität verbessern können. (6)Lancet Oncol. 2020 Sep;21(9):e452-e459. DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30210-2 Hoffnung, soziale Unterstützung und spirituelle Bewältigungsstrategien können laut einer Studie bei fortgeschrittenem Krebs das Auftreten von Depressionen wirksam verhindern. (7)BMC Psychiatry. 2022 May 18;22(1):345. DOI: 10.1186/s12888-022-03985-1

Hoffnung und Selbstheilungskräfte

Um Hoffnung wissenschaftlich zu bewerten, wird meist eine formularbasierte Befragung zur Quantifizierung eingesetzt. Sie differenziert und verwendet beispielsweise Aussagen zu „Vertrauen“, „sozialen Beziehungen“, „positiver Zukunftsorientierung“ und „Perspektivlosigkeit“. (8)Health Expect. 2011 Dec;14(4):417-28. DOI: 10.1111/j.1369-7625.2010.00645.x

Häufig werden Indices wie der Herth Hope Index (HHI) verwendet, der in verschiedenen Ländern an die kulturellen Besonderheiten adaptiert wurde. (9)J Adv Nurs. 1993 Apr;18(4):538-48  (10)Scand J Caring Sci. 2003 Dec;17(4):409-15  (11)Palliat Support Care. 2004 Sep;2(3):255-63  (12)Scand J Caring Sci. 2010 Dec;24 Suppl 1:67-74 Hoffnung wird hier als eine dynamische innere Befähigung definiert, die es ermöglicht, die gegenwärtige Situation von einem höheren Standpunkt aus zu betrachten und ein positives neues Bewusstsein zu generieren. Es werden für die Beurteilung der Hoffnungsstärke (in einem numerischen Index) die Hoffnung fördernde und sie behindernde Kategorien berücksichtigt. (13)J Adv Nurs. 1993 Apr;18(4):538-48 Die Antworten werden in verschiedenen Graden zwischen „trifft voll zu“ und „trifft gar nicht zu“ eingeteilt.

  • In einer norwegischen Studie wird festgestellt, dass die Ausprägung der Hoffnung bei Menschen mit Tumorschmerzen etwas höher ist, als die bei der Normalbevölkerung. (14)Palliat Support Care. 2008 Dec;6(4):327-34
  • Ganz entsprechend wurde festgestellt, dass der Hoffnungs-Index bei Frauen mit Brustkrebs, die unter Müdigkeit litten, deutlich höher war als der der Normalbevölkerung. Verheiratete Patientinnen und solche mit einer festen persönlichen Bindung hatten einen deutlich höheren Hope-Score. (15)Palliat Support Care. 2011 Mar;9(1):63-72
  • COPD-Kranke, die an einem Atemtraining in Gruppen teilnahmen, zeigten eine recht gute Korrelation von Hoffnung (nach HHI) und Selbstpflege: hoffnungsvolle Erwartung fördert Selbstpflege. (16)Appl Nurs Res. 2008 Nov;21(4):212-7
  • Oft wird bei einer Aufklärung bei einer schwerwiegenden Erkrankung über den tatsächlichen Befund Wesentliches vorenthalten, „um Hoffnung nicht zu nehmen“. Es zeigt sich jedoch in einer amerikanischen Studie, dass die Hoffnung bei Krebspatienten aufrecht erhalten werden kann, wenn die Aufklärung wahrheitsgemäß erfolgt. (17)Oncology (Williston Park). 2010 May;24(6):521-5 Optimismus ist nicht unbedingt besser als Realismus.
  • Teilnehmer einer Studie an Menschen, die lange Zeit in eine persönliche Betreuung anderer Menschen eingebunden sind (Continuing Care Assistants), teilten in einer Studie mit, dass ihnen Glauben, persönliche Beziehungen, ihr Engagement, anderen zu helfen, und positives Denken dabei halfen, Hoffnung zu haben, was einen positiven Einfluss auf ihre Zufriedenheit bei der Arbeit bewirkte. (18)J Adv Nurs. 2009 Nov;65(11):2376-85
  • Die immer wieder beschriebene Assoziation von Hoffnung mit körperlicher Abwehrkraft hat eine biologische Grundlage: Patienten mit Hoffnung auf Therapieerfolg weisen einen signifikant höheren Anteil an CD8(+) T-Zellen und einen signifikant geringeren Anteil an CD4(+) T-Zellen sowie CD19(+) B-Zellen auf verglichen mit Patienten ohne solch eine Hoffnung. (Erklärung: Die T- und B-Zellen (T- bzw. B-Lymphozyten) sind entscheidend an der Immunreaktion der Körpers beteiligt; CD4-positive Lymphozyten werden als T-Helferzellen, CD8-positive Lymphozyten als T-Suppressorzellen oder T-Killerzellen bezeichnet). (19)Gen Hosp Psychiatry. 2011 Jul-Aug;33(4):371-6 Die Beeinflussung des Immunsystems durch Gemütsbewegungen wie Hoffnung und Optimismus bzw. Hoffnungslosigkeit und Selbstaufgabe ist ein neues Forschungsfeld, das speziell in der Onkologie und der Palliativmedizin eine große Bedeutung erhält.
  • „Hopamin“: Dopamin vermag eine positive Gestimmtheit von Parkinsonpatienten erhöhen. (20)Brain. 2019 Mar 1;142(3):719-732. DOI: 10.1093/brain/awy341 Die Erhöhung einer hoffnungsvollen Gestimmtheit durch Medikamente sollte einer Auffassung zufolge individualisiert erfolgen. Dabei sollten die Patienten selbst entscheiden / mitentscheiden, welche Dosis für sie zu welchem Zeitpunkt die richtige ist. Dieses Vorgehen berücksichtigt vorrangig die individuelle Zusammensetzung von Hoffnungen, Wünschen, Erfahrungen und Fähigkeiten jedes Einzelnen mit einem Dopamin-Defizit. (21)J Parkinsons Dis. 2023;13(2):271-277. DOI: 10.3233/JPD-230012

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Verweise

 

Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)

 

Literatur

Literatur
1Lancet Oncol. 2020 Sep;21(9):e452-e459. DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30210-2
2Scand J Caring Sci. 2010 Dec;24 Suppl 1:67-74
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4Int J Clin Pract. 2018 Jul;72(7):e13213. DOI: 10.1111/ijcp.13213
5Int J Environ Res Public Health. 2022 Aug 18;19(16):10283. doi: 10.3390/ijerph191610283.
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