Capsaicin

Artikel aktualisiert am 18. Juni 2023

Capsaicin ist ein Alkaloid aus Paprika- und Chilibeeren (landläufig als Paprikaschoten und Chilischoten bezeichnet), das ihren scharfen Geschmack ausmacht und ein Hitzegefühl hervorruft. Bekannt ist Capsaicin in Form von Chili und Paprika vor allem in der Küche als „Scharfmacher“ von Speisen. Auf die anfängliche Erregung der Geschmacksrezeptoren folgt eine lange Periode, in der die zuvor Rezeptoren auf eine Vielzahl von Reizen nicht mehr reagieren. (1)Cancer Res. 2011 Apr 15;71(8):2809-14. doi: 10.1158/0008-5472.CAN-10-3756

Capsaicin hat neben erwünschten eine Reihe unerwünschter Effekte auf den Körper. Gereizte Stellen der Schleimhäute werden reaktiv vermehrt durchblutet. Kommt es in die Augen, schmerzen sie sofort und werden stark gerötet, es kommt zum Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss). Kommt es in die Atemwege resultieren Husten und Atemnot. Diese Wirkungen sind bei der Anwendung von „Pfefferspray“ (pepper spray = chili pepper) bei der Abwehr von Angreifern und Tieren gewollt. Da Capsaicin die Wirkung von Kokain steigert, kann Pfefferspray bei Drogenabhängigen lebensbedrohlich wirken.


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Biologische und medizinische Wirkungen

Capsaicin ist wegen seiner vielfältigen biologischen Wirkungen für die Forschung interessant geworden. (2)Pharmacol Rev. 2012 Oct;64(4):939-71

  • Neuroregulation: Capsaicin wirkt über die Stimulierung des polymodale Vanilloid-Receptors Typ 1 (transient receptor potential of the vanilloid type 1: als TRPV1 abgekürzt). Es stimuliert damit selektiv die afferenten Neurone der dorsalen Wurzel mit dünnen C- und A-Fasern nur von Säugern. Es ist beteiligt an der Freisetzung neuroregulatorischer Peptide (wie Substanz P) von den Nervenenden dünner Fasern. (3) J Physiol. 1982;332:157–167
  • Verbesserung der Gehirnfunktion: In Tierversuchen wurde gezeigt, dass eine akute und chronische Capsaicin-Behandlung die Kognition bei Tieren verbessern kann. Beim Menschen ist das bisher nicht betätigt. (4)Nutrients. 2023 Mar 22;15(6):1537. doi: 10.3390/nu15061537..
  • Dünndarmbewegungen: Capsaicin verlangsamt die Schrittmacheraktivität der Cajal-Zellen des Dünndarms (5)J Neurogastroenterol Motil. 2010 July; 16(3): 265–273 und führt damit zu einer Verminderung der Peristaltik.
  • Verminderung des Körperfetts: Capsaicin reduziert das Gesamtkörperfett über Aktivierung von TRP und durch Erhöhung der Thermogenese im braunen Fett. Es wirkt sich senkend auf das Körpergewicht aus. (6)Pharmaceuticals (Basel). 2022 Jul 11;15(7):851. doi: 10.3390/ph15070851 (7)Mol Nutr Food Res. 2022 Dec;66(23):e2200167. doi: 10.1002/mnfr.202200167 (8)Adv Food Nutr Res. 2015;76:1-28. DOI: 10.1016/bs.afnr.2015.07.002 (9)Pharmaceuticals (Basel). 2022 Jul 11;15(7):851. DOI: 10.3390/ph15070851
  • Im Ösophagus erhöht Chili-Sauce die Empfindlichkeit gegenüber Dehnung und erleichtert die Peristaltik (10)Neurogastroenterol Motil. 2010 Nov;22(11):1177-82
  • Im Magen existieren Rezeptoren eines Thermoregulationssystems, das über den Sympathicus läuft. Sie werden durch Capsaicin lang anhaltend gereizt. Da dieses System für den Energiehaushalt des Körpers von Bedeutung ist, eröffnen sich über Capsaicin und Derivate möglicherweise therapeutische Eingriffe in den Metabolismus bei Adipositas. (11)J Appl Physiol (1985). 2011 Mar;110(3):789-98. DOI: 10.1152/japplphysiol.00128.2010
  • Capsaicin ist ein Tumorsuppressor; es unterdrückt in höheren Dosen das Wachstum sowohl des Androgenrezeptor-positiven als auch -negativen Prostatakarzinoms; ein Hauptwirkmechanismus ist die Induktion der Apoptose der Tumorzellen. (12)Cancer Res. 2006 Mar 15;66(6):3222-9 (13)Future Oncol. 2010 Oct;6(10):1545-50
  • Capsaicin ist neurotoxisch. Aufgetragen auf die Haut führt es zur Degeneration von motorischen Nervenfasern und kann eine Neuropathie hervorrufen oder verstärken. (14)Acta Physiol Hung. 1987;69(3-4):295-313 (15)Ann Neurol. 2010 Dec;68(6):888-98. doi: 10.1002/ana.22126. Capsaicin hemmt (ganz im Gegensatz zu Curcumin, aber ähnlich wie Dexamethason (16)Brain Res. 2004 Nov 19;1027(1-2):1-10 ) im Tierversuch die Neubildung von Nervenzellen aus Progenitorzellen, so auch im Hippocampus. (17)J Toxicol Environ Health A. 2010 Jan;73(21-22):1490-50
  • Capsaicin löst Husten aus und kann zur Prüfung des Hustenreflexes sowie der Wirkung von Antitussiva verwendet werden. (18)Pulm Pharmacol. 1996 Oct-Dec;9(5-6):281-4 Durch solch einen Test kann herausgefunden werden ob der Hustenreflex beispielsweise bei einer diabetischen Neuropathie vermindert (19)Eur J Med Res. 2009 Dec 7;14 Suppl 4:45-8 oder bei einer Refluxkrankheit oder einer chronischen Sinusitis erhöht ist. (20)Int J Hyg Environ Health. 2010 Jan;213(1):66-7 Mit Hilfe solch eines Tests kann ein Husten-Hypersensitivitätssyndrom festgestellt werden. (21)Lung. 2010 Jan;188 Suppl 1:S87-90
  • Topisches Capsaicin: Capsaicinhaltige Pflaster (z. B.ABC-Pflaster) oder Cremes zur transdermalen Applikation kann wiederholt kurz angewendet chronischen neuropathischen Schmerz lindern und werden zur symptomatischen Therapie von Rheuma (z. B. der rheumatoiden Arthritis verwendet; lokale Rötungen sind häufig, systemische Nebenwirkungen selten. (22)Cochrane Database Syst Rev. 2017 Jan 13;1(1):CD007393. doi: 10.1002/14651858.CD007393.pub4
  • Blutdrucksenkung: Capsaicin senkt indirekt über die Vermittlung einer NO-Freisetzung den Blutdruck. (23)Cell Metab. 2010 Aug 4;12(2):109-10
  • Wirkung gegen Krebs:  Capsaicin unterdrückt das Wachstum mehrerer Krebsarten beim Menschen. Das Molekül besteht aus drei Regionen (Region A (aromatischer Ring), Region B (Amidbindung) und Region C (Seitenkette) ). Neu entwickelte Capsaicinanaloga der Region B zeigen eine wachstumshemmende Wirkung auf Krebszellen, die – so die Hoffnung – therapeutisch ausgenutzt werden kann. (24)J Med Chem. 2023 Apr 13;66(7):4294-4323. DOI: 10.1021/acs.jmedchem.2c01594

Verweise

 

Literatur

Literatur
1Cancer Res. 2011 Apr 15;71(8):2809-14. doi: 10.1158/0008-5472.CAN-10-3756
2Pharmacol Rev. 2012 Oct;64(4):939-71
3 J Physiol. 1982;332:157–167
4Nutrients. 2023 Mar 22;15(6):1537. doi: 10.3390/nu15061537.
5J Neurogastroenterol Motil. 2010 July; 16(3): 265–273
6Pharmaceuticals (Basel). 2022 Jul 11;15(7):851. doi: 10.3390/ph15070851
7Mol Nutr Food Res. 2022 Dec;66(23):e2200167. doi: 10.1002/mnfr.202200167
8Adv Food Nutr Res. 2015;76:1-28. DOI: 10.1016/bs.afnr.2015.07.002
9Pharmaceuticals (Basel). 2022 Jul 11;15(7):851. DOI: 10.3390/ph15070851
10Neurogastroenterol Motil. 2010 Nov;22(11):1177-82
11J Appl Physiol (1985). 2011 Mar;110(3):789-98. DOI: 10.1152/japplphysiol.00128.2010
12Cancer Res. 2006 Mar 15;66(6):3222-9
13Future Oncol. 2010 Oct;6(10):1545-50
14Acta Physiol Hung. 1987;69(3-4):295-313
15Ann Neurol. 2010 Dec;68(6):888-98. doi: 10.1002/ana.22126.
16Brain Res. 2004 Nov 19;1027(1-2):1-10
17J Toxicol Environ Health A. 2010 Jan;73(21-22):1490-50
18Pulm Pharmacol. 1996 Oct-Dec;9(5-6):281-4
19Eur J Med Res. 2009 Dec 7;14 Suppl 4:45-8
20Int J Hyg Environ Health. 2010 Jan;213(1):66-7
21Lung. 2010 Jan;188 Suppl 1:S87-90
22Cochrane Database Syst Rev. 2017 Jan 13;1(1):CD007393. doi: 10.1002/14651858.CD007393.pub4
23Cell Metab. 2010 Aug 4;12(2):109-10
24J Med Chem. 2023 Apr 13;66(7):4294-4323. DOI: 10.1021/acs.jmedchem.2c01594