COX-2-Hemmer

Artikel aktualisiert am 9. Januar 2022

COX-2-Hemmer sind Medikamente, die zur Schmerzstillung, Fiebersenkung und Entzündungshemmung verwendet werden. Sie sind selektive Hemmstoffe der Cyclooxigenase-2 (COX-2) und werden auch als Coxibe bezeichnet oder als selektive nicht-steroidale antientzündliche Medikamente (selective non steroidal antiinflammarory drugs, selektive NSAID).


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Das Wichtigste

Kurzgefasst
COX-2-Hemmer sind Medikamente, die zur Schmerz- und Fieberbekämpfung bei Entzündungen dienen. Sie hemmen die Bildung von Entzündungsvermittlern im Körper. Zudem hemmen sie auch das Wachstum einiger Tumore.

Zwar sind COX-2-Hemmer magenfreundlicher als herkömmliche nicht steroidale Entzündungshemmer (unselektive NSAID), dennoch ist unter den Nebenwirkungen vor allem auf eine Schleimhautschädigung des Magendarmkanals mit der Bildung von Magengeschwüren zu achten. Auch können COX-2-Hemmer die Nierenfunktion verschlechtern und bei Patienten mit Gefäßsklerose das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Wegen gravierender Komplikationen sind eine Reihe von Neuentwicklungen von COX-2-Hemmern nicht auf den Markt gekommen oder vom Markt genommen worden. Therapeutische Bedeutung hat vor allem Celecoxib erlangt.

Wirkungsweise

COX-2-Hemmer unterdrücken die Bildung von Prostaglandinen und ihren Derivaten aus Arachidonsäure in den Zellen, Geweben und Organen, in denen COX 2 besonders exprimiert wird. Da COX 2 im Gegensatz zu dem ständig aktiven COX 1 induzierbar ist und speziell bei Entzündungsvorgängen exprimiert wird, ist es in andere Funktionszusammenhänge eingebunden als COX 1, so dass COX-2-Hemmer auch andere Funktionen unterdrücken als COX-1-Hemmer. Viele herkömmliche nicht-steroidale antientzündliche Medikamente (non steroidal antiinflammatory drugs, NSAID) sind unselektive Hemmer beider Enzyme. Selektive COX-2-Hemmer dagegen wirken sich hauptsächlich auf COX 2 und weniger bis gar nicht auf COX 1 aus. Da COX 1 und COX 2 in unterschiedliche Funktionszusammenhänge eingebettet sind, führen die jeweiligen Hemmer zu unterschiedlichen Effekten.

Auswirkungen der COX-2-Hemmer

Selektive COX-2-Hemmer verändern das physiologische Gleichgewicht zwischen COX-1- und COX-2-Produkten. Dies ist einerseits in bestimmten Krankheitssituationen therapeutisch erwünscht, andererseits risikobehaftet. So hemmen selektive COX-2-Hemmer die Bildung von Prostacyklin (= Prostaglandin I2), welches gefäßerweiternd und gerinnungshemmend wirkt; damit beginnen COX-1-Produkte zu überwiegen. Eine unselektive Hemmung beider Cyclooxigenasen durch NSAID, die neben COX 2 auch COX 1 hemmen, hat neben der erwünschten Wirkung einer COX-2-Hemmung die oft unerwünschte Wirkung einer COX-1-Hemmung als Nebenwirkung zur Folge, so vor allem ein erhöhtes Risiko gastrointestinaler Komplikationen:

  • COX 2 fördert die Bildung von Thromboxan A2, Produkt des durch COX 2 vermittelten Synthesewegs in Thrombozyten, ist Gegenspieler gefäßerweiternder Prostaglandine; es fördert die Plättchenaggregation und eine Gefäßkonstriktion. Es wirkt daher gefäßabdichtend und gerinnungsfördernd. Das ist bei lokalen Entzündungen und Gefäßverletzungen sinnvoll, kann aber bei engen arteriosklerotischen Gefäßen (Herz, Gehirn) das Risiko eines Gefäßverschlusses beinhalten. Daher ist eine selektive COX-2-Hemmung (wie sie aus Gründen des Magenschutzes einer unselektiven COX-Hemmung gelegentlich vorgezogen wird) mit einer Erhöhung des Risikos für eine Gefäßverengung plus einer erhöhten Neigung zu einer Thrombozytenaggregation verbunden. Beides kann das kardiovaskuläre Risiko (so für einen Herzinfarkt) erhöhen. Dies gilt insbesondere für selektive COX-2-Hemmer (Coxibe).
  • Im Magendarmkanal wird Prostaglandin E2 (PgE2) überwiegend durch COX 1 gebildet und schützt dort die Schleimhaut. Wenn COX 1 nicht durch COX-2-Hemmer mitgehemmt wird, fällt dieser Schutz auch nicht weg. Selektive COX-2-Hemmer sind daher theoretisch nicht mit einer erhöhten Schleimhauttoxizität verbunden, wie sie bei unselektiven NSAID (wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac) vorliegt. Selektive COX-2-Hemmer entfalten weniger Komplikationen im Magendarmkanal als unselektive.

Erwünschte Wirkungen von COX-2-Hemmern

Folgende COX-2-Funktionen, die für Krankheitsprozesse von besonderer Bedeutung sind, können durch COX-2-Hemmer unterdrückt werden:

  • COX-2 wird in Entzündungen vermehrt gebildet; seine Stoffwechselprodukte führen zu akuten Entzündungsreaktionen (Schwellung, gesteigerte Durchblutung), vermehrter Schmerzempfindung und Fieber.
  • COX-2 findet sich in aussprossenden Gefäßen, wie sie u. a. auch in chronischen Entzündungsprozessen oder in Tumoren vorkommen, und fördert über seine Produkte die Gefäßneubildung (Angiogenese).
  • COX-2-Produkte spielen in Gehirn und Rückenmark eine Rolle bei der Schmerzverarbeitung.

COX-2-Hemmer erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen

Wenn durch eine COX-2-Hemmung das Gleichgewicht von Gerinnungshemmung und -förderung zugunsten einer Förderung gestört wird, so bedeutet dies eine Steigerung des Risikos für kardiovaskuläre Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Dies ist vor allem bedeutsam für Patienten, die sowieso bereits ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Wegen solcher Komplikationen erreichten einige COX-2-Hemmer nicht die Marktreife oder wurden vom Markt genommen.

Substanzen

Medikamente, die eine Hemmung von Cyclooxigenasen bewirken, lassen sich in COX-1-Hemmer und COX-2-Hemmer unterteilen. Die klassischen NSAID sind unselektive Hemmer beider Enzyme. Auch wenn ihre erwünschte Hauptwirkung die Hemmung von COX 2 betrifft, so wird COX 1 immer mitgehemmt, was Nebenwirkungen bedingt. Selektive COX-2-Hemmer sollen vor allem die Nebenwirkungen auf den Magendarmkanal (erhöhtes Risiko von Magenblutungen) nicht aufweisen.

Nicht selektive COX-2-Hemmer sind herkömmliche nichtsteroidale antientzündliche Medikamente (non steroidal antiinflammatory drugs, NSAID) (= nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) wie Ibuprofen, Indometacin oder Diclofenac, die auch COX 1 hemmen (dessen Aktivität die Blutgerinnung über die Blutplättchen fördert und die Magenschleimhaut schützt, s. o.).

Selektive COX-2-Hemmer, die auch als Coxibe bezeichnet werden, entwickeln weniger gastrale Nebenwirkungen als die unselektiven COX-2-Hemmer. Celecoxib ist ein Beispiel eines in der medizinischen Praxis bedeutsamen selektiven COX-2-Hemmers. Andere sind Rofecoxib, Valdecoxib, Etoricoxib und Lumiracoxib. Von ihnen haben die meisten inakzeptable Nebenwirkungen entfaltet und keine klinische Bedeutung erlangt. Es hat sich herausgestellt, dass auch Paracetamol (Acetaminophen) Wirkungen entfaltet, die auf eine selektive COX-2-Hemmung zurückzuführen sind (1)FASEB J. 2008 Feb;22(2):383-90.

Wirkungen

  • antientzündlich
  • schmerzlindernd
  • fiebersenkend
  • tumorhemmend

Tumorhemmung

Coxibe sind in letzter Zeit als mögliche Begleitmedikamente zur Behandlung von Tumoren ins Gespräch gekommen, denn sie hemmen die Angiogenese sowie die VEGF- und MMP-2 mRNA-Expression und fördern die Tumorzell-Apoptose von COX-2-exprimierenden Tumorzellen (2)Res Pharm Sci. 2013 Oct;8(4):298-303. Dies wurde beispielsweise nachgewiesen beim kolorektalen Karzinom (3)Exp Oncol. 2008 Mar;30(1):42-51 ), beim Meningiom (4)Cancer. 2007 Feb 1;109(3):588-97 und beim hepatozellulären Karzinom (HCC) (5)Oncotarget. 2014 Mar 30;5(6):1475-90. Wegen ihrer Nebenwirkungen (s. u.) kommen sie für eine Tumorbehandlung jedoch nur adjunktiv und in besonderen Einzelfällen in Betracht. Ein dimethyliertes Derivat von Celecoxib (DM-Celecoxib), das die Eigenschaft als COX-2-Hemmer verloren, aber die antitumoröse Föhigkeit erhalten hat, zeigt eine Möglichkeit für eine Medikamentenentwicklung auf (siehe hier).

Nebenwirkungen

COX-2-Hemmer sind zwar relativ gut verträglich. Sie weisen individuell jedoch eine Reihe von Nebenwirkungen auf (6)Cardiovasc J Afr. 2008 Mar-Apr;19(2):102-7. Eine individuelle Risikoabwägung ist daher, wie auch bei anderen NSAID’s, erforderlich (7)BMC Med. 2015; 13: 55.

  • Magendarmkanal: Bei Älteren und Menschen mit gastrointestinalen Geschwüren müssen ernsthafte Komplikationen wie ein Magengeschwür (auch mit Blutung und Perforation) bedacht werden. Coxibe (wie Celecoxib) haben in dieser Beziehung weniger Nebenwirkungen als NSAR. Sie erhöhen nicht das Risiko einer unteren gastrointestinalen Blutung. Bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten wird das Risiko einer Verschlimmerung (Exazerbation) nicht eindeutig erhöht (8)Cochrane Database Syst Rev. 2014 Oct 23;10:CD007744. doi: 10.1002/14651858.CD007744..
  • Herz: Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit ist das Risiko eines Herzinfarkts erhöht (9)Cardiovasc J Afr. 2008 Mar-Apr;19(2):102-7. Besonders bei Gefährdeten (z.B. durch Rauchen, metabolisches Syndrom) sollte eine therapeutische Alternative gewählt werden.
  • Leber: Toxische Leberschäden sind beschrieben. Bei vorbestehendem toxischen Leberschaden können COX-2-Hemmer zu einer akuten Verschlechterung führen (10)Toxicol Appl Pharmacol. 2008 Apr 15;228(2):239-46.
  • Niere: Eine Niereninsuffizienz kann sich durch COX-2-Hemmer verschlimmern  (11)CMAJ. 2000 September 5; 163(5): 604.
  • Gehirn: Ungeklärt ist die Vermutung, dass COX-2-Hemmer das Risiko der sporadischen Demenz beim Menschen erhöhen. Im Tierexperiment führen sie jedoch zum Fortschreiten einer neuronalen Schädigung bei der Streptozotocin-behandelten Ratte (12)J Mol Neurosci. 2012 Jan;46(1):223-35.

 Zur Therapie von Beschwerden und Schwellungen mit COX-2-Hemmern bei erhöhtem Risiko für Komplikationen siehe hier.

COX-Hemmer in der Umwelt

COX-Hemmer können für Tiere problematisch sein. Diclofenac hilft gegen Entzündungen und Schmerzen und wird/wurde daher auch in der Rinderzucht verwendet. Nebenwirkungen können auch bei Tieren Nierenschäden sein. Indische und Nepalesische Geier sind so empfindlich, dass sie durch Rinder-Aas, das Diclofenac enthält, an Niereninsuffizienz eingehen. Ihr Bestand ist dadurch bir 2018 bereits um 90% zurückgegangen! Selbst nach seinem Verbot bleibt das Medikament lange weiter in der Nahrungskette und tötet weiter. (13)Arch Environ Contam Toxicol. 2018 Feb;74(2):292-297. doi: 10.1007/s00244-017-0480-z. 

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

 


Literatur

Literatur
1FASEB J. 2008 Feb;22(2):383-90
2Res Pharm Sci. 2013 Oct;8(4):298-303
3Exp Oncol. 2008 Mar;30(1):42-51
4Cancer. 2007 Feb 1;109(3):588-97
5Oncotarget. 2014 Mar 30;5(6):1475-90
6Cardiovasc J Afr. 2008 Mar-Apr;19(2):102-7
7BMC Med. 2015; 13: 55
8Cochrane Database Syst Rev. 2014 Oct 23;10:CD007744. doi: 10.1002/14651858.CD007744.
9Cardiovasc J Afr. 2008 Mar-Apr;19(2):102-7
10Toxicol Appl Pharmacol. 2008 Apr 15;228(2):239-46
11CMAJ. 2000 September 5; 163(5): 604
12J Mol Neurosci. 2012 Jan;46(1):223-35
13Arch Environ Contam Toxicol. 2018 Feb;74(2):292-297. doi: 10.1007/s00244-017-0480-z.