Autonomes Nervensystem

Artikel aktualisiert am 14. Februar 2019

Autonomes Nervensystem (auch als vegetatives Nervensystem bezeichnet) bedeutet selbständig und unabhängig (autonom) wirkendes Nervensystem. Es ist der Teil des Gehirns und gesamten Nervensystems, der unabhängig von der bewussten Kontrolle eigenständig diejenigen Körperfunktionen beeinflusst, die einer raschen Regulation bedürfen. Es hat Verbindungen zu Regulationssystemen, die durch Hormone und Mediatoren wirksam werden, indem sie die Aktivität der Zellen des Immun- und Entzündungssystems beeinflussen. (1)Compr Physiol. 2014 Jul;4(3):1177-200 (2)Endocr Regul. 2010 Apr;44(2):69-75 (3)Arthritis Res Ther. 2015 Mar 31;17(1):87. doi: 10.1186/s13075-015-0597-2

Das autonome Nervensystem besteht im Wesentlichen aus zwei Anteilen,

  • dem Sympathicus und
  • dem Parasympathicus (s. u.).

Beide Teile bestehen aus einem (präganglionären) Teil, der im Zentralnervensystem verankert ist, und einem (postganglionären) Teil, der mit den Erfolgsorganen bzw. den peripheren Zellen verbunden ist. Viele Organe und Zelltypen erhalten sowohl vom Sympathicus als auch vom Parasympathicus „Befehle“. Die Körperfunktionen, die durch das autonome Nervensystem reguliert werden, laufen ohne Großhirnsteuerung unbewusst ab und werden als vegetative Funktionen zusammengefasst; daher wird das autonome Nervensystem auch als vegetatives Nervensystem bezeichnet.


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Sympathicus

Die präganglionären Neurone des Sympathicus liegen im Rückenmark zwischen Th1 (Höhe des obersten Brustwirbels) und L2-3 (Höhe des mittleren Lendenwirbelbereichs). Sie haben direkte Verbindung zum neben der Wirbelsäule gelegenen (paravertebralen) Grenzstrang mit seinen Ganglien. Von dort laufen lange Nerven (mit den Neuriten der Ganglienzellen) zu den Erfolgsorganen. Die Übertragung dort geschieht bis auf wenige Ausnahmen mit Noradrenalin (adrenerg).

Vom Sympathicus beeinflusste Organe

Zu den vom Sympathicus beeinflussten Organen zählen

  • das Herz (Erhöhung der Herzfrequenz, Tachykardie),
  • die glatte Muskulatur
    • der Blutgefäße (Erhöhung des Blutdrucks),
    • des Magendarmkanals (Abnahme der Verdauungstätigkeit und Motilität),
    • der Bronchien (Erweiterung),
    • der Pupillen (Erweiterung),
    • der Haut (Aufrichtung der Haare bei emotionalem Schauer), sowie
  • die Schweißdrüsen (Schwitzen).

Aufgabe und Funktion des Sympathicus

Der Sympathicus dient in seiner Gesamtfunktion wesentlich der akuten körperlichen Arbeit sowie dem Kampf- und Fluchtverhalten bzw. seinen „gebändigten“ Äquivalenten im zivilisatorischen Bereich. Er beeinflusst die Stoffwechselsituation in Richtung Katabolismus (Ressourcenverbrauch: z. B. Erhöhung der Glukosebildung aus Glykogen in der Leber) und bereitet den Körper auf maximale körperliche Aktivität vor. Der Blutdruck steigt, die Herzaktion wird beschleunigt, die Bronchien werden erweitert. Zugleich werden andere vegetative Funktionen, wie die Verdauung und Entleerung von Darm und Blase, gehemmt.

→ Dazu siehe auch hier.

Parasympathicus

Die präganglionären Neurone des Parasympathicus liegen sowohl im Hirnstamm als auch im untersten Teil des Rückenmarks. Im Hirnstamm treten sie über die Hirnnerven II, VII, IX und X aus. Der X. Hirnnerv (Nervus vagus) enthält die meisten, etwa ¾ aller parasympathischen Fasern. Die parasympathischen Ganglien liegen i.G. zu den sympathischen (s. o.) in den Erfolgsorganen; die postganglionären Fasern sind entsprechend mit 1-2 Millimeter sehr viel kürzer. Die Übertragung dort geschieht mit Acetylcholin (cholinerg).

Vom Parasympathicus beeinflusste Organe

Zu den vom Parasympathicus beeinflussten Organen zählen

  • der Magendarmkanal (Aktivierung der Verdauung und der Motilität),
  • das Herz (Verlangsamung der Herzfrequenz)
  • die Blutgefäße (Erweiterung, Blutdrucksenkung),
  • die Tränendrüsen (Sekretion),
  • die Speicheldrüsen (Sekretion).

Aufgabe und Funktion des Parasympathicus

Der Parasympathicus dient in seiner Gesamtfunktion wesentlich der Regeneration des Körpers. Er wird besonders in Ruhephasen und nachts aktiv. Während seiner Aktivität kommt es zum Aufbau körpereigener Stoffe wie Eiweiße, Fette und Glykogen (anaboler Stoffwechsel).

Modulation des Immunsystems

Immunzellen besitzen nikotinerge und adrenerge Rezeptoren, die durch den Parasympathicus und Sympathicus über ihre Neurotransmitter gereizt werden können. Das autonome Nervensystem vermag auf diese Weise die Immun- und Entzündungsreaktionen des Körpers zu modulieren. (4)Compr Physiol. 2014 Jul;4(3):1177-200

Autonome Dysfunktion

Als Ursachen einer Fehlfunktion des autonomen Nervensystems finden sich häufig eine diabetische Neuropathie, eine Amyloidose oder Autoimmunkrankheiten. Eine neurodegenerative Erkrankung, so beispielsweise eine multiple Systematrophie (MSA), kann ebenfalls Ursache sein.

Die Auswirkungen einer autonomen Dysfunktion betreffen beispielsweise

  • den Magendarmkanal z. B. durch eine verzögerte Magenentleerung (Gastroparese), Darmträgheit bzw. Obstipation,
  • die Harnblase z. B. durch eine Entleerungsstörung mit Harnverhalt,
  • das Herz z. B. durch eine Frequenzstarre (mangelhafte Reaktion auf den Tag-Nacht-Rhythmus),
  • das Blutgefäßsystem z. B. durch eine Tag-Nacht-Starre des Blutdrucks oder eine orthostatische Hypotonie,
  • die Sexualfunktionen, z. B. im Sinne einer erektilen Dysfunktion (die Erektion wird parasympathisch, die Ejakulation sympathisch kontrolliert).

Verweise

 


Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).


 

Literatur

Literatur
1Compr Physiol. 2014 Jul;4(3):1177-200
2Endocr Regul. 2010 Apr;44(2):69-75
3Arthritis Res Ther. 2015 Mar 31;17(1):87. doi: 10.1186/s13075-015-0597-2
4Compr Physiol. 2014 Jul;4(3):1177-200